Hamburg. Der Hamburger Chefstyler spricht über seine vor 25 Jahren begonnene Solokarriere, seine Entscheidungen und was sich geändert hat.
- Hamburger Musiker Jan Delay bringt neues Album raus – und erinnert sich
- Im Interview spricht er über seine Anfänge und Aufreger
- Unvergessen bleibt dabei der Zwist mit Heino
Jetzt, wo Cannabis in Deutschland legalisiert wurde, erwartet man, wie in alten Zeiten, Jan Delay im beißenden Ganjanebel zu interviewen. Stattdessen bereitet sich der Bandleader von Disko No.1 im FoodLab in der HafenCity auf die Anrichtung eines Süßkartoffel-Salats für einen Food-Podcast vor. Schau an. Entspannt ist er mittlerweile aber auch ohne einen „dicken Spliff in meiner Hand“.
Jan Delay bringt neues Album raus und plant Auftritt auf Hamburger Trabrennbahn
Vor 25 Jahren begann das Drittel der Hamburger Hip-Hop-Pioniere Beginner eine Solokarriere, die mittlerweile fünf erfolgreiche Alben und zahlreiche ausverkaufte Tourneen auf der Habenseite hat. Das soll dieses Jahr gefeiert werden mit dem Best-of-Album „Forever Jan – 25 Jahre Jan Delay“ und einem Open Air am 24. August auf der Bahrenfelder Trabrennbahn.
- Hamburg: Das sind die 20 besten Stadtteilsongs der Perle an der Elbe
- Jan Delay: „Ich bin ja jemand, der polarisiert“
- Jan Delay: „Nichts ist so kalt wie der heiße Scheiß von gestern“
Vor dem Salatschnippeln spricht Jan Delay über die Anfänge, Momente der Perspektivlosigkeit, seinen kreativen Flop „Hammer & Michel“ und sein Umdenken, das vor zehn Jahren nach dieser Platte begann.
Jan Delay: Früher sang er „Ich möchte nicht, dass ihr meine Lieder singt“
Hamburger Abendblatt: Vor 25 Jahren begannen Sie mit dem Nena-Cover „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ Ihre Solokarriere. Seinerzeit texteten Sie auch: „Ich möchte nicht, dass ihr meine Lieder singt“. Daraus ist allerdings nichts geworden.
Jan Delay: Doch, ein bisschen schon. Der Song war ja 2001 vor allem eine Standortbestimmung, eine Reaktion meinerseits auf meinen Erfolg mit „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ sowie mit „Liebeslied“ von den Beginnern. Ich hatte ein Identitätsproblem damit, dass nicht wenige Leute, die ich scheiße fand, diese Lieder gehört haben. Ich wollte auch für unpolitische Menschen klarstellen, wie ich damals getickt habe, was mir Hip-Hop und Underground bedeuteten und warum ich ein Problem damit hatte, dass zum Beispiel Bundeswehrsoldaten oder CSU-Typen meine Lieder abfeierten. Das habe ich 2001 im Prinzip auf einem kompletten Album unterstrichen …
„Searching For The Jan Soul Rebels”.
Delay: … nur um ein Album später zu sagen: Ich hab Bock mit euch allen zusammen zu dancen. Singt meine Lieder (lacht). Dabei hat sich meine Haltung nicht geändert. Aber in der Zeit von „Mercedes Dance“ 2006 ist das ganze Land offener und cooler geworden. Gleichzeitig waren viele gute deutsche Texte im Radio zu hören, die diesen Nachkriegsstock aus den Ärschen gezogen haben.
Jan Delay: „Ich sah sogar mit 30 noch aus wie ein Kind“
Hat auch ein innerer Reifeprozess stattgefunden? Wenn man sich das Musikvideo von „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ heute anschaut, ist festzustellen: Sie waren 23 und sahen aus wie 13.
Delay: Ja, voll. Ich sah sogar bei „Klar“ mit 30 noch aus wie ein Kind. Ich habe mit 15 angefangen und bin jetzt 33 Jahre am Start, das ist schon krass, sich das vorzustellen.
Das erste Album hatten sie mit der Sam Ragga Band aufgenommen, alle weiteren mit Disko No. 1, warum eigentlich?
Delay: Weil die erste Truppe genau das konnte, was ich wollte: Reggae, Riddim. Aber nichts darüber hinaus. Aber Ali Busse am Bass und Lieven Las Vegas sind immer noch dabei, weil sie genauso ticken wie ich: Musikbekloppte, die einen offenen Geschmack, Experimentierfreude und einen krassen Ehrgeiz haben. Ich wollte eine Band haben, die so ist wie der beste DJ, wie Jazzy Jeff oder sein leider vor vier Jahren gestorbener Kumpel Spinbad, der in einem Hip-Hop-Set auch einfach mal Madonna aufgelegt hat, weil er an allen Sounds interessiert war. Das hat mich auch zum Auflegen inspiriert.
Jan Delay: „Disko No 1. ist die beste Liveband Deutschlands“
Gab es in all den Jahren, um Ihren Song mit Udo Lindenberg „Im Arsch“ zu erwähnen, auch Momente, in denen Sie die Nase voll hatten von Ihrer Musikkarriere und all ihren Nebenerscheinungen?
Delay: Ja, das gab es. Nicht Momente, auf denen ich keinen Bock mehr auf Musik hatte, aber in denen ich nicht wusste, was ich jetzt machen soll. „Im Arsch“ gibt genau das wieder. Nach der „Blast Action Heroes“-Tournee der Beginner 2004, den steigenden Umsatzeinbrüchen der Musikindustrie durch Raubkopien und der Pleite meines eigenen Plattenlabels Eimsbush fehlten mir die Perspektiven. Ich hatte sogar überlegt, mich bei iTunes, das war noch ziemlich neu, zu bewerben und Playlisten zu kuratieren.
2004 erschien auch der Sportfreunde-Stiller-Song „Siehst du das genauso?“, den Sie jetzt neu interpretiert haben.
Delay: Hammersong, geiler Refrain. Obwohl das überhaupt nicht meine Musik war, habe ich den schon damals krass abgefeiert.
Ihr Best-of-Album erscheint in 780 verschiedenen Formaten auf ebenso vielen Materialien. Davor erschien 2022 „Earth, Wind & Feiern – Live aus dem Hamburger Hafen“. Greatest Hits und Livealben sind Ladenhüter, warum tun Sie sich das noch an?
Delay: Disko No 1. ist die beste Liveband Deutschlands, das muss man immer mal wieder zeigen. Und solange die Plattenfirma das mitmacht, hinterfrage ich das nicht. Und auch wenn ich mich zehn Jahre gegen den Vorschlag eines Best-of-Albums gewehrt habe: Ich bin schon so lange dabei, dass viele meiner Fans tatsächlich noch gern Tonträger kaufen. Als Musiknerd habe ich da auch Bock drauf, aber dann muss es auch geil sein.
Jan Delay: „Das waren noch die letzten Zuckungen des unentspannten Jan“
Was haben Sie für sich gelernt aus der „Rockplatte, auf die keiner Bock hatte“, auf „Hammer & Michel“ 2014?
Delay: Was sangen die Pussycat Dolls? „Be careful what you wish for, because you just might get it.” Die Platte hat mir gezeigt, dass es Quatsch ist, sich total zu verkopfen und auf Krampf wieder eine Mittelfinger-Platte zu machen. Da kann ich mich auch nicht beschweren, dass nicht so viele Leute die Platte hören wollten. Die Fans zeigten mir den Mittelfinger zurück (lacht). Das waren noch die letzten Zuckungen des unentspannten Jan. Wenn ich Interviews sehe von vor 25 Jahren, so was von unerträglich unentspannt. Alles scheiße hier, alles scheiße da. Aber „Hammer & Michel“ und die gleichzeitige Sache mit Heino …
Den Sie nach seinem Cover von „Liebeslied“ einen „Nazi“ nannten, wofür Sie danach zu 20.000 Euro Schmerzensgeld verdonnert wurden.
Delay: … das war nicht schön. Aber es hat einiges durcheinandergeschüttelt, sodass ich vieles hinterfragt habe. Und 2014 Vater zu werden, das trug noch mal zu einer ganz anderen Form von Entspannung bei. Nicht zu vergessen das unglaubliche Comeback der Beginner 2016.
Jan Delay: „So richtiger Jazz-Jazz, das ist echt überhaupt nicht mein Ding“
Von Hip-Hop über Reggae, Soul, Funk und Rock haben Sie alles ausprobiert. Was fehlt, ist Jazz.
Delay: Das ist richtig beobachtet. Bei Calypso oder Bossa Nova bin ich sofort dabei, aber so richtiger Jazz-Jazz, das ist echt überhaupt nicht mein Ding. Ich liebe meine Eltern, und ich liebe ihren Musikgeschmack, aber mit dem großen Batzen Jazz in der Plattensammlung meines Vaters konnte ich nie etwas anfangen, schon als Kind nicht: Öööh, da sagt keiner was, und die Beats sind nicht funky. Das wäre wirklich kulturelle Aneignung, wenn ich jetzt mit irgendeinem Jazzquatsch um die Ecke komme (lacht).
Quizfrage: Geiler Typ, hat die deutschsprachige Popmusik weit nach vorn gebracht, trägt gern Hut?
Delay: Da gibt es nur zwei gültige Antworten.
Na?
Delay: Udo Lindenberg und Johannes Oerding (lacht).
Jan Delay: „Forever Jan – 25 Jahre Jan Delay“ Album (Vertigo Berlin/Universal Music) ab 3.5. im Handel; Konzert: Sa 24.8., 19.00, Trabrennbahn, Karten zu 64,75 im Vorverkauf; www.jan-delay.de