Hamburg. Die Hamburger Schauspielerin hat erstmals mit ihrer Mutter Angelika Thomas gedreht. Mit Mann Jochen Kilian hat sie eigene Bandprojekte.

Die Mutter ist schon da. Doch ist es wirklich die Mutter einer erwachsenen Frau, die hier vor den Kammerspielen steht? Angelika Thomas wirkt – mit Verlaub – weder wie eine Mutter noch wie eine Großmutter. Und mit der traditionsreichen Hamburger Privatbühne im Grindelviertel bringen hanseatische Theatergänger die 75-Jährige nicht unbedingt in Verbindung. An den Kammerspielen hat Angelika Thomas, mehr als zwei Jahrzehnte lang Ensemble-Mitglied am Thalia Theater, bisher auch nie gespielt. Wohl aber ihre Tochter Anna Schäfer.

Die war in den vergangenen Tagen gleich an mehreren U-Bahnhöfen auf Großplakaten unübersehbar: Im Goethe-Klassiker „Stella“ wollte sie von Mittwoch (5.5.) an die Titelrolle spielen. Nachdem die Premiere bereits Anfang Februar einmal verschoben worden war, soll diese nun zum „nächstmöglichen Zeitpunkt“ über die Bühne gehen, wie es vonseiten des Theaters heißt.

In „Soko Hamburg“ spielen beide auch Tochter und Mutter

Anna Schäfer ist dennoch zu den Kammerspielen gekommen – nicht mit der U-Bahn, sondern leicht verspätet mit dem Auto und Ehemann Jochen Kilian. Beim spontan inszenierten Freiluft-Familiengespräch – coronakonform mit Abstand auf dem bestuhlten sonnigen Trottoir vor dem Theater – schließt sich gewissermaßen doppelt ein Kreis: An den Kammerspielen hatte Anna Schäfer 1997 in „Happy End“ von Brecht und Weill ihr Bühnendebüt gegeben.

Dieser Tage ist pandemiebedingt weder an Spielen noch ans Proben zu denken. Gibt ja genug fertige Stücke. Dennoch dreht sich hier so manches um Rollen. Erst vorigen Freitag war Anna Schäfer als charmant-dubiose Bergsport-Unternehmern in der Episodenhauptrolle „Freier Fall“ der Krimiserie „Der Alte“ zu sehen, und kurz zuvor hatte es ein familiäres Debüt gegeben: In einer „Soko Hamburg“-Folge, ebenfalls fürs ZDF, stand Anna Schäfer zum ersten Mal mit ihrer Mutter Angelika Thomas vor der Kamera. „Schweig oder stirb“, heißt die kürzlich in der Hansestadt abgedrehte Episode – in der die beiden wie im wahren Leben Tochter und Mutter sind.

Die Ausstrahlung folgt im Herbst. „Wir sind beide verdächtig“, raunt Angelika Thomas mit einem vielsagenden Lächeln. Mehr dürfen die Schauspielerinnen qua Kontrakt nicht verraten. „Dass wir Mutter und Tochter spielen können, haben wir uns schon immer mal gewünscht“, erläutert Anna Schäfer (47). „Wir haben dieselben Schwingungen, das überträgt sich“, sagt die beinah jugendlich wirkende Tochter. „Auf der Bühne haben wir das schon vor Jahren gemerkt, bei Liederabenden etwa“, ergänzt die Mutter. Beider Stimmen klingen beim Gespräch zum Verwechseln ähnlich.

Pianist Kilian auf dem „Schiff“ mit Frau und Schwiegermutter

Jochen Kilian (53), einst Absolvent mit Auszeichnung der Folkwang-Hochschule Essen, weiß das nur zu gut. Anna Schäfers Ehemann ist Komponist, Arrangeur und Pianist und in Hamburg als musikalischer Leiter auf dem Theaterschiff bekannt. Bis 2016 war er geschäftsführenden Gesellschafter der Produktionsfirma Theaterplatz GmbH. Und bei einem Ralph-Benatzky-Abend auf dem „Schiff“ hat er Ehefrau und Schwiegermutter ebenso gern begleitet wie beim Liederabend „Seemannsbraut ist die See“, der auch auf CD erschienen ist.

Im Programm „Der Mann in mir“ zeigte Anna Schäfer fünf Jahre lang ihre komisch-musikalische Bandbreite, sang und spielte auf dem Theaterschiff den Dauerbrenner „Wenn ich die See seh, brauch ich kein Meer mehr“ und war Teil des Trios DramaQueens. Das ist passé.

Anna Schäfer - Partnerin von Martina Hill bei „Knallerfrauen“

Stattdessen startete sie in den frühen Zehner-Jahren als Partnerin des TV-Stars Martina Hill in der Comedy-Reihe „Knallerfrauen“ im Fernsehen durch. „Ich bin dem Format durchaus treu geblieben“, sagt Anna Schäfer. Nach Einstellung der drei Staffeln ist der Kontakt zur Berlinerin Hill nie abgerissen. So taucht Anna Schäfer in der „Martina Hill Show“ (ebenfalls Sat.1) immer mal wieder als deren Sketch-Partnerin auf. Dass sich die Hamburgerin neben den TV-Rollen wieder aufs Bühnenfach mit klassischen und dramatischen Rollen verlegt hat, sorgt bei ihr keineswegs für Trübsal.

Bevor die Theater pandemiebedingt schließen mussten, stand Anna Schäfer als Hauptdarstellerin im Tournee-Theaterstück „Aus dem Nichts“ (nach dem Film von Fatih Akin) auf der Bühne. Und wie sie zurück an die Kammerspiele kommen sollte, daran erinnert sich die gebürtige Kölnerin noch genau: Sie war just auf dem Weg zu den Dreharbeiten für „Der Alte“ nach München, als einen Anruf von Kammerspiele-Chefdramaturgin Anja Del Caro erhielt, ob sie sich vorstellen könne, in der Fassung von Regisseurin Amina Gusner in „Stella“ die Titelrolle zu spielen. Schäfer konnte – auch wenn sie es nun vorerst nicht darf.

Angelika Thomas - die Mutter im legendären „The Black Rider“

Sie und Ehemann Jochen Kilian, Eltern zweier Kinder, seien als selbstständige Künstler bisher recht gut durch die Krise gekommen, die beantragten Unterstützungsgelder von der Stadt und vom Bund flossen schnell, erzählen sie.

Angelika Thomas vernimmt es mit einer spürbaren Erleichterung. Bis 2010 spielte sie insgesamt 23 Jahre lang fest am Thalia Theater, hatte schon 1984 am Deutschen Schauspielhaus in Jacques Offenbachs „Die Großherzogin von Gerolstein“ erste Triumphe gefeiert, später dann am Thalia in Robert Wilsons legendärer „The Black Rider“-Inszenierung - als Mutter. Und wenn er geöffnet hat, ist sie noch immer im „Thalia Vista Social Club“ als strenge Pflegerin Angelika im Heim der singenden Alt-Mimen überaus präsent.

Lesen Sie auch:

Ihre Tochter könne ja irgendwann ihre Rolle übernehmen, scherzt Angelika Thomas. „Ich spiele noch immer gern neue Rollen. Ansonsten genieße ich das Privatleben und freue mich, dass ich drei Kinder großgezogen habe“, sagt die Schauspielerin. Neben Anna gibt es aus der Ehe mit dem Schauspieler und Regisseur Roland Schäfer deren Bruder Johannes - der Schauspieler und Rapper lebt wie sein Vater in Berlin. Dazu kommt in Hamburg Annas Halbschwester Antonia Haase, Unternehmerin und Sängerin.

Anna & der SwingKlub haben seit einem Jahr Zwangspause

Sie sei übrigens auch schon im Gespräch mit den Kammerspielen gewesen, fügt Angelika Thomas hinzu. Wer weiß, was da noch kommt? Womöglich ja ein Mutter-Tochter-Stück mit Kilian als musikalischen Begleiter und Arrangeur? Zunächst mal denken Schäfer und er an ihr Projekt Anna & SwingKlub: Die neunköpfige Band mit Mitgliedern aus Hamburg und Berlin, erst 2017 gegründet, hat seit gut einem Jahr Zwangspause.

„JETZT! Morgen war Gestern“, ihr musikalisches Kabaretttheater-Programm mit dem Saxofonisten Kim Jovy, konnten Anna Schäfer und Jochen Kilian genau einmal spielen - bei der Premiere am 29. Februar 2020. Dann kam der erste Lockdown. Falls es Ende Juni auf Tournee zur Wiederaufnahme kommt, müsse man wohl einiges neu schreiben, meint Kilian. Seine nächste Premiere mit „QUEENs Last Night“ ist für Anfang September am Theater Krefeld/Mönchengladbach geplant. Dort hatten sich Anna Schäfer und er kennengelernt.

Was die Künstlerfamilie Schäfer/Kilian/Thomas jetzt hörbar eint, ist die „Sehnsucht nach einer Theaterfamilie“, die Lust auf Neustart mit Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne. Nicht nur, aber auch an den Kammerspielen.

3 Fragen an Schauspielerin und Familien-Oberhaupt Angelika Thomas:

1. Was ist typisch für die Familie Schäfer/Thomas?

Thomas: „Dass wir alle freundschaftlich miteinander verbunden sind – trotz oder vielleicht gerade wegen Patchwork.“

2. Welchen anderen Beruf hätten Sie ergreifen können?

„Tierpflegerin oder Meeres­forscherin!“

3. Zu welchem Beruf haben Sie Ihren Kindern geraten?

„Zu keinem, sie durften selber wählen. Ich habe aber auch keine Einwände gehabt, wenn der Drang zum Theater da war, schließlich liebe ich meinen Beruf.“

„Der Alte“, aktuelle Folge „Freier Fall“: abrufbar in ZDF-Mediathek; „Bonusfamilie“ (jew. mit Anna Schäfer) abrufbar in ARD-Mediathek