Hamburg. Das Orchester glänzte bei seinem Auftritt mit Werken von Price, Beach und Haydn. Und erlaubte sich am Ende einen Spaß.

Lange, viel zu lange, waren die Grenzen des Klassik-Repertoires eng gesteckt: Einlass (fast) nur für Musik von Menschen, die männlich sind und weiß. Doch vor allem in den letzten Jahren hat sich was getan. Die Programme sind endlich durchlässiger geworden. Dieser Trend spiegelte sich im Konzert der Hamburger Camerata, die in der Laeiszhalle Werke von Florence Price und Amy Beach ins Zentrum rückte.

Hamburger Camerata: Pianistin spielte bei Konzert in Laeiszhalle fein und differenziert

Die höchst begabte Beach, Jahrgang 1867, hatte sich allen Widerständen zum Trotz als erste international renommierte Komponistin aus den USA etabliert und rund dreihundert Werke geschrieben. Darunter auch ihr herrliches Klavierkonzert. Ein spätromantisches Stück, mit allem, was das Publikumsherz begehrt. Weite Spannungsbögen. Kontraste, von Wehmut bis zum perlenden Groove. Und breit ausschwelgende Melodien, von virtuosen Kaskaden umrauscht.

Die Pianistin Zlata Chochieva spielte das alles wunderbar fein und differenziert. Wie sie am Flügel saß, ganz auf die Musik fokussiert, und ohne große Gesten: Das hatte etwas sehr Intimes. Passend zum persönlichen Ton des Stücks, in dem Beach eigene Lieder zitiert. Manchmal, in den lyrischen Momenten, schien Chochieva die Tasten mit den Händen zu liebkosen.

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Diese Aura strahlte auf das Orchester ab. Die Hamburger Camerata begleitete sensibel, geführt vom Dirigenten Vilmantas Kaliunas, der die Solistin immer im Schulterblick hatte. Sehr schön, sehr stimmig, das Ganze. Einziger Einwand: Manchmal hätte Chochieva kräftiger zupacken können. So wie kurz vor Schluss, als sie eine Basspassage in die Tasten meißelte.

Klavierkonzert von Amy Beach in Laeiszhalle sollte öfter gespielt werden

Auch solche rauen Farben kennt das Klavierkonzert von Amy Beach. Es darf bitte gern viel öfter auf den Programmen stehen. Ebenso wie die Werke der afroamerikanischen Komponistin Florence Price, die zu den großen Wiederentdeckungen der letzten Jahre gehört. Mit dem Andante aus ihrem ersten Quartett, arrangiert für Streichorchester, deutete die Camerata eine von Price‘ besonderen Stärken an: Die Gabe, auf engstem Raum Nostalgie und tänzerischen Schwung zusammenzubringen.

Das Programm rahmte die Musik von Price und Beach mit Kompositionen ihrer Kollegen Haydn und Mozart – und präsentierte nicht zufällig Werke der beiden, die ihrerseits starre Strukturen infrage stellen. Durch die Ouvertüre zum „Figaro“ weht schon der aufrührerische Geist, mit dem Mozarts Oper die Macht des Adels kritisiert. Diese Unruhe belebte Vilmantas Kaliunas mit der Camerata charmant und spritzig – auch wenn man sich die wirbelnden Figuren noch präziser artikuliert vorstellen könnte.

Hamburger Camerata begeistern mit humorvoller Inszenierung

Haydns „Abschiedssinfonie“ nimmt einen gegenteiligen Energieverlauf. Die Musik klingt stellenweise ermüdet und leer, als hätte jemand den Stecker gezogen. Genau diese Botschaft wollte Haydn seinem Dienstherrn, dem Fürsten Esterházy, auch vermitteln: dass er und seine Hofkapelle dringend mal Urlaub brauchen. Deshalb dünnt er das Orchester im abschließenden Adagio aus, lässt die Musiker nach und nach abtreten.

Die Mitglieder der Camerata setzen das sehr hübsch um. Eine Hornistin greift sich eine Pulle Sekt, stößt schonmal auf den Feierabend an. Die exzellente Konzertmeisterin gähnt und lümmelt auf ihrem Stuhl – bevor sie die letzten Töne beim Herausgehen streicht. Ein witziger sinfonischer Streik. Großer Jubel für Haydns Humor, die Interpreten und ein tolles Programm.