Hamburg. Viele große Namen, Schwerpunkte zu Schönberg, Mozart und Boulez – ein Ausblick auf die Konzertsaison 2024/25.

„Die Menge der Konzerte ist wie immer gigantisch.“ Kann man durchaus so sagen, als Hausherr der Elbphilharmonie. Früher war zwar deutlich mehr Aufregung, wenn Christoph Lieben-Seutter die jeweils nächste Spielplan-Übersicht auf die Kundschaft losließ und sich die IT-Abteilung panisch anschnallte, weil jedes Mal die Server für den Onlinekartenverkauf zu kollabierten drohten. Inzwischen aber, beim coronabereinigt neunten Programm, ist die Aufregungskurve nicht mehr ganz so steil, auf den ersten Blick jedenfalls. Auf den zweiten und dritten allerdings gibt es in der Konzertsaison 2024/25 natürlich dennoch, auf sehr hohem Niveau, jede Menge Außergewöhnliches und hin und wieder auch echt Gewagtes.

Elbphilharmonie und Laeiszhalle: Das sind die Höhepunkte der nächsten Saison

Das beginnt schon mit dem Saisoneröffnungskonzert: Im letzten Jahr noch eine große Portion Italienisches mit dem Orchester der Mailänder Scala und ihrem Chef Riccardo Chailly als Paukenschlag nach den Ferien, beginnt die Spielzeit diesmal, am 5. September, deutlich kleiner und feiner. Mit Beethoven, nur in Trio-Besetzung, die aber vom Allerfeinsten ist: Cellist Yo-Yo Ma, Geiger Leonidas Kavakos, Pianist Emanuel Ax.

Der Cellist Yo-Yo Ma kehrt im September für das Saisoneröffnungskonzert in die Elbphilharmonie zurück, mit einem Beethoven-Programm in Trio-Besetzung.
Der Cellist Yo-Yo Ma kehrt im September für das Saisoneröffnungskonzert in die Elbphilharmonie zurück, mit einem Beethoven-Programm in Trio-Besetzung. © Jason Bell | Jason Bell

Welche Programmschwerpunkte gibt es?

Einer der größten Programm-Akzente hat womöglich immer noch Aufreger-Potenzial: Arnold Schönbergs 150. Geburtstag wird mittelgroß gefeiert. Als Gegenargument zum Vorurteil, seine Zwölftontheorie sei die Vertonung einer Wurzelkanalbehandlung ohne Narkose, beginnt dieses Sortiment mit den monumental besetzten „Gurre-Liedern“, (größer noch als Mahlers Achte): hyperspätromantisch, klanggewaltig, ein Breitwand-Spektakel. In der Eröffnungssaison 2017 dirigierte Generalmusikdirektor Kent Nagano die Erstaufführung im Großen Saal. Zum Wiederhören in diesem September übernimmt NDR-Chefdirigent Alan Gilbert diese Aufgabe – und geht damit ein weiteres Mal als Gast zum Lucerne Festival. Es folgen Aufführungen von Schlüsselwerken wie dem Klavier- und dem Violinkonzert, „Verklärte Nacht“, aber auch das selten zu hörende Oratorium „Die Jakobsleiter“.

Ein Porträt des Komponisten Arnold Schönberg aus dem Jahr 1949. In diesem Jahr wird sein 150. Geburtstag auch in der Elbphilharmonie mit Konzerten gefeiert.
Ein Porträt des Komponisten Arnold Schönberg aus dem Jahr 1949. In diesem Jahr wird sein 150. Geburtstag auch in der Elbphilharmonie mit Konzerten gefeiert. © picture alliance / Fred Stein | Fred Stein

Ebenfalls ambitioniert, doch betont zeitgenössisch ist die zweite „Visions“-Runde: Gilberts Avantgarde-Leistungsschau, alle zwei Jahre im Programm, nur Frisches und diesmal ausschließlich von Rundfunk-Orchestern gespielt. Seiner Leidenschaft für das Thema Oper – immerhin ist er neben dem NDR-Posten auch noch Chefdirigent an der Oper seiner Wahlheimat Stockholm – wird er mit einer konzertanten Aufführung von Bergs „Wozzeck“ nachkommen, mit dem auf diese Partie abonnierten Matthias Goerne als Protagonisten. Außerdem im NDR-Saison-Cast: Stammgäste wie Paavo Järvi, Semyon Bychkov oder Herbert Blomstedt sowie Solistinnen und Solisten wie Pierre-Laurent Aimard, Daniil Trifonov, Leif-Ove Andsnes und Frank Peter Zimmermann, Steven Isserlis und Janine Jansen.

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Welche großen Namen kommen nach Hamburg?

Bei der Aufzählung der vielen großen Namen, Dirigenten und Klangkörper ragt einer mit sieben Terminen, verteilt auf vier Orchester, heraus: Klaus Mäkelä, „der Finne, der wie eine Rakete startet“ (Lieben-Seutter). Hier mit einem Sortiment, das von Beeethoven bis Gubaidulina reicht, mit seinen Noch-Orchestern aus Oslo und Paris und dem Demnächst-Orchester aus dem Concertgebouw. Mäkelä im Programm ist also gerade ein Muss – ein anderer Finne, zwei Generationen älter, überrascht bei einem besonderen Termin: Esa-Pekka Salonen, der gerade seinen Chefposten in San Francisco aus Protest gegen stramme Sparmaßnahmen hingeworfen hat, ist als Finne nicht automatisch ein Kandidat für launig gehaltene Silvesterkonzerte. Nun aber doch, beim NDR-Orchester und mit seinem tatsächlich unglaublich amüsanten Landsmann, dem Geiger Pekka Kuusisto, unter anderem mit Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“ und Ravels „Bolero“.

Esa-Pekka Salonen ist der Gastdirigent beim Silvester-Programm des NDR Elbphilharmonie Orchesters.
Esa-Pekka Salonen ist der Gastdirigent beim Silvester-Programm des NDR Elbphilharmonie Orchesters. © imago images/TT | NILSSON NILS PETTER/Aftonbladet via www.imago-images.de
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Wer ist neu, wer nicht?

Als Residenzkünstler der Saison 2024/25 sei der französische Pianist Alexandre Kantorow (26) laut Lieben-Seutter der jüngste Pianist, dem man einen Solo-Recital-Termin im Großen Saal anvertraut. Außerdem aber auch zwei Abend mit großem Orchester und einen mit Brahms-Kammermusik. Ergänzungsgaststar der Saison beim NDR Elbphilharmonie Orchester wird der Bratschist Antoine Tamestit sein: vier unterschiedlich ausbalancierte Abende, die sein Instrument und dessen Möglichkeiten in den Mittelpunkt stellen. Und wie alle Spielzeiten wieder sind praktisch alle der bedeutendsten internationalen Orchester dabei, gern auch mehrfach, wie die Wiener Philharmoniker mit insgesamt drei Terminen im Großen Saal der Elbphilharmonie. Was andererseits auch in dieser Saison bedeutet („Das ist nun mal der Lauf der Dinge …“), dass sie aus Attraktivitäts- und Wirtschaftlichkeitsgründen einen Bogen um die immer noch mehr als gute, alte Laeiszhalle machen, obwohl deren Akustik seit der Eröffnung des Neubaus am Elbufer keinen Deut weniger großartig geworden ist.

Elbphilharmonie: Fünf Konzerte erinnern an den großen Pierre Boulez

Was ist außerdem hörenswert?

Über die Spielzeit verteilt finden sich mehrere Ideen-Betonungen: Hier eine kleine Bündelung charmanter Mozart-Konzerte im Januar, als garantiert sichere Bank, dort eine größere Menge der populäreren Bruckner-Sinfonien als nicht ganz so prominente Würdigung zum 200. Geburtstag. Im Mai 2025 steht ein weiterer Jubilar an: Pierre Boulez, als Dirigent ebenso scharfsinnig und kompromisslos wie als Komponist. Fünf Konzerte, darunter das raumklanglich anspruchsvolle „Repons“ im Eröffnungsprogramm des nächsten Musikfests, werden das vorführen.

Die brasilianische Sängerin Marisa Monte 2023 bei einem Auftritt im New Yorker Central Park.
Die brasilianische Sängerin Marisa Monte 2023 bei einem Auftritt im New Yorker Central Park. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | M10s

Das Schleswig-Holstein Festival widmet sich in diesem Sommer flächendeckend Venedig, die Elbphilharmonie hält mit einem Neapel-Schwerpünktchen im Herbst dagegen. Und jenseits der klassischen Klassik eröffnen Extras weitere Horizonte: Highlight bei den „Brazilian Legends“ sind die Sängerin Marisa Monte und der Gitarrist Egberto Gismonti. Ein „Reflektor“-Festival-Freifahrtschein geht im November an den Freistil-Gitarristen Marc Ribot, ein weiterer im März an die Schweizer Sängerin Sophie Hunger.

Weitere Infos: www.elbphilarmonie.de und www.ndr.de/eo. Elbphilharmonie-Abos sind ab sofort unter www.elbphilharmonie.de/abo buchbar. Einzelkarten für die meisten Veranstaltungen können ab dem 14. Mai gekauft werden.