Hamburg. Das Musikfest widmet sich der Komponistin Sofia Gubaidulina. Das hr-Sinfonieorchester schlug sich wacker – mit großem Aufgebot.

Das hr-Sinfonieorchester Frankfurt war am Mittwochabend in der Elbphilharmonie gleich mit mehr als hundert Musikerinnen und Musikern angetreten, um der Schwerpunktkomponistin des Internationalen Musikfestes Hamburg, Sofia Gubaidulina, mit Aufführungen zweier Werke ihres späteren Schaffens zu huldigen. Die 92-jährige russische Komponistin, die schon vor Jahrzehnten nach Deutschland emigrierte und in der Nähe von Hamburg lebt, war wegen ihres hohen Alters aber nicht persönlich zum ersten Konzert einer vierteiligen Musikfest-Serie auch mit Kammer- und Vokalmusik aus ihrer Feder erschienen.

Werke wie ihr 3. Violinkonzert mit dem Titel „Dialog: Ich und Du“, das die lettische Geigerin Baiba Skride vorgestern spielte, und das im Vergleich zu früheren Stücken dieser Komponistin enorm klanggewaltige Stück „Der Zorn Gottes“ hatte Gubaidulina in ihrem Haus im kleinen Ort Appen bei Pinneberg über Jahre hinweg entwickelt oder, so formulierte sie es einmal selbst, wie eine Pflanze „eher gezüchtet“. Mittlerweile sind diese Stücke genau wie das einst für Gidon Kremer entstandene Violinkonzert „Offertorium“ oder das 2. Violinkonzert „In tempus praesens“ für Anne-Sophie Mutter um alle Welt gegangen.

Musikfest in der Elbphilharmonie: Baiba Skrides Gesang muss sich gegen Pauken und Trommel behaupten

Mit Emphase und großem Ton ließ Baiba Skride Gubaidulinas 3. Violinkonzert beginnen, wo sich ihr instrumentaler Gesang zunächst nur gegen die Pauken und die Große Trommel und dann gegen ein immer massiver auftretendes Orchester trotzig behaupten musste.

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Zunächst antwortete das Orchester, wenn die Geige einmal abbrach, mit einem gewaltigen Echo gerade von der Violine gespielter Passagen, später aber verselbstständigte sich dieser Dialog, mit dem Gubaidulina den Satz „Der Mensch wird am Du zum Ich“ des Religionsphilosophen Martin Buber auf die Musik übertragen wollte, zwischen der Solistin und dem Orchester immer weiter. Skride agierte dann auch immer forscher gegen stark voranschreitende Blechbläser-Blöcke oder wilde Harfenakzente, die der französische Dirigent Maxime Pascal großartig aus dem riesigen Orchesterumfeld hervortreten ließ.

Elbphilharmonie: „Der Zorn Gottes“ in der Interpretation des hr-Sinfonieorchesters

Noch wuchtiger als hier trat das hr-Sinfonieorchester bei dem einst als Teil für ihr Oratorium „Über Liebe und Hass“ gedachten Werk „Der Zorn Gottes“ auf. Jeweils vier Wagner-Tuben, Posaunen, Waldhörner, Trompeten und ein riesiges Aufgebot militärisch klingender Trommeln oder Gongs wirkten mit ihrer Klanggewalt wie Drohgebärden eines über das Versagen der Menschheit erzürnten Gottes.

Dagegen setzte das zuvor passend zum bevorstehenden Himmelfahrtstag gespielte „L’ascension. Quatre méditations symphonique“ von Olivier Messiaen mit seinen choralartigen, glänzenden Blechbläserpassagen und vielen tonalen Anleihen im ersten Satz oder dem tollen Englischhorn-Solo im pastoralen zweiten Satz weit sanftere Akzente. Und Igor Strawinskys Sinfonie in drei Sätzen knüpfte mit ihren vertrackten Rhythmen und komplexen Motivsplittern an seine großen Ballettmusiken wie etwa „Le sacre du printemps“ an.

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