Der Schauspieler Jonas Dassler spielt in „Mein Sohn“ mit der Fernseh-Comedienne – die hier in einer ernsten Rolle überzeugt. Ein Gespräch.
Mit drei Berlinalen hintereinander hat Jonas Dassler sich ins öffentliche Bewusstsein eingebrannt. 2018 war er hier in „Das schweigende Klassenzimmer“ zu sehen. 2019 spielte er, kaum zu erkennen, in Fatih Akins „Der goldene Handschuh“, den Frauenmörder Fritz Honka. Und 2020 wurde er auf dem Festival als European Shooting Star ausgezeichnet. Dabei versteht sich der 25-Jährige vor allem als Theaterschauspieler, der gleich nach seiner Ausbildung an der Ernst-Busch-Schule ins Ensemble des Berliner Gorki Theaters ging.
Nun ist Dassler in einem neuen Kinofilm zu sehen: Im Roadmovie „Mein Sohn“, der gerade angelaufen ist, spielt er einen sorglosen jungen Mann, der einen Unfall baut und den seine Mutter, gespielt von Anke Engelke, gegen seinen Willen in eine Reha-Klinik in die Schweiz fährt. Dabei begegnen sich Mutter und Sohn, die sich entfremdet haben, erstmals auf engstem Raum wieder. Über den Film und andere Aufbrüche haben wir mit Jonas Dassler im Hotel de Rome gesprochen.
„Mein Sohn“ ist ein Mutter-Sohn-Drama. Sie haben die meisten Szenen gemeinsam, und die Chemie zwischen Ihnen beiden ist ganz wunderbar. Wie war es, mit Anke Engelke zu arbeiten?
Es war ein Geschenk, jemanden zu haben, der mit dem Herz spielt. Und einfach da ist. Daher war der Dreh sehr leicht und unbeschwert. Wenn man so eine intime Konstellation wie Mutter/Sohn spielt, haben diese Figuren ja eine Vorgeschichte von gemeinsam gelebter Zeit. Wenn man das im Film spielt, ist immer die Frage, wie man so eine Nähe erreicht. Und mit Anke ist das einfach passiert. Weil sie aufmacht in der Begegnung, konnten wir ohne Angst miteinander spielen. Ist ja nicht gesagt, dass das immer funktioniert.
Wer wurde da zuerst gecastet, wer musste da zu wem passen?
Anke war gesetzt. Für Lena (gemeint ist die Regisseurin Lena Stahl, die Red.) war klar, sie muss die Mutter sein. Dann trat Lena an mich heran, weil sie meinte, das sei eine gute Konstellation. Ich fand das auch. Aber da war auch eine gewisse Aufregung.
Warum?
Ich bin mit Anke sozusagen groß geworden und kannte sie aus meiner Kindheit. Umso nervöser war ich, ihr zu begegnen. Und dann auch noch ihren Filmsohn zu spielen.
Anke Engelke wird ja immer noch vor allem als Comedienne wahrgenommen, dabei kann sie so viel mehr, auch ernsthafte Rollen.
Ich halte sie für eine herausragende Performerin. Ich glaube, das ist viel zutreffender. Weil sie sich auf so vielen Gebieten bewegt. Und jedes mit einer Genauigkeit, Ernsthaftigkeit betreibt, die mich mehr als beeindruckt. Ich war, wie gesagt, sehr aufgeregt, mit einer solchen Größe und Wucht zu spielen.
Bevor wir uns kennenlernen durften, war mein Bild, das ich von ihr hatte, geprägt durch meine Kindheitsfernsehtage. Aber das ist ja meine Projektion auf sie, davon muss man sich lösen. Und Anke macht es einem sehr einfach. Denn hinter dieser Projektionsfläche steht ein wundervoller Mensch, der viel größer als diese öffentliche Person ist. Und wenn man zusammenspielt, ist das auch ehrlich gesagt total egal.
Wenn man so ein Roadmovie dreht, ist das dann auch eine Reise zueinander? Lernt man sich besser kennen, wenn man ständig zusammen im engen Auto sitzt?
Na klar. Das ist was anderes als Szenen, sagen wir, in einem Haus. In so einem Auto atmest du mehr von der gemeinsamen Luft. Das gilt für das ganze Team. Die sind ja alle mitgereist. Das ist eine Form der Arbeit, die toll ist: dass sich all diese Menschen zusammen auf eine Reise begeben. Es ist ein großes Geschenk, auf solch eine Reise mit zu dürfen.
„Mein Sohn“ ist ein Film über Eltern und Kinder und wie man sich abnabelt. Da liegt die Frage nahe: Wie leicht oder schwer war das bei Ihnen persönlich?
Wie bei vielen, nehme ich an. Es ist ja die engste Beziehung, die wir haben. Zwangsläufig. Egal, in welcher Distanz oder Nähe. Und das Abnabeln, Loslösen, Emanzipieren, das ist ein Prozess, der auch nie aufhört. Die Frage ist halt, wie das gelingt, muss man sich gewaltsam verstoßen oder kriegt man das liebevoll kommuniziert?
Wie Sie bemerken, weiche ich der Frage gerade aus. Es fühlt sich komisch an, darüber zu sprechen. Gerade deshalb hatte ich wohl Lust, diesen Film zu machen (lacht). Um mich damit auseinanderzusetzen – aber eben nicht über mich, sondern über eine Figur. Denn vielleicht wird man mal Mutter oder Vater, aber wir alle sind immer Kinder. Deshalb gehört dieser Film auch uns allen.
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Gibt es im Film oder beim Theater ähnliche „Mentoren“, die Sie unterstützt oder begleitet haben? Eine Art Ersatz-Eltern?
Da muss man erst mal für sich selbst klären, was Familie bedeutet. Familie ist ja auch eine weitere, durch vor allem patriarchale Narrative aufgeladene Struktur, die aber für jeden letztlich völlig anders ist. Für mich geht es um Geborgenheit, Zärtlichkeit und ein gemeinsames Kümmern und Interesse an- und füreinander. Das durfte ich auch bei meiner biologischen Familie erfahren, was ja nicht selbstverständlich ist. Von daher gab es nichts zu ersetzen. Aber klar hab ich damals in der Theater-AG in der Schule auch Geborgenheit gespürt und eine Gemeinschaft, die sich umeinander kümmert. Aber das war kein Ersatz, eher eine Zusatz-Familie.
War das Gorki-Theater auch so eine Familie? Sie waren dort vier Jahre lang im Ensemble, seit kurzem sind Sie aber nur noch Gast. Muss man sich da irgendwann auch abnabeln und weiterziehen?
Ich bin immer noch Teil des Hauses, auch als Gast. Das war und ist immer noch eine ganz wichtige Station für mich. Nach der Schauspielschule gab es für mich kein anderes Haus, das den Gegenwartsbegriff in der Auseinandersetzung so ernst genommen hat. Das wirklich begreifen wollte, was gerade um uns herum passiert, in welcher Gesellschaft wir leben und das in Form einer neuen Dramaturgie, einer neuen Bühnensprache auszudrücken.
Ich kam von der Ernst Busch und vom klassischen Theater. Das war für mich ein komplett neuer Ansatz, über ein Thema erst mal acht Wochen zu reden und über persönliche Geschichten ein Stück entstehen zu lassen. Deshalb fühle ich mich dieser Arbeit immer noch stark verbunden. Ich war aber auch an einem Punkt, wo ich Lust hatte, mal woanders zu spielen. Das Gorki war ja mein erstes Engagement nach der Schule, ich bin seit sieben Jahren in Berlin, meine ganze Theaterarbeit war hier. Da war auch eine Sehnsucht und Lust, mich noch mal anders auszuprobieren. Und dann gab es eine Möglichkeit durch Antú Romero Nunes, der eine Compagnie im Theater Basel gegründet hat. Aber trotzdem darf ich auch weiter Teil des Gorki sein.
Sie pendeln dann zwischen den Städten hin und her? Oder gibt es Blöcke, wo Sie ganz hier und dann ganz dort sind?
Ich wohne weiter in Berlin. Und fahre immer mit der Bahn runter. Das sind acht Stunden. Aber diese Verbindung funktioniert ganz gut. Und das ist keine ver-, sondern eine geschenkte Zeit. Ich genieße diesen Transitzustand. Du bist auf Zugfahrten ja nicht so gut erreichbar. Du bist ein bisschen raus. Und „dazwischen“. Zugfahren ist ein bisschen wie Hypnose, man hat so Ruhephasen, dieses Rausschauen bringt dich in einen inneren Zustand, wo du viel verarbeiten kannst. Da kann man viel machen. Auch mal gar nichts. Was wir alle vielleicht viel zu wenig tun.
Geht das denn oder wird man im Zug ständig angesprochen, für Autogramme oder Selfies?
Nö, den Bekanntheitsstatus habe ich noch gar nicht. Mich erkennen gar nicht so viele. Beim „Goldenen Handschuh“ war ich ja maskiert. Ich glaube, dass bringen nicht viele mit der Person im Zug in Verbindung. Und ich hab’ hier übrigens grad auch mein Brillen-Coming-Out. Das habe ich mich bisher noch nicht getraut. Außer privat und eben im Zug.
Heißt: Ich sehe vielleicht auch nicht so aus wie die Person auf der Leinwand. Manchmal passiert es aber schon, dass ich angesprochen werde. Für mich ist das ein bisschen ambivalent. Klar freu ich mich, wenn Leute etwas gut finden und mich deshalb ansprechen. Gleichzeitig ist es befremdlich, weil ich kurz zu einer Projektionsfläche werde, und Menschen vielleicht etwas in mir sehen, was ich gar nicht bin. Aber ich habe mir das selbst ausgesucht, ist halt der Beruf. Ich muss einfach noch lernen, damit umzugehen.
Sie waren im vergangenen Jahr „Shooting Star“ der Berlinale. Hat sich seither etwas getan, bekommen Sie jetzt andere Angebote als vorher?
Schwierig zu sagen. Weil ja sehr kurz nach dieser Berlinale etwas ausgebrochen ist, was das ganze Geschäft zum Pausieren brachte. Das fängt jetzt erst allmählich wieder an. Und ich bin einfach froh, dass ich noch arbeiten kann. Vielleicht ist das schon ein Erfolg des Shooting Stars, dass ich noch immer Schauspieler sein darf, ist vielleicht der größte Gewinn. Ganz vielen Kolleginnen und Kollegen ging das nicht so, die haben ihre Arbeit ganz oder nahezu verloren. „Mein Sohn“ wurde noch 2019, also vor Corona, gedreht und hätte auch schon letztes Jahr ins Kino kommen sollen. Das ist krass lange. Und erst jetzt durfte ich wieder bei einem Kinofilm mitwirken. Zu dem kann ich allerdings noch nichts verraten.
Und wo sehen Sie Ihre Zukunft eher? Im Theater? Oder im Film?
Ich bin da sehr demütig und froh, dass ich beides machen darf. Das ist ein großes Privileg. Und ich bin beim einen wie beim anderen auch noch immer auf der Suche, wie das funktioniert und wo da meine Aufgabe ist. Und da bin ich lange noch nicht fertig.