Hamburg. Am 8. Dezember tritt der Rammstein-Sänger in der ausverkauften Sporthalle auf. Nun wird in einem offenen Brief die Absage gefordert.

Seit zwei Wochen ist Rammstein-Sänger Till Lindemann auf Solo-Tournee mit seinem Album „Zunge“ (Charts-Platz 15), und die bisherigen Auftritte zeigen, dass der Skandal-Sommer mit Missbrauchsvorwürfen und begleitender Berichterstattung noch nicht vorbei ist.

Vor dem Gesetz ist Till Lindemann unschuldig, alle Verfahren wurden eingestellt. Trotzdem kam es bei seinen Konzerten in Leipzig, Düsseldorf und Bamberg zu Protesten von linken und feministischen Initiativen. Bis zu 200 Demonstrierende forderten neben dem generellen Kampf gegen Sexismus in der Musikindustrie die Absage der Konzerte Lindemanns. Ein Auftritt am vergangenen Sonnabend in Kassel wurde tatsächlich abgesagt. Grund sei „unzureichender Brandschutz in der Spielstätte“, der renovierten Nordhessen-Arena.

„Keine Show für Lindemann“ steht auf einem Schild während einer Protestkundgebung an der Arena Leipzig beim Auftakt von Lindemanns Tour am 8. November 2023.
„Keine Show für Lindemann“ steht auf einem Schild während einer Protestkundgebung an der Arena Leipzig beim Auftakt von Lindemanns Tour am 8. November 2023. © picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Auch in Hamburg formiert sich Widerstand gegen die ausverkaufte Show am 8. Dezember in der Sporthalle vor 7000 Fans. Aktivistinnen und Aktivisten der Initiative „Keine Show für Täter Hamburg“ fordern in einem offenen Brief auf Instagram an das Bezirksamt Hamburg-Nord als Eigentümerin der Sporthalle, den Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher sowie den Hamburger Senat die Absage der Tour und des Konzerts in der Sporthalle.

Keine Shows für Till: Absage von R. Kelly dient als Fallbeispiel

Die Aktion kritisiert vor allem das „perfide System der Rekrutierung nach vermeintlichen Sexpartner/-innen für Lindemann“ und sieht die Einstellung oder Nichteinleitung aller Verfahren als Folge des öffentlichen und juristischen Drucks auf mutmaßliche Opfer: „Wir glauben den Betroffenen“, heißt es in dem offenen Brief, und „Rammsteins und Lindemanns Konzerte sind kein sicherer Ort für FLINTA*-Personen“ (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans- und agender Personen).

Als Handlungsanregung an die Behörden verweist der offene Brief auf das Konzert von US-Sänger R. Kelly im April 2019 in der Sporthalle. Damals hatte sich der Veranstalter „letztlich dem drängenden Wunsch“ des Bezirksamts Hamburg-Nord gebeugt und das Konzert abgesagt, wie ein Sprecher der Behörde damals mitteilte.

Ein Verbot des Konzerts oder eine einseitige Kündigung des Vertrags hätte Schadensersatzforderungen zulasten der Steuerzahler bedeutet. Allerdings lief gegen R. Kelly zum Zeitpunkt seines Hamburger Konzerts bereits ein Verfahren des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger in neun Fällen. 2022 wurde er zu 30 Jahren Haft verurteilt.

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Dass das Hamburger Konzert von Till Lindemann abgesagt wird, ist jedenfalls unwahrscheinlich. Mit knapp über 400 Followern ist der öffentliche Rückhalt für „Keine Show für Täter Hamburg“ und ihre Aktion „keine Shows für Till“ bislang überschaubar. Das zeigte bereits ein Aufruf der Initiative gegen das Konzert der Rostocker Punkband Feine Sahne Fischfilet (nach anonymen Vorwürfen gegen Sänger Jan „Monchi“ Gorkow 2022) im August dieses Jahres: 10.000 Fans feierten unbeeindruckt und ungestört auf dem Großmarktgelände.