Hamburg. Axel Milbergs Kommissar Borowski im Einsatz gegen das Böse: Es geht um einen toten Säugling im Festival-Dorf. Ausgerechnet.
Für sensible Menschen ist gerade der Auftakt dieses „Tatorts“ nichts. Da liegt ein toter Säugling im Gras. Kann man sich kaum anschauen. Der Kieler Kommissar Borowski (Axel Milberg) bricht dafür seinen Urlaub ab und reist nach Wacken zu seiner bereits ermittelnden Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik). Beim Baby fand sich ein Wacken-Bändchen, deswegen die in Kiel gestartete Überlandfahrt.
In der Folge „Borowski und das unschuldige Kind von Wacken“ (Regie: Ayse Polat, Drehbuch: Agnes Pluch) geht Axel Milberg zum vorletzten Mal auf Verbrecherjagd, die allerletzte Folge soll Ende 2024 laufen. Im aktuellen Fall ist zunächst nicht klar, welche Art von Verbrechen vorliegt: Der Säugling war eine Frühgeburt und nicht gesund, weist aber auch eine Kopfverletzung auf. Von seiner Mutter gibt es keine Spur. Früh erhärtet sich der Verdacht, dass sie einen Liebhaber im Ort gehabt haben könnte.
„Tatort“ vom NDR, diesmal aus Wacken: Eine Kieler Überlandfahrt
Dieser Ort ist Wacken, Walhall der Rockfans, und fest im Griff des Festivals. Es ist kurz vor Beginn dieses Festivals, was szenisch nach Kräften ausgebeutet wird: Es laufen immer wieder geschminkte Kuttenträger durchs Bild. Auf dem Gelände wird aufgebaut, natürlich machen die Ermittler einen Abstecher dorthin. Die Dorfpolizistin Waltraute Jensen (Regine Hentschel) leistet ihnen dabei Gesellschaft. Waltraute Jensen: „Mein Vater war Wagner-Anhänger, leider, ich steh auf Metal.“ Borowski: „Wagner und Wacken passt doch gut zusammen.“
Dies ist, nun denn, ein Musik-„Tatort“. Borowski hört zwar lieber NDR1, aber im Hintergrund dieses Krimis rattern Gitarrenriffs, und es gibt allerlei Geschrei (dort, wo bei normaler Musik gesungen wird). Was soll das ganze Wacken-Gedöns? Die Kulisse wirkt auf beinah lächerliche Weise aufgesetzt, wo sich doch sonst langsam ein spannend inszeniertes Familiendrama aus der fett mit bemühter Wacken-Folklore (Mila Sahin: „Ganz schön was los hier“) angereicherten Handlung schält.
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NDR „Tatort“ zeigt Dorfgemeinschaft als geschlossenes System
Gut, Lenny, der einsame Metalhead mit Podcast und Bluthochdruck, ist als klischee-triefende Figur natürlich eine Schau. Seine Mutter ist Wachtmeisterin Waltraute. Auch andere Frauen hier haben Kinder oder Ehemänner, die als Vater des toten Kindes infrage kommen.
In der Enge der Dorfgemeinschaft glaubt jeder, die Geheimnisse des anderen zu kennen. Es ist alles ein geschlossenes System: Eine andere Mutter (Bärbel Schwarz) der Metal-Nachwuchshoffnung verdient ihr Geld tatsächlich als Bestatterin. Wie könnte der Filius also auch nur theoretisch auf ein anderes Lebenskonzept als Metal kommen?
„Tatort“ mit Axel Milberg: Es geht um einen toten Säugling
Mehr als eine Spur führt nach Osteuropa, vor allem, weil die zuletzt mit dem Baby gesichtete Frau aus Polen nach Deutschland gekommen ist. Sarah (Anja Schneider) und Kurt Stindt (überzeugend: Andreas Döhler), die ein Lebensmittelgeschäft und eine Metalbar betreiben, sehen derweil der Geburt ihres ersten Kindes entgegen. Hier ist das Drama um Babywunsch und Familiengründung angesiedelt, für das es den ganzen Metal-Überbau wirklich gar nicht gebraucht hätte.
Aber die Attraktivität des Metal-Dorfes, dem der Tod dank der dunklen Seite dieses Musikgenres immer im Sommer seine Aufwartung macht, war wohl zu groß, um ihr drehbuchmäßig nicht zu erliegen. Putzig zu sehen, wie Borowski dem Krach größtmögliches Interesse entgegenzubringen bemüht ist. Es gibt Szenen vom realen Festival selbst beziehungsweise den Tagen davor. Am trockenen Wetter ist unschwer zu erkennen, dass die Dreharbeiten 2022 und nicht im höllischen Regenguss-Sommer 2023 stattfanden. Außer in Wacken wurde in Witzhave, Roseburg, Walksfelde und in Hamburg gedreht.
Auch die Fachpostille „Metal Hammer“ kündigt auf ihrer Onlineseite den neuen Schleswig-Holstein-„Tatort“ übrigens an. Mal sehen, was die wirklichen Metal-Hörer zu ihren Krimi-Entsprechungen sagen. Vermutlich lieber nicht allzu viel.
„Tatort: Borowski und das unschuldige Kind von Wacken“ läuft am 26.11., 20.15 Uhr, im Ersten