Hamburg. Philippe Herreweghe kann viel mehr als nur sein Handwerk. In den Großen Saal kam er mit seinem Orchestre des Champs-Élysées.
Was genau beim Dirigieren passiert und eine gelungene Aufführung ausmacht: Das gehört zu den spannendsten Rätseln der klassischen Musik. Ja, es hat schon viel mit handwerklichen Dingen wie einer möglichst klaren und sauberen Schlagtechnik zu tun. Aber es gibt auch andere Wege, seine Ideen umzusetzen. Frag nach bei Philippe Herreweghe. Der flämische Maestro, seit über 50 Jahren im Geschäft, interessiert sich nur am Rande für das, was ein schulmäßiges Dirigat ausmacht.
Er verzichtet auf einen Taktstock und große Gesten. Leicht nach vorn gebeugt steht er auf dem Pult im Großen Saal der Elbphilharmonie, kreist tiefenentspannt mit den Händen – und sein Ensemble spielt Mozarts Haffner-Sinfonie trotzdem präzise und voller Esprit. Das von ihm selbst gegründete Orchestre des Champs-Élysées hat Herreweghes Handschrift in der DNA. Den feinen Streicherklang, der die Farben der historischen Blasinstrumente so warm durchleuchten lässt. Die Sorgfalt in der Artikulation. Und die Eleganz, mit der die Läufe durch die Stimmen rauschen. Mozarts Sinfonie ist hier vor allem geistreiche, unbeschwerte Unterhaltung.
Elbphilharmonie: Eine leichte Bewegung mit der rechten Hand reicht völlig aus
Nur in den nebligen Passagen deutet sich schon eine Vorahnung jener düsteren Atmosphäre an, die das Hauptwerk des Abends prägt: Mozarts Requiem.
Auch da betreibt Herreweghe minimalen dirigentischen Aufwand, um das vorher Erprobte abzurufen. Und sein famoser Chor, das Collegium Vocale Gent, weiß ihn zu lesen. Eine leichte Bewegung mit der rechten Hand reicht völlig aus, um den Text plastischer zu machen. Und für die Steigerung im Offertorium braucht Herreweghe nur ein bisschen die Arme zu öffnen – als kaum merkliches Startsignal für ein packendes Crescendo.
Elbphilharmonie: Schnell vergessene Spannungsdellen
Das Collegium Vocale singt mit dem gewohnt weichen Klang, gekrönt vom strahlenden Sound der Soprane. Das Solistenquartett rundet den Gesamteindruck ab; auch da setzt der Sopran in Gestalt von Mari Eriksmoen die Glanzpunkte.
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Vielleicht hätte das Requiem mehr Dramatik vertragen, etwa im Confutatis, in dem Mozart die Flammen des Höllenfeuers lodern lässt. Aber wenn die Frauenstimmen dann beim „Voca me“ so himmelszart zur Wohnung der Seligen rufen, dass der Klang ganz zart die Seele streift, sind solche kleinen Spannungsdellen schnell wieder vergessen.