Hamburg. Jeder ist drei Meter hoch und 600 Kilo schwer – es sind mächtige Skulpturen, für die in der City sogar der Verkehr umgeleitet wird.
Sie sind der Hingucker und das meist fotografierte Motiv bei jeder NordArt-Ausstellung, der größten Open-Air-Messe Europas: die riesigen Affenmenschen des chinesischen Künstlers Liu Ruowang.
Nun kommen die Skulpturen am 3. Juli nach Hamburg: Eine Gruppe von zwölf Affenmenschen wird freistehend mitten auf der Mönckebergstraße aufgestellt. Dafür soll ein Teil der Einkaufsstraße auf Höhe von Peek & Cloppenburg für den Verkehr gesperrt werden; Busse und Lieferverkehr werden für die Laufzeit von zwei Wochen umgeleitet. Kunst auf der Mö – eine Premiere, nicht nur für Liu.
Affenmenschen auf der Mönckebergstraße – eine spektakuläre Kunstaktion
„Nach der langen Durststrecke durch Corona und dem Ende der Hochbahn-Bauarbeiten haben mein stellvertretender Vorsitzender Dietmar Hamm und ich uns für die Mönckebergstraße eine spektakuläre Aktion mit großer Strahlkraft nach außen gewünscht“, sagt Brigitte Engler, Geschäftsführerin des City Management Hamburg.
Beide sind große Fans der NordArt, kennen und schätzen Liu seit Langem. Im März dieses Jahres wurde die Idee geboren, „etwas Großes von der Messe nach Hamburg zu holen. Die Gelegenheit ist jetzt günstig, da die Straße wieder per U3 zu erreichen ist, durch die Fahrstühle sogar barrierefrei“, so Engler.
Damals sei ein Keim gesät worden, der ganz viel Energie und Begeisterung freigesetzt habe. Im Vorwege musste die Managerin mit der Behörde für Verkehr und Mobilität, mit Polizei, Feuerwehr und der Hochbahn sprechen. Vor allem die Statikprüfung sei heikel gewesen; immerhin wiegt eine Skulptur rund 600 Kilogramm.
Jeder Affenmensch wiegt 600 Kilogramm
Warum diese riesengroßen, drei Meter hohen Skulpturen? „Die Größe spielt für diese Skulpturen-Gruppe eine wichtige Rolle. Aber auch die Menge“, antwortet der Künstler im Interview, das per E-Mail und mit Übersetzerin geführt wurde. „Ich möchte eine Situation, eine Welt herstellen, die mit Affen beziehungsweise mit unserem Ursprung verbunden ist: die Natur, das Leben im Dschungel, das Ökosystem, auch die menschlichen Geschichten und die Entwicklung der Zivilisation. Ich brauche eine Gruppe von Skulpturen und solche überdimensionalen Figuren, um das große Ganze darzustellen. Durch diese exorbitanten Affenmenschen mit ihren unterschiedlichen Gesichtsausdrücken wird auch das Signal stärker.“
Mit einem Schwerlasttransport, für den eine Ausnahmegenehmigung beantragt wurde, sollen die Affen am 3. Juli von Büdelsdorf bei Rendsburg, wo sie derzeit in einem Depot lagern, über die Autobahn in die Hamburger Innenstadt gebracht werden. Jede Skulptur wurde für den Transport auf Hüfthöhe extra stabilisiert, um liegend bewegt werden zu können. In Seilen hängend werden sie an ihren vorgesehenen Platz gebracht. „Das wird ein Riesenspektakel“, ist sich Brigitte Engler sicher.
Affen werden auf der Mönckebergstraße Rücken an Rücken platziert
Jeweils zwei Affen werden Rücken an Rücken platziert, die am Kopf und am Ende stehenden Skulpturen stehen etwas diagonal versetzt. Alle haben den Blick nach außen gerichtet. Das Publikum wird zwischen den Tieren hindurchlaufen können. Für die Initiatorin symbolisiert die so stehende Gruppe den „Schulterschluss der Gesellschaft, der nötig ist für Zusammenhalt und Stärke“. „Es ist tatsächlich das erste Mal, dass die Figurengruppe in Form eines Quadrats gezeigt wird. Diese Darstellung hat etwas Neues in meiner künstlerischen Arbeit hinzufügt, dafür bin ich sehr glücklich und dankbar“, so Liu.
Aufgrund von Chinas strikten Corona-Einreise- und Quarantänebestimmungen wird der Künstler nicht anwesend sein können, wenn die Affen auf die Mönckebergstraße ziehen. Auch sein diesjähriger Besuch auf der NordArt, wo Liu seine aktuelle, sechs Meter hohe Skulptur „Mr. Pinocchio“ ausstellt, wurde kurzfristig abgesagt.
Affenmenschen – das ist die Intention des Künstlers
Wer zwischen den aus Bronze gegossenen, mehr als drei Meter großen Affenmenschen-Skulpturen wandelt, fühlt sich zwangsläufig klein, ja nahezu unbedeutend im Angesicht der in den Himmel blickenden Tiere.
Und das ist genau die Intention des Künstlers: Liu, wie er kurz genannt wird, verweist damit auf unsere fortschrittliche materielle Kultur, die aber einhergeht mit der zunehmenden Zerstörung der Natur. „Die verblüfften Augen und das unschuldige Gesicht der Affenmenschen offenbaren den Wunsch, all das zu korrigieren und in Richtung einer strahlenden Zukunft zu gehen. Mit der Skulpturen-Serie ,Angekommen’ drücke ich meinen Ärger aus über den abtrünnigen Teil im Ozean der Zivilisation, in dem wir leben, und rufe dazu auf, zum Ursprung zurückzukehren.“
Der für seine monumentalen Skulpturen nicht nur in China berühmte Künstler wurde 1977 in der Shaanxi Provinz geboren. Heute lebt und arbeitet er in Peking und betreibt allein drei große Museen in China, darunter ein ganzes Museumsdorf in seiner Heimatstadt. Wegen seines unternehmerischen Denkens und seiner durchsetzungsstarken Art wird er oft mit dem kommerziell sehr erfolgreichen US-Künstler Jeff Koons verglichen.
Eine Affenmensch-Skulptur kostet 100.000 Euro
Seine Affen, die pro Stück 100.000 Euro kosten, wurden bereits auf der Biennale in Venedig, in Frankreich, Neuseeland und Südkorea gezeigt. 2012 wurde Liu vom NordArt-Gründer Wolfgang Gramm und Juan Zaft, die damals am Goethe-Institut in Peking arbeitete und heute für die Chinese Affairs der NordArt zuständig ist, für den deutschen Markt entdeckt. Seit 2016 ist Liu Ruowang regelmäßiger Gast in der Carlshütte, war wegen seiner aufsehenerregendenden Arbeiten wie etwa „Wölfe kommen“, bestehend aus 110 Figuren, bereits zwei Mal Träger des Publikumspreises sowie Fokus-Künstler.