Hamburg. Gil Mehmerts deutschsprachige Erstaufführung des oscarprämierten Films und Musical-Erfolgs gerät auch an den Kammerspielen zum Hit.

Es gibt Sprüche, auch Werbesprüche mitsamt Fernsehspots, die bleiben noch nach Jahrzehnten in Erinnerung. „Die gute Wahl - Hoover“ lautet seit den 1960er-Jahren einer. Und heute? Ein junger Typ - einen Namen hat er nicht - kennt sich mit derlei Staubsaugern aus, hilft im Elektroladen seines verwitweten Vaters, diese zu reparieren. Mehr schlecht als recht versucht er sich mit seiner verschrammelten Gitarre in Dublin als Straßenmusiker, bis er einem (ebenfalls namenlosen) Mädchen mit tschechischen Akzent begegnet. Es will ihren kaputten Staubsauger wieder flottkriegen, sie ist ausgebildete Pianistin.

Klingt wie der Anfang eines kitschigen Gegenwartsmärchens, ist jedoch eine Erfolgsstory. Unter dem Titel „Once“, was zu Deutsch „einmal“, aber auch „früher“ oder „wenn“ bedeuten kann, war John Carneys Independent-Film vor 14 Jahren im Kino ein Überraschungs-Hit; er gewann 2008 sogar einen Oscar für den besten Filmsong mit der Ballade „Falling Slowly“. Einige Jahre später kam das Musical zum Film an den New Yorker Broadway und erhielt 2012 gleich acht Tony Awards.

Mehmert inszenierte auch „Das Wunder von Bern“

Seit Sonntag verwandeln sich die Hamburger Kammerspiele an mehreren Abenden pro Woche in den „Dublin Music Club“ und in einige weitere Orte in der irischen Hauptstadt - mit Indie-Folk schon bevor die Vorstellung beginnt. Verantwortlich dafür ist der Musiktheater-Profi Gil Mehmert.

Er hatte im kleinen Traditionstheater in Rotherbaum bereits „Der Ghetto Swinger“ über die jüdische Jazz-Legende Coco Schumann inszeniert, ebenso die Business-und Abstiegskomödie „Heiß auf 2. Liga“ über den HSV, als Musical-Großprojekt im Theater an der Elbe „Das Wunder von Bern“. Für die deutschsprachige Erstaufführung von „Once“ hat Tausendsassa Mehmert die Dialoge geschrieben und die Bühne mitgestaltet.

Delio Malär hofft auf musikalischen Durchbruch

Das Premierenpublikum feierte das Regieteam und das achtköpfige Ensemble in den trotz 3G-Bedingungen erstaunlich dicht besetzten Kammerspielen am Ende mit minutenlangen Applaus, Ovationen und „Bravo!“-Rufen - was die obligatorischen Masken eben so zulassen.

Das Besondere an dieser Inszenierung ist nicht allein die anrührende Lebens-, Liebes- und Leidensgesichte zweier „Königskinder“, die zwei verletzten einsamen Seelen gleichen. Delio Malär, in Hamburg bisher vor allem als Bühnen-Derwisch im Duo Cocodello (mit Cornelia Schirmer) bekannt, nimmt sich in der Rolle des von seiner Flamme verlassenen Typen angenehm zurück. Er hofft auf den musikalischen Durchbruch, beherrscht dabei auch die leisen Töne, wenn er etwa als „Hoover Man“ auf offener Bühne scheitert.

Lambrich überzeugt als junge Mutter

Gilt für Sybille Lambrich ohnehin. Sie überzeugt als Mädchen, vielmehr junge Mutter mit Ehemann in der Heimat und Akzent in der Sprache ausdrucks- und gesangsstark. Immer wieder changieren die Protagonisten zwischen Vergangenheitsbewältigung und gemeinsamen Neuanfang. Angst ist hier kein Ratgeber, deren Überwindung ein Ziel.

Doch ist das famose Ensemble aus musizierenden Schauspielern respektive schauspielenden Musikern, das den Abend zu einem stimmungsvoll-bewegenden macht. Ob Gitarre, Klavier, Bass, Banjo, Cello, Geige, Schlagzeug, Percussion oder Akkordeon - jede(r) beherrscht mindestens ein Instrument; die Darstellerinnen und Darsteller agieren als bunt zusammengewürfelte Band und spielen und singen alle live. Darüber hinaus legen sie einige feine Gruppen-Choreografien auf die Kammerspiele-Bretter.

Es geht auf die Straße und ans Meer

Stephan Möller-Titel, vor einigen Jahren als menschlicher Hauptdarsteller in Marc-Uwe Klings Bestseller-Adaption „Die Käguru-Chroniken“ im Altonaer Theater zu erleben, kann als Vater „Pa“ und Banker, der insgeheim auf eine Musikkarriere hofft, auf kantig-komische Art schauspielerisch am meisten zeigen. Aber auch Nadja Scheiwiller, als Hauptdarstellerin in „Flashdance“ musical- und tourneeerprobt, geigt den Männern als lasziv-lustvolle tschechische Sirene Reza gern ihre Meinung.

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Faszinierend, wie sie und Ihre Kollegen es mit wenigen Requisiten und Handgriffen schaffen, in Sekundenschnelle die Schauplätze zu wechseln. So geht es vom Music Club zurück auf die Straße, weiter in die Wohnungen der Protagonisten oder mit ihnen ans Meer: Dafür lässt Mehmert die Darsteller schlicht eine große Plane über Drum-Sets und Podeste ziehen - und schon wähnt man sich mit dem Typen und dem Mädchen am rauschenden Wasser.

Theaterkritik: „Once“ hat 20 Lieder

Der zweite Teil spielt über weite Strecken im Tonstudio. Dort entsteht ein Soundtrack fürs Leben, am Ende richtig schön haptisch auf CD. 20 Lieder hat „Once“ insgesamt, zum Finale ertönt als Reprise „Augenblick“, die deutsche Fassung von „Falling Slowly“. Es funktioniert nicht nur als Duett der Protagonisten, sondern auch mit Band. Auch wenn das Publikum nicht immer noch eine irische Zugabe wie bei der Erstaufführung erwarten sollte, eine gute Wahl hat es mit „Once“ gewiss getroffen.

„Once“ wieder Do 4./Fr. 5/Sa 6.11., bis 16.1. 22, jew. 19.30, Kammerspiele (U Hallerstraße), Hartungstr. 9-11, Karten zu 25,- (erm.) bis 54,-: T. 413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de