Hamburg. Am Sonntag läuft der neue Hamburg-“Tatort“: Möhring im Interview über seine (Neben-)Rolle, Corona und den Sinn von TV-Krimis.

Diesmal ist einiges anders beim Hamburger „Tatort“-Ermittlerduo Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz). Gleich zu Beginn wird sie zur Polizeihauptkommissarin befördert und soll die Leitung bei der Ermittlung gegen eine russische Waffenhändlerfamilie übernehmen. Das Abendblatt sprach mit Wotan Wilke Möhring.

Hamburger Abendblatt: Was machen Sie gerade?

Wotan Wilke Möhring: Ich sortiere aus, was wichtig und unwichtig ist. Man bekommt ja in diesen Zeiten neue und zum Teil erschreckende Blicke auf unsere Gesellschaft und die Menschheit als solche.

Konnten Sie im vergangenen Jahr arbeiten, oder ist viel verschoben worden?

Möhring: Es wurde natürlich vieles verschoben, aber dann haben wir doch wie unter einer Lupe weiterarbeiten dürfen. Gerade wenn man, wie ich, in einem nicht systemrelevanten Beruf arbeitet – auch eine erschreckende Erkenntnis, war das ein beruhigendes Gefühl von Alltag.

Wie viele Fälle haben Sie jetzt schon zusammen mit Franziska Weisz gelöst?

Möhring: Ich zähle da nicht mit und bin mit den Gedanken immer schon beim nächsten „Tatort“, für den die Dreharbeiten in Hamburg in wenigen Tagen beginnen. Regisseurin wird erneut Mia Spengler sein.

Ihr aktueller „Tatort“, der am Sonntag ausgestrahlt wird, hat einen interessanten Per­spektivwechsel. Nicht Falke, sondern Grosz steht im Mittelpunkt. Fällt es Ihnen schwer, sich da etwas zurückzunehmen?

Möhring: Überhaupt gar nicht. Ich bin ganz froh, dass nicht immer alles auf meinen Schultern lastet. Das finde ich sowohl als Falke, als auch als Schauspieler. Ich denke, auch die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen, dass Falke sich für seine Kollegin freut. Er hält sie ja als Partnerin für sehr fähig. Außerdem zeigt diese Verschiebung der Einsatzleitung auch, was es ausmacht, wenn man in der Führungsebene aufsteigt und alles besonders richtig machen will. Es ist ein wichtiger Gradmesser für den eigenen Standort.

Lesen Sie die TV-Kritik:

Regisseur Niki Stein hat gesagt, dieser Fall sei eine Tschechow-Geschichte. Ein kurioser Vergleich für einen Krimi, oder?

Möhring: Wir wollten schon einen „Tatort“ drehen. Wenn jemand lieber einen Film über Tschechow drehen will, soll er das machen, Ich finde es wichtig, dass man sich mit den Möglichkeiten dieses „Tatort“-Formats auseinandersetzt und es mit seinen eigenen Mitteln bedient.

Der Regisseur hat sich bei einem Besuch der Hamburger Zentrale der Bundespolizei ein Bild von der Arbeit der Beamten gemacht. Ist das ungewöhnlich oder eher die Regel?

Möhring: Die Polizei macht so etwas gern, denn sie hat ja auch Interesse daran, dass die Ermittlungen möglichst so dargestellt werden, wie sie tatsächlich sind. Es ist für Regie und Schauspieler unabdingbar, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Vielleicht machen wir das sogar zu selten.

Sie haben diesen Film mit einem erfahrenen Regisseur gedreht. Stein hat auch Ballauf und Schenk mit erfunden. Arbeiten Sie lieber mit Routiniers oder mit jungen Wilden?

Möhring: Generell wollen wir die jungen Wilden featuren, insbesondere auch Frauen eine Möglichkeit bieten, dem „Tatort“ eine eigene Handschrift zu verpassen.

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Matthias Brandt ist aus dem „Polizeiruf 110“ ausgestiegen. Er findet, es gibt zu viele Krimis im TV. Wie empfinden Sie das?

Möhring: Warum funktionieren Krimis bei uns und in Skandinavien so gut? Vielleicht, weil man als Unbeteiligter das Düstere von uns Menschen vorgeführt bekommt und oft die schaurige Möglichkeit hat, in deren Abgründe zu blicken. So kann ein Krimi eine Wirkung erzeugen, die über das bloße Mitraten hinausgeht. Und wir versuchen oft Gesellschaftsschichten und Hintergründe zu zeigen, die zu solchen Verbrechen führen und zu denen man nicht leicht Zugang erhält. Grundsätzlich ist die Frage spannend: Was führt Menschen zu dem, was sie tun?

Hat sich Ihre Arbeit unter Pandemie-Bedingungen sehr verändert?

Möhring: Eigentlich nicht, außer vielleicht, dass das Schöne, als Filmteam zusammenzurücken, momentan nicht passieren kann. Was ich mir außerdem mal wünschen würde: Vor einem Jahr haben wir noch gedacht, diese verrückte Pandemie geht ganz schnell vorbei. Jetzt könnte man durchaus das epidemische Verhalten der Menschen im Film auch mal darstellen, nach dem Motto: Warum laufen die Kommissare alle ohne Masken herum? In den USA wird das schon umgesetzt. Die Zuschauer weltweit wüssten doch, was mit dem virusaffinen Verhalten der Protagonisten gemeint wäre. Das kann man durchaus zeigen. Wir tun im Film ein bisschen so, als gäbe es das nicht.

Lässt Ihnen Ihr Beruf Zeit für Hobbys?

Möhring: Hobbys? Ich habe drei Kinder… (lacht!)