Hamburg. Die US-Hardrock-Ikone lieferte mit Myles Kennedy & The Conspirators einen soliden Abend ab – und einen faulen Apfel von Guns N’ Roses.

Keine Ahnung, wo Slash gerade ist. Eigentlich steht der Saitenbieger, seit 2015 wieder zurück bei den L.A.-Hardrockern Guns N’ Roses, am Donnerstag seit einer Stunde auf der Bühne der Sporthalle. Und doch scheint er in einer anderen Welt zu sein: Seit zehn Minuten bearbeitet er bei „Wicked Stone“ seine Gitarre, als würde er wie Herkules mit dem Riesen Antaios ringen. Seine Begleitband The Conspirators spielt geduldig Grundtöne, Sänger Myles Kennedy, hauptamtlich Frontmann von Alter Bridge, wartet im Backstage, und nicht wenige der 4500 Fans erledigen außerhalb des Saals die Be- und Entsorgung von Bier.

Puh. Klar, wer Slash bestellt, bekommt eine zweistündige Werbepräsentation der US-Gitarrenschmiede Gibson, die mittlerweile wie Harley-Davidson zu den überteuerten Lifestyle-Marken für Best Ager gezählt wird. Auch Slash ist bereits 58 Jahre alt und vielleicht der Letzte der großen, stilprägenden Gitarrengötter, auch wenn es noch viele jüngere, aber weniger prominente Könner und Könnerinnen von John Meyer über Tosin Abasi bis St. Vincent gibt. Oder Eddie van Halens Sohn Wolfgang, der mit seiner Band Mammoth WVH ein gelungenes Vorprogramm in der Sporthalle abliefert.

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Obwohl Myles Kennedy ein begnadeter Sänger ist und The Conspirators mit Frank Sidoris (schiebt als Gitarrist von Mammoth WVH auf der Tour Doppelschichten), Todd Kerns (Bass) und Brent Fitz (Schlagzeug) alles andere als Amateure sind, dreht sich nicht nur auf dem Bühnenaufhänger alles um Slash. Seine Les-Paul-Klampfe ist im Vergleich mit seinen Mitmusikern deutlich in den Vordergrund gemischt. Zu tun hat er ja auch genug: Vier Alben hat er seit 2012 mit Myles Kennedy und den Conspirators aufgenommen, dazu kommt noch der Alleingang „Slash“ (2010) und der im Mai kommende Nachfolger „Orgy Of The Damned“ sowie jeweils zwei Platten mit Slash‘s Snakepit und Velvet Revolver. Nicht zu vergessen Guns N’ Roses.

Mit Alter-Bridge-Sänger Myles Kennedy nahm Slash bislang vier Alben auf.
Mit Alter-Bridge-Sänger Myles Kennedy nahm Slash bislang vier Alben auf. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

In Hamburg konzentriert sich das Programm aber vor allem auf die Tandemfahrten mit Myles Kennedy. Die ersten Songs „The River Is Rising“, „Driving Rain“, „Halo“ und „Too Far Gone“ sind kräftiger wie melodiöser Rock, während Lieder vom „Slash“-Langspieler wie „Back From Cali“ oder „Starlight“ mehr in Richtung Blues und Country-Rock gehen. Auch Slashs Gastspiel im Lenny-Kravitz-Song „Always On The Run“ wird zum Besten gegeben.

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Ganz wichtig in jedem Beitrag ist natürlich ein ausführliches Solo von Slash vorne am Bühnenrand und links und rechts an den Seiten: In seiner Signaturpose mit senkrechter, auf den Schenkeln abgestützter Gitarre lässt er die Finger das Griffbrett rauf und runter hasten. Die immer noch unter dem Zylinder herauswogende Lockenpracht (Fans rätseln, ob Perücke oder Hair Extensions) ist kurz davor, sich in den Stimmmechaniken zu verheddern. Bei den Atempausen vor der Halle im Raucherbereich ist das Publikum sich nicht immer einig, zwischen „unvergleichlich gut“ und „langweilige Blues-Tonleitern“ schwanken die Debatten.

Die Stimmung in der Halle ist jedenfalls ein eher gemütliches Abstehen und Absitzen, auch wenn die Band wie aus dem Hardrock-Lehrbuch sehr agil hin und her fegt und Myles Kennedy die „fantastische Stadt gestern an unserem freien Tag“ feiert und witzelt, dass er vor dem Konzert sechs Stunden lang seinen Triangel-Einsatz bei „Whatever Gets You By“ geübt habe. Selbst als ein einziges Mal an diesem Abend Guns N’ Roses zu Ehren kommen und Bassist Todd Kerns dabei den Axl Rose gibt, bleibt das Publikum gelassen. Der Gunners-Song „Bad Apples“ ist allerdings auch wirklich ein eher fauler Apfel auf dem „Use Your Illusion I“-Album von 1991, Axl, Slash und Co. spielten das Lied seinerzeit lediglich zweimal live – und natürlich nie in Hamburg. Hier traten die Rocklegenden nur 1987 in der Markthalle auf, das für 2020 geplante Konzert im Volksparkstadion fiel der Pandemie zum Opfer.

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Nach „World On Fire“ verdienen sich die Fans zwei Zugaben. Für die erste wird etwas durchgetauscht. Slash, der nur einen kurzen Satz an diesem Abend spricht, um Myles Kennedy vorzustellen, setzt sich an die Lap-Steel-Gitarre. Schlagzeuger Brent Fitz klemmt sich hinter ein Keyboard und wird von seinem Drumtechniker Imy James an den Kesseln vertreten. Gemeinsam präsentieren sie Elton Johns „Rocket Man“ als schöne, getragene Country-Ballade.

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Anschließend schicken „Anastasia“ und ein letztes Überlänge-Solo von Slash die Meute nach Hause. Zu einem soliden Rockabend der alten Schule gehört sogar ein Bild, das man nur noch sehr selten sieht: Auf den dunklen Wegen hinter der Sporthalle verhökern fliegende Händler unlizenzierte Poster und T-Shirts. Ein Straßenmusiker an der Kreuzung spielt dazu im Hamburger April-Geniesel nicht „November Rain“, sondern Nirvana.