Hamburg. Brian Salomon und Marlene Monteiro Freitas präsentieren inklusiven Tanz beim Festival „Fokus Tanz #10: Sorry Not Sorry“.
Dieses Festival ist etwas anders. Das spürt man schon im mit einer Sitzinsel flauschig dekorierten Kampnagel-Foyer. Verschiedene Anlaufstellen sollen den Besuch auch und gerade für Menschen mit Handicap ermöglichen. Die zehnte Ausgabe des jährlichen Tanzfestivals „Fokus Tanz#10“, das noch bis zum 2. März läuft, erweist sich unter dem Motto „Sorry Not Sorry“ so konsequent inklusiv wie nie. Die Kampnagel-Tanzdramaturgie wurde erstmals erweitert um die britische Kompanie Dan Daw Creative Projects, deren Leiter Dan Daw seit Jahren künstlerische Projekte aus queerer und behinderter Perspektive realisiert und überzeugende Schwerpunkte setzt.
Zum Auftakt legt der kanadische Künstler Brian Solomon ein bezwingendes Solo hin. In „Thunderbird’s Transformation“ fällt er zunächst der Länge nach auf die Bühne, rappelt sich auf, wippt in den Knien. Ein Mensch irgendeiner gegenwärtigen Zivilisation, der plötzlich von einer mythischen Vergangenheit überwältigt wird und sich – zumindest zur Hälfte – in eine Art Donnervogel verwandelt. Ohrenbetäubende Vogellaute sind zu hören. Es folgt eine lange, gewittrige Dunkelheit. Schließlich kehrt der nun völlig durchnässte Performer auf die Bühne zurück, dreht sich verausgabend am Boden – auf wundersame Weise eins mit dem Ursprünglichen und der Natur. Solomon kreiert so einfache wie wirkungsvolle Bilder und entfesselt eine starke Bühnenpräsenz.
Kampnagel Hamburg: Marlene Monteiro Freitas erzählt vom Werden, Sein und Vergehen
Die kapverdische Künstlerin Marlene Monteiro Freitas war schon häufiger zu Gast auf Kampnagel mit ihrem musikalisch geprägten, pantomimisch-grotesken Performance-Theater. Für „ÔSS“ (kreolisch für „Knochen“) hat sie sich mit der Kompanie für inklusiven Tanz Dançando com a Diferença zusammengetan. Deren Performerinnen und Performer verteilen sich auf der Bühne der großen Kampnagel-Halle auf verschiedene Stationen, die mit Handtüchern und Haltegeländern versehen sind.
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Von hier aus entwickeln sie, aufgemacht als Matrosen, Torero, Shaolin-Nonne und Krankenschwester kleine szenische Miniaturen. Ein Performer gibt einen animierenden Techno-DJ. Eine beinlose Performerin entsteigt einer Zinkwanne und verwandelt sich in eine Polizistin. Zwei Matrosen betanzen zwei Stühle, später stützen sie eine Performerin, die mit fragilen Tremor-Bewegungen erst ein Paket enthüllt und später Tee-Geschirr scheppern lässt. Zu den Klängen aus Richard Strauss‘ Oper „Salome“ entsteht ein fantasievolles Tableau.
Das Bühnengeschehen folgt auf den ersten Blick keinem sinnhaften Narrativ – und erzählt doch sehr anschaulich in kleinen Ritualen und mechanischen Wiederholungen von nichts weniger als dem großen Lebensbogen aus Werden, Sein und Vergehen. Ein eindringlicher Festivalauftakt mit Bildern, die noch lange im Gedächtnis bleiben dürften.
„Fokus Tanz #10: Sorry Not Sorry” bis 2.3., Kampnagel, Jarrestraße 20-24, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de