Hamburg. Alsmann und Band eröffnen die Konzertreihe mit Easy-Listening- und Schlagerhits. Akademische Präzision trifft auf exotische Rhythmen.
Mal was Neues auf Steinwerder: Im Vorjahr saß das Publikum bei den Konzerten auf dem Parkplatz des Kreuzfahrt-Terminals zuerst in Autos, später im Hochsommer dann in Sitzreihen. Dieses Jahr geht es mit Ostsee-Gefühl los: „Strandkorb Open Air“ heißt die Reihe, mit der Veranstalter Michael Hilgers aus Mönchengladbach quer durch die Republik tourt. Im Norden werden Hamburg und der Flugplatz Hartenholm angesteuert.
Und so stehen jetzt bis Ende Juli 575 Bastbüdchen für zwei Personen zwischen Hafenkränen, Containerstapeln und Frachtschiffen. 1150 Menschen hätten Platz. Im Juni wären das noch zu viele gewesen, daher wurden einige Konzerte verschoben – und Jazz-Schlager-Entertainer Götz Alsmann hat am Donnerstag die Ehre des Auftakt-Konzerts.
"Strandkorb Open Air" startet mit Ostsee-Gefühl
500 Fans haben den langen Weg nach Steinwerder, happige zehn Euro Parkgebühr und die drei Prüfstufen der Pandemiekonzerte auf sich genommen: Maskenpflicht bis zum Sitzplatz, Schnelltest- Impf- oder Genesenen-Nachweis und Einchecken mit der Luca-App. Das freundliche Personal prüft sehr genau, eine Dame ohne Schnelltest-Nachweis wird abgewiesen.
Tatsächlich gehen die Corona-Regeln auf dem Gelände über das geforderte Maximum hinaus. Es gibt keine Getränkestände, aber man kann vorbestellen und sich seine Drinks aus einer seitlich am Strandkorb angebrachten Kühlbox fischen. Oder mit dem Smartphone Bestellungen aufgeben, von Flaschenbier über Gin-Tonic aus der Dose bis zur „Kuscheldecke, grau“ (14,90 Euro) oder „Glasfaserlampe Festivalfeeling“ (3,90 Euro inklusive Batterie) zum Aufhübschen des Strandkorbs.
Götz Alsmann und Band spielen in sieben Meter Höhe
Hübsch gemacht haben sich auch Götz Alsmann und seine Band mit Dominik Hahn (Schlagzeug), Ingo Senst (Bass), Markus Passlick („Percussion und Zubehör“) und Altfrid Maria Sicking (Vibraphon, Xylophon). Die Anzüge sitzen wie Alsmanns berühmte Heckflossen-Frisur. „Herzlich willkommen von allerhöchster Ebene“, begrüßt der Münsteraner das Publikum. In sieben Meter Höhe thront die Band über den Strandkörben und genießt den besten Ausblick auf das Hafenpanorama.
„Ich komme mir vor wie die Beatles beim Konzert auf dem Dach ihres Bürogebäudes.“ Die Sichtlinien der Strandkorb-Reihen erfordern die wirklich beachtlich hohe Bühne und zwei seitlich angebrachte Video-Leinwände. In den ersten drei Reihen sieht man die Musiker allerdings aus der „Tagesschau“-Perspektive: Eine Band ohne Unterleib.
Aber es ist eine Band mit Rückgrat, denn das Programm zu Alsmanns aktuellem Album „L.I.E.B.E.“ (2020) besteht nahezu komplett aus Easy-Listening- und Schlagerrelikten der 40er-, 50er- und 60er-Jahre, die mit Jazz-Pop, Bossa Nova, Lounge und Rockabilly neuen kuscheligen Schimmer verliehen bekommen. Glasfaserlampe Festivalfeeling und Kuscheldecke, grau für Melodien von Bert Kaempfert (unser Weltstar aus Barmbek), Ilse Werner, Liselotte Malkowsky, Gitte und Udo Jürgens. Mutig. Los geht es mit Caterina Valentes „Musik liegt in der Luft“, France Galls „So einen jungen Mann“ und Bert Kaempferts „L.I.E.B.E.“.
Neun Monate standen sie nicht auf einer Bühne
Altfrid Maria Sicking wirbelt mit vier Schlägeln über sein Vibraphon, Ingo Sensts geht lange Wege mit seinen Fingern am Kontrabass, Dominik Hahn rührt mit den Besen Grooverahm an und Markus Passlick klopft seine flittergoldenen Congas ab. Dafür, dass dieses Ensemble neun Monate nicht mehr auf einer Bühne war, präsentiert es sich zusammen mit Alsmann am Klavier hervorragend eingespielt.
Deutsche akademische Präzision trifft auf exotische Rhythmen. Als diese Musik populär war, erfand Fernsehkoch Clemens Wilmenrod den Toast Hawaii. Dazu einen Pina Colada aus der Dose im Strandkorb auf dem Parkplatz. Beste deutsche Unterhaltungskunst. Kicher.
Götz Alsmann schwärmt von einer anderen Zeit
Götz Alsmann schwärmt von den Künstlergarderoben in der Zeit, als in Hamburg Lieder wie „Unter den tausend Laternen“ oder „Bis ans Ende der Welt“ geschrieben wurden: riesige Räume voller Spiegel, Ottomanen und Plüschteppiche. Dauernd huschten Dienstmädchen mit Schürzchen und Häubchen herein, um Blumen und parfümierte rosa Visitenkarten zu überreichen.
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Um in diese Welt zu gelangen, ist Alsmann Musiker geworden: „Und gelandet bin ich beim Strandkorb Open Air“. Der Backstage-Bereich besteht aus drei Plastik-Zelten, die eher den Charme der Harley Days verströmen. Aber die halten immerhin den Regen ab, der pünktlich zum Lied „Der Sommerwind“ einsetzt. Mit etwas Gelenkigkeit findet auch das Publikum im Strandkorb eine Position, die so trocken wie bequem ist.
Nach drei Zugaben beginnt das „Goodbye-Bingo“
Ob mit oder ohne Glasfaserlampe, Festivalfeeling kommt nicht auf. Man ist doch etwas abgeschieden von der Umgebung. Aber wenn man sich etwas nach vorne beugt, sieht man links und rechts Füße aus den Strandkörben ragen, die munter zu „Was ich dir sagen will“ und „Die kleine Stadt will schlafen gehen“ im Takt wippen. Die große Stadt will jedenfalls nicht schlafen gehen und fordert mit viel Applaus Zugaben.
Alsmann präsentiert solo mit Ukulele „Bis ans Ende der Welt“ und „Gib mir einen Kuss durchs Telefon“. Mit Band gibt es dann nach 90 Minuten noch „Liebe ist doch kein Ringelreih’n“, dann beginnt das so genannte „Goodbye-Bingo“: Auf der Leinwand erscheinen nach und nach die Strandkorb-Nummern, die zum Ausgang hin verlassen werden dürfen. Einer wird gewinnen.
Termine und Tickets Nach der Rammstein-Coverband Feuerengel am 2. Juli spielt Gregor Meyle am 3. Juli (ausverkauft), gefolgt von Lina (4.7.), Gentleman (5./6.7.), God Save The Queen (7.7.), Culcha Candela (8.7.), Hamburg Olé (9./24.7.), Mono Inc. (10.7.), Wirtz (11.7.), Heinz Rudolf Kunze (12.7.), Sasha (13./19.7.), Helge Schneider (14.7., ausverk.), Fiddler’s Green (16.7.), In Extremo (17.7.), Die Pochers (18.7.), Pietro Lombardi (20.7.), VNV Nation (21.7.), Comedy Splash (22.7.), Dritte Wahl (23.7.) und Beyond The Black & Kissin’ Dynamite (25.7.). Das Programm, Informationen und Tickets gibt es unter www.strandkorb-openair.de