Hamburg. Anke Engelke und Iris Berben präsentierten ein Programm voller High-End-Humor. Von Hamburg waren sie enttäuscht. Kurz.

Das Wesen der Komik, wie sieht es aus, wo kommt es her? Großes Thema. Verhandelbar auch auf dem Harbour Front Literaturfestival, dann aber unter konsequenter Umgehung der Komik-Unterart mit Namen Comedy. Man durfte davon ausgehen, dass das metropolisch-hochkulturell geschulte Publikum des Schauspielhauses genau diesen Verzicht erwartet hatte.

Iris Berben und Anke Engelke hatten sich angesagt, als Wächterinnen des stilvollen Lachens, siedelnd zwischen coolem Spätergeborenen-Eingeweihtsein und augenzwinkernder Tantenhaftigkeit. Jedenfalls gaben sie, durchaus mit Erfolg, am Sonnabendabend im ausverkauften Schauspielhaus die superkultivierten Damen der Humorbrigade. Idee: Lachen, nicht Schenkelklopfen. Unterhaltung mit Niveau und gelegentlich gar Raffinesse. Oder nee, nicht gelegentlich. Es ging absolut um High-End-Humor.

Iris Berben und Anke Engelke im Schauspielhaus: Alte Stoffe aus der Literaturgeschichte

Dargeboten von zwei aufeinander abgestimmten Profis, sie hatten für den Hamburger Abend ja schon trainiert, es war jedenfalls keine Uraufführung. Am Freitagabend noch hatte das heimische Ensemble den „Anthropolis“-Kickoff hingelegt, das war so mal was ganz Neues. Mit alten Stoffen.

Anke Engelke kann Komik auch mit „der Entsinnung des Sinns“ erklären.
Anke Engelke kann Komik auch mit „der Entsinnung des Sinns“ erklären. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Die gab es auch bei Berben/Engelke. In Mengen. Das musste so sein, schließlich ist Harbour Front ein Literaturfestival: Man musste da schon die Literatur- und Geistesgeschichte zitieren. Also: Voltaire, Dante, Umberto Eco, Ringelnatz, Robert Gernhardt. Humorrezeptoren springen da aber jeweils in unterschiedlichem Maße an, wo Streberwissen gefragt ist oder die in der Gegenwart meist vorherrschende Deutlichkeit die Empfänglichkeit für feinnervigeren Witz trübt. So auch im Schauspielhaus.

Schauspielhaus: Laute Komik wurde nicht geboten

„Fast alles ist komisch, muss aber nicht von jedem so gesehen werden“, fasste Anke Engelke die auf der Bühne in einem kühnen 90-Minuten-Ritt durchpflügte Kulturgeschichte der Komik ganz am Schluss zusammen.

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Dass früh auf die zweite Bedeutungsebene von „komisch“, das „seltsam“, abgehoben wurde, gab dem Abend das völlig richtige Framing. Denn umstandslose bzw. laute Komik war in dieser Veranstaltung nicht zu haben, manch einem mag der Hintersinn bisweilen ein bisschen zu hintersinnig gewesen sein. Wer allerdings kabarettgeübt ist, kam voll auf seine Kosten.

Fatalerweise wurde bei einer üblen Fips-Asmussen-Zote am heftigsten gelacht (Engelke: „Hamburg, das ist enttäuschend“), aber jener Gossenhumor diente lediglich der Markierung der verbotenen Zone. Sie wurde nicht mehr betreten.

Engelke und Berben waren bei einer szenischen Lesung von Monty Python in ihrem Element

Weder in den szenischen Lesungen – Monty Python, Voltaire – der beiden hervorragenden Vortragenden noch in ihren Anekdoten. Wobei sich Engelke und Berben, die in dem Hamburger Theater erkenn- und hörbar vor Fans auftraten, mit Letzteren zurückhielten.

Lieber förderten sie (auch unter Mithilfe von Kabarettautor Thomas Lienenlüke, der für das Konzept der Show verantwortlich ist) zutage, was sie in den Texten derer fanden, die aufs Lachen welcher Art auch immer spezialisiert sind – im Zweifel das mit Anspruch. Da war manch Entlegenes dabei, etwa die deutsche Lyrikerin Friederike Kempner (1828–1904), deren Gedichte zu ihren Lebzeiten schon für ihre unfreiwillige Komik berühmt waren.

Iris Berben trug auch eine persönliche Anekdote vor. In New York wurde sie für eine Prostituierte gehalten. Sie drehte einen Film.
Iris Berben trug auch eine persönliche Anekdote vor. In New York wurde sie für eine Prostituierte gehalten. Sie drehte einen Film. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Harbour Front Festival: Gut, dass das delikate Humor-Fass aufgemacht wurde

Dass es auch im humoristischen Fach lange ein Geschlechterparadox gab, also kaum bis gar keine weibliche Präsenz, ist Rollenbildern geschuldet. Lustige Frauen galten, erklärten die Damen auf der Bühne, die einmal – mit Unterton! – die Bezeichnung „Ulknudel“ für sich ins Gespräch brachten, lustige Frauen also galten lange als „unschicklich“. Wie albern.

Wenn man ermessen will, wie dieser sicher nicht sensationelle, so doch spezielle Festivalabend in seiner komischen Flughöhe insgesamt war, dann muss man Kurt Schwitters, Hans Arp und die Neue Frankfurter Schule nennen. Helden der Avantgarde, Dichter des Dada, Sprachspieler, bei denen „der Sinn in der Entsinnung des Textes“ liege (Engelke). Sie alle finden Platz im Programm der am Ende heftig beklatschten Iris Berben und Anke Engelke, den kundigen Führerinnen durch das Reich der komischen Literatur.

Natürlich könnte der ein oder andere noch auf ganz andere Komikschätze stoßen als die dargebotenen. Das Riesenfass Humor hat keinen Boden. Gut, dass es auf dem Literaturfestival in dieser delikaten Form aufgemacht wurde.