Hamburg. „Politische Bankrotterklärung“: Hamburgs Antisemitismus-Beauftragter attackiert Kultursenator Brosda und Intendantin Deuflhard.

Wird einer Antisemitin auf Kampnagel eine Bühne geboten? Ab dem 25. Januar läuft in der Winterhuder Kulturfabrik unter dem Titel „How Low Can We Go“ („Wie tief können wir sinken“) ein dreitägiger Kongress zu Strategien im Klimadiskurs. Die Keynote hält mit Zamzam Ibrahim eine junge britische Wissenschaftlerin und Aktivistin. Der Klimawandel ist allerdings nicht der einzige Themenbereich, zu dem sie sich öffentlich äußert: In Social-Media-Posts wirft Ibrahim dem Staat Israel, den sie als Apartheid-Regime bezeichnet, angesichts des Gazakrieges Genozid vor.

Zamzam Ibrahim: Antisemitin auf Kampnagel? Scharfe Kritik an Intendantin

Stefan Hensel, der Hamburger Beauftragte für jüdisches Leben und die Bekämpfung und Prävention von Antisemitismus, will dies nicht hinnehmen. Am 16. Januar schrieb er Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard und verwies auf die Problematik. Zamzam Ibrahim sei eine ausgewiesene Unterstützerin der Israelboykott-Organisation BDS, die mit Aussagen wie „No climate justice on occupied land“ und „Palestine will be free from the river to the sea“ antisemitische Positionen vertrete und das Existenzrecht Israels verneine.

Deuflhards Reaktion sei ernüchternd ausgefallen, so Hensel. Die Intendantin habe erklärt, eine Parole, wie „no climate justice on occupied land“ diskutiere sie lieber öffentlich, als die Sprecherin auszuladen.

Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD), hier bei der Eröffnung des Kampnagel-Sommerfestivals im vergangenen Jahr.
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD), hier bei der Eröffnung des Kampnagel-Sommerfestivals im vergangenen Jahr. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Hensel macht den Vorgang nun öffentlich und greift in dem Zusammenhang auch Kultursenator Carsten Brosda scharf an: „Der Kultursenator kommt seiner Verantwortung nicht nach und lässt zu, dass einer ausgewiesenen Antisemitin auf Kampnagel eine Bühne geboten wird.“ Auf Abendblatt-Anfrage erklärt Brosda, eine diesbezügliche Anfrage Hensels bereits am 19. Januar beantwortet zu haben. Er habe Deuflhard seine Besorgnis mitgeteilt, dass die Rednerin den Auftritt zum Thema Klimaschutz nutzen könnte, um auch ihre nicht akzeptablen israelbezogenen antisemitischen Positionen zu vertreten.

Deuflhard erklärt, Zamzam Ibrahim verurteile den Terror der Hamas deutlich

Amelie Deuflhard habe ihm versichert, dass die Rednerin explizit zu Fragen von Klima und Nachhaltigkeit eingeladen sei, für die sie eine versierte und international anerkannte Expertin ist. Das wiederholt die Kampnagel-Intendantin auf Anfrage des Abendblatts: „Es geht um Klimagerechtigkeit. Wir haben Ibrahim kennengelernt in einem Kontext von Arts Admin, das ist die größte öffentliche Stiftung in Großbritannien, bei der man Gelder für Kunstprojekte beantragen kann. Sie stammt aus einer somalischen Einwandererfamilie, ist Muslima und hat eine international relevante Perspektive auf die Frage von Klimagerechtigkeit. Die Klimabewegung ist weltweit überwiegend weiß und mittelständig. Fragen von sozialer und globaler Ungerechtigkeit gehen in die Klimabewegung nicht ein“, so Deuflhard.

Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard wird vom Hamburger Antisemitismus-Beauftragten scharf kritisiert.
Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard wird vom Hamburger Antisemitismus-Beauftragten scharf kritisiert. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

„Nicht richtig ist, dass ich sie im Bewusstsein ihrer Social-Media-Veröffentlichungen eingeladen habe. Aber in einem ausführlichen Gespräch, das ich mit ihr hatte, hat sie den Terroranschlag der Hamas deutlich verurteilt. Nach gründlicher Abwägung haben wir uns daher entschieden, ihre Position zur Klimagerechtigkeit hier auf Kampnagel zu zeigen.“ Deuflhard wolle „darauf achten“, dass Zamzam Ibrahim die Bühne nicht für andere politische Statements nutzt. Gegebenenfalls werde sie eingreifen, sie nehme die Bedenken jüdischer Menschen sehr ernst.

Brosda über Zamzam Ibrahim: „Antisemitischen Äußerungen muss mit aller Entschiedenheit widersprochen werden“

Die Kritik an der Einladung bezeichnet Carsten Brosda als „sehr verständlich“. Es sei notwendig, die Einladung einer Rednerin mit dieser Haltung zu hinterfragen. „Den antisemitischen Äußerungen von Zamzam Ibrahim muss mit aller Entschiedenheit widersprochen werden“, so Brosda.

Bei dem dreitätigen – überwiegend künstlerischen – Klimaschwerpunkt, so der Senator, handele es sich nicht um eine explizit von der Behörde für Kultur und Medien geförderte Veranstaltung. Die Förderung sei auf Basis einer Jury-Entscheidung durch den Elbkulturfonds zustande gekommen. Der Staat dürfe über gesetzliche Regelungen hinaus keine Vorgaben zur inhaltlichen kulturellen Programmgestaltung unternehmen, die die künstlerische und programmliche Freiheit einschränken. Brosda setzt viel mehr auf eine Stärkung der „Sensibilität“ und der „Verantwortungsbereitschaft“ der Kultureinrichtungen.

Mehr zum Thema

Irritiert zeigt sich der Kultursenator darüber, dass der Antisemitismusbeauftragte zu dem Vorgang nicht das direkte Gespräch mit ihm gesucht habe. Hensel hatte ihm vorgeworfen, sich nicht öffentlich zu distanzieren und dies als „politische Bankrotterklärung“ bezeichnet.