Hamburg. Der Schweizer Sänger begeistert im ausverkauften Kiezclub. Auch wenn das Publikum nicht immer bekommt, was es verlangt.

„Ich wurde gefragt, was ich für Musik mache, und ich habe geantwortet Popmusik“, erzählt Faber. „Und dann habe ich schon gemerkt, oje, der stellt sich jetzt was ganz anderes vor als das, was ich mache.“ Womit das Konzert von Faber, geboren 1993 als Julian Polina in Zürich, am Donnerstag im ausverkauften Mojo Club ziemlich genau beschrieben ist: Das ist Pop, aber dieser Pop besteht aus Jazz, Balkanbeats, Chanson, jüngst mit Bezügen zum italienischen Cantautore-Stil.

Eigentlich hätte Faber schon vergangenen Herbst in Hamburg spielen sollen, wegen einer Notfalloperation wurde der Auftritt allerdings verschoben. Zum Glück: Die Songs des dritten Albums „Addio“, die kommenden Juni erscheinen sollen, sind Polina und seiner Band mittlerweile in Leib und Blut übergegangen, auch Titel wie „Du kriegst mich nicht zurück“ oder „Odiarsi un po’“ werden gefeiert. Wobei: Die älteren, schon bekannten Stücke, „Sag mir, wie du heißt“ oder „Generation YouPorn“, entfachen dann doch noch ein bisschen mehr Begeisterung.

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Faber: Ein langes Streicher-Intro stellt die Fans auf eine Geduldsprobe

Das ist ein bisschen das Problem dieses Konzerts: Faber hat sich mit bösen, schmerzhaften Texten ein Publikum herangezüchtet, das bedient werden will, „Ornithologen träumen jede Nacht von Vögeln / Ein Sexist wie du, der träumt doch jede Nacht vom Vögeln“, heißt es in der Pornofantasie „Vivaldi“, und wer nur auf diesen Zynismus hört, der überhört ein wenig, dass Faber im Jahr 2024 kaum noch zynisch ist. Klar, man kann dem Sänger „Du bist ein geiler Hengst!“ zurufen, aber wenn der gerade über Depressionen, Ängste und Selbstzweifel spricht, dann ist das mindestens unpassend. Und in ein langes Streicher-Intro „Fangt jetzt an!“ zu grölen, ist vor allem respektlos.

Faber weiß um dieses Thema. Festivalauftritte sieht er kritisch, wegen der Entertainmenterwartung der Fans. Obwohl er nicht urteilen möchte, er verstehe das auch ein bisschen. „Irgendwo steckt in jedem von uns ein Hooligan.“ Und dann spielt er einen Song für diese Hooligans, „Berlin Berlin Berlin“, Punkrock, eine Packung Hass auf die Anziehungskraft der Metropole, die man auch in Zürich spürt. Wobei: „Das ist ein bisschen gemein. Es will ja schon lange niemand mehr nach Berlin, das ist ein bisschen, wie jemanden zu treten, der schon am Boden liegt.“ Faber ist weiterhin böse, aber mittlerweile entschuldigt er sich für seine Bösartigkeit.

Beim Rio-Reiser-Cover „Für immer und dich“ begrüßt er als Gast Alli Neumann, bei „Bouncy Castle“ überlässt er Gitarrist, Perkussionist und Sänger Dino Brandão das Rampenlicht. Nach zweieinhalb schweißtreibenden Stunden beginnen die Zugaben, die Band spielt auf Zuruf, schön, freundlich, erschöpfend – „In Paris brennen Autos / Und in Zürich ein Kamin“. Und das Ende des Abends ist nur der Beginn der Wartezeit: Am 28. September ist Faber zurück in Hamburg in der del-optics.de Arena.