Hamburg. Die Flötistin und Saxofonistin Clémence Manachère bekommt den Werner Burkhardt Musikpreis. Welche Alben sie besonders geprägt haben.
Eine verdiente Auszeichnung: Am 25. Januar erhält die Flötistin und Sopransaxofonistin Clémence Manachère in der Jazzhall der Musikhochschule den mit 7500 Euro dotierten Werner Burkhardt Musikpreis 2024 der Hamburgischen Kulturstiftung. Eine durchaus naheliegende Wahl der Jury, ist die 35-jährige Französin doch nicht nur fester Bestandteil der Hamburger Jazzszene, ihre Klangsprache ist auch unverwechselbar.
Clémence Manachère: Warum die Jazzpreisträgerin Brasilien und Janis Joplin liebt
Sie erschaffe „in ihren innovativen, komplexen Kompositionen und in ihrer klaren Spielweise so kraftvolle wie fein strukturierte Tonwelten“, heißt es in der Begründung zur Preisvergabe. „Ihre Herangehensweise ist international geprägt und vom Mainstream unbeirrt, ihr Klangbild ist reich und selbst in seinen abstrakten Zonen beseelt. Ihre Musik ist farbenprächtig, in ihrer Eigenheit unverwechselbar.“
Bereits im Alter von neun Jahren begann Clémence Manachère zunächst mit dem Pianospiel und besuchte das Konservatorium im französischen Pau. Später nahm sie an Nachwuchs-Workshops teil und entdecke dort ihre Liebe zum Jazz, zur Flöte und auch zum Saxofon. Sie studierte Architektur in Toulouse, Mexiko-Stadt und Paris, lebte vier Monate in Brasilien und war schließlich von 2017 bis 2022 Studentin in den Fächern Jazzflöte und Sopransaxofon an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater. Bislang sind zwei Alben ihrer Band Unterwasser erschienen, das dritte folgt in diesem April. Im Abendblatt-Gespräch erzählt Clémence Manachère von den Platten, die sie von ihrer Jugend bis heute besonders geprägt haben.
Michel Petrucciani: „Solo Live“
„Ich war ungefähr 15 als ich ,Solo Live‘ zum ersten Mal gehört habe. Zwar liefen bei Autofahrten mit meinen Eltern auch häufig Chansons, doch wirklich beindruckt hat mich die hochenergetische Live-Aufnahme dieses so lyrischen Pianisten. Ich liebe die schönen Melodien, etwa in einem Stück wie ,Besame Mucho‘, bei dem der Zugang als Hörerin natürlich viel leichter ist, als bei einer freien Improvisation. Meine allererste Jazzplatte hat mir mein älterer Bruder geschenkt, eine Zusammenstellung von Charlie-Parker-Stücken. Die besitze ich auch immer noch.“
Return To Forever: „Light As A Feather“
„Das erste Studioalbum von Chick Coreas Band aus dem Jahr 1973. Darauf spielt Flötist Joe Farrell, der mich sehr beeinflusst hat. Dass ich überhaupt zur Flöte gekommen bin, habe ich allerdings nicht ihm, sondern einer Flötistin zu verdanken, die ich als Jugendliche beim Workshop ,Les enfants du Jazz‘ hörte. Mich hat der Klang der Flöte in einem Jazzkontext total fasziniert. Danach habe ich mir die erste eigene Flöte gekauft.“
„Keith Jarrett kann am Piano eine ganz eigene Welt erschaffen“
Steve Reich: „Music For 18 Musicians“
„Ich habe ja auch Architektur studiert und vielleicht gefällt mir deshalb bei dieser Minimal-Music-Komposition von Steve Reich ganz besonders die transparente Struktur. Ein Stück, das sich sehr klar und gezielt weiterbewegt, es hat geradezu etwas tranceartiges, ist wie ein musikalischer Trip.“
Keith Jarrett: „The Köln Concert“ und „Belonging“
„Dieser Mann ist ein Genie, er hat eine unfassbare Leichtigkeit. Das ,Köln Concert‘ habe ich als Teenager sehr häufig gehört; unglaublich, wie Keith Jarrett nur mit seinem Piano eine ganz eigene Welt erschafft. Es ist ja alles frei improvisiert und doch klingt es wie eine ausgeschriebene Komposition. Musik, die aus dem Moment entsteht – für mich ein Vorbild. Bei ,Belonging‘ liebe ich das freie Zusammenspiel der Musiker und natürlich den völlig einzigartigen Klang von Jan Garbareks Saxofon. Immer wieder beeindruckend, wie die Musiker auf dieser Quartettaufnahme zusammenfinden.“
Tom Jobim: „Edu & Tom“
„Schon als Jugendliche war ich von brasilianscher Musik begeistert. Nicht nur von Tom Jobim, sondern auch vom Gitarristen Egberto Gismonti. Die Duo-Platte, die Tom Jobim gemeinsam mit Sänger Edu Lobo aufgenommen hat, begleitet mich schon lange, und grundsätzlich gilt für die Musik Brasiliens, dass sie vielleicht im ersten Moment mit ihren vielen verschlungenen Linien chaotisch erscheint, tatsächlich aber eine sehr klare Form hat. Besonders fasziniert war ich schon damals vom Zusammenspiel zwischen Schlagzeuger und Percussionist, etwas, das bis heute nachwirkt, denn in meiner aktuellen Band spiele ich ja auch mit zwei Schlagzeugern, um eine spezielle Spannung zu erzeugen. Vor zehn Jahren war ich für einige Zeit in Brasilien. Es war sehr eindrucksvoll, dort zu erleben, wie das Konzertpublikum reagiert, wie es tanzt, singt, Teil des Ganzen wird. Einfach großartig!“
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Ornette Coleman & Joachim Kühn: „Colors – Live From Leipzig“
„Ich liebe die ungeheure Wildheit, die Ornette Coleman ausstrahlt. Hier ist er gemeinsam mit dem Pianisten Joachim Kühn zu hören. Coleman war völlig frei in seinem Kopf, in seinem Spiel. Ein Saxofonist, der mich immer wieder beeindruckt und der mich stark beeinflusst hat. Es ist vielleicht ein wenig überraschend, dass in meiner Auflistung keine Rock- und Pop-Platten auftauchen, die viele ja zumindest in ihrer Jugend gehört haben, aber abgesehen von einzelnen Stücken, die ich natürlich mag, waren Rock und Pop für mich tatsächlich nie sehr wichtig. Abgesehen von Janis Joplin – ihre krasse weibliche Energie begeistert mich bis heute.“
Preisverleihung mit Preisträgerkonzert Do 25.1., 19 Uhr, Jazzhall in der Hochschule für Musik und Theater, Harvestehuder Weg 12, Eintritt frei, Anmeldung per Mail an veranstaltungen@kulturstiftung-hh.de