Hamburg. Was hat sich die Dramaturgie dabei gedacht? Basel Zaraas Installation „Dear Laila“ wirkt propagandistisch und ist darum problematisch.

Ein Mann erzählt seiner Tochter von seiner Familie. Von den Großeltern, von den Onkeln und Tanten, von dem Haus seiner Kindheit. Und weil das Familienleben geprägt ist von Flucht und Vertreibung, er dem Kind aber dennoch Sicherheit und ein Zuhause bieten möchte, hat er eine Puppenstube gebaut: ein mehrstöckiges, einfaches Haus, das seine Heimat im Flüchtlingslager darstellt, eine Kommode, in deren Schubladen Nachrichten liegen, Fotoalben, Briefe, ein altmodischer Walkman, aus dem eine sonore Stimme erzählt.

Und in dieser Puppenstube kann sich der Besucher bei Basel Zaraas „Dear Laila“ umsehen: Der Künstler hat eine Installation auf Kampnagel gebaut, in der man jeweils für 20 Minuten alleine ist und so in die Geschichte eintaucht.

Kampnagel Hamburg zeigt Klage über „israelische Massaker“ – ist das angemessen?

Das ist berührend, weil der heute in Großbritannien lebende Zaraa einem mit dem eigenen Leben ungeschützt nahe kommt, es ist auch künstlerisch beeindruckend gelöst, und der mehrfache Medienwechsel sorgt für eine ästhetische Vielschichtigkeit, die man angesichts des eher einfachen Aufbaus nicht erwartet hätte. Und doch ist „Dear Laila“ nicht unproblematisch.

Zaraa ist Palästinenser, aufgewachsen ist er im syrischen Flüchtlingscamp Yarmouk. Und entsprechend ist sein radikal subjektiver Blick auf die Geschichte auch der palästinensische. Das ist verständlich, zumal die Arbeit davon lebt, dass die Persönlichkeit des Künstlers und das Werk miteinander verschmelzen.

Kunst in Hamburg: Flucht, Vertreibung und Traumata sind eine Realität

Dennoch erscheint die Klage über die „Katastrophe des palästinensischen Volkes“ unangebracht, das Beschwören der Nakba als einseitige Vertreibung der Palästinenser aus Israel. Diese Lesart der Geschichte an ein kleines Kind weiterzutragen (die geschilderten Ereignisse fanden 1948 statt, vor mehreren Generationen) ist dann keine eigene Erfahrung, sondern völkische Propaganda. Die man Zaraa nicht vorwerfen will: Flucht, Vertreibung und die daraus resultierenden Traumata sind eine Realität, die künstlerisch verarbeitet werden muss.

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Die Kampnagel-Dramaturgie aber, die einen interessanten Künstler so ungeschützt ins Messer laufen lässt, die muss sich schon die Frage gefallen lassen, ob die Klage über „israelische Massaker“ ein halbes Jahr nach dem Hamas-Terror vom 7. Oktober tatsächlich angemessen ist. „Dear Laila“ jedenfalls hat es nicht verdient, dass diese sensible Installation mangels Einordnung als ideologisches Eifern ankommt. fks

Dear Laila 5. April ab 17.30 Uhr, 6. April ab 15.10 Uhr, 20-minütige Slots bis 21.30 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20, Tickets unter www.kampnagel.de