Hamburg. Der neue Film vom chinesischen Regisseur Zhang Yimou macht seit seinem kurzfristigen Absprung von der Berlinale im Jahr 2019 neugierig.

Dass „One Second“ von Zhang Yimou 2019 in letzter Minute aus dem Wettbewerb der Berlinale genommen wurde, fachte die Neugier auf den Film erst an. Schließlich fiel der vielfach preisgekrönte chinesische Regisseur („Rotes Kornfeld“, „House Of Flying Daggers“) in den Jahren zuvor eher durch epische Produktionen auf, die ganz auf offizieller Parteilinie lagen. Die „technischen Probleme“, die das Zurückziehen begründen sollten, wurden einhellig mit „ideologischen Bedenken“ übersetzt, zumal über den Film wenig mehr bekannt war, als dass er zur Zeit der Kulturrevolution spielte, einer Epoche, deren Einschätzung in China als heikel gilt.

Als der Film auf den Herbstfestivals 2021 doch noch Premiere feierte, blieb es aber merkwürdig still: In seiner jetzigen Gestalt kommt „One Second“ ganz als „Liebesbrief ans Kino“ daher. Politisch Kontroverses ist erst einmal kaum zu entdecken. Statt um die Kulturrevolution geht es nämlich vor allem ums Kino selbst. Nicht nur, dass die Anfang der 70er-Jahre spielende Geschichte sich um ein paar Filmrollen dreht, um die sich ein entlaufener Sträfling, ein verwaistes Mädchen und ein herumfahrender Filmvorführer streiten.

Filmkritik: „Eine Sekunde“ mit politischen Untertönen

Auch sein Setting verweist vielfach auf Filmgeschichte. Am Anfang und Ende stehen großartige Aufnahmen von Einzelgestalten in einer Wüste mit wogenden Dünen, die jedem Western oder Roadmovie zur Ehre gereichen würden. Auch das Motiv des verlumpten Waisenkinds, das auf einen „Tramp“ stößt, mit dem es sich erst zankt und dann zusammentut, erinnert an berühmte Vorbilder.

Vom italienischen Neorealismus über Charlie Chaplin bis zurück zu den Brüdern Lumière: Die großartigsten Szenen des Films handeln vom Umgang mit Zelluloid als solchem. Ein ganzes Dorf beteiligt sich daran, eine durch den Wüstenstaub gezogene Filmrolle zu entwirren, zu reinigen und sorgfältig zu trocknen.

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Auf genau dieser Filmrolle befindet sich die „eine Sekunde“, auf die der Titel Bezug nimmt. Es handelt sich um eine Wochenschauaufnahme, in der kurz die Tochter des Sträflings zu sehen ist. Welchen Widrigkeiten er die Stirn bieten muss, um sie vorgeführt zu bekommen, wen er alles betrügen und bezwingen muss für das flüchtige Glück jener Sekunde: Das indes ist auf seine Art ein politischer Kommentar.
 

„Eine Sekunde“ 103 Minuten, ab 12 Jahren, läuft im Abaton