Rotherbaum. 2019 gelang dem damaligen Präsidenten Dieter Lenzen und den Forschenden der Hochschule ein Triumph. Was die Uni dafür bekommt.

Er weiß erst seit Kurzem von der Sensation. Doch Dieter Lenzen lässt sich nichts anmerken, als er in einem hellblauen Anzug ans Rednerpult tritt. Es ist 16 Uhr am 19. Juli 2019; neben dem Hochschulchef hat sich Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) postiert. „Ich darf ihnen sagen“, erklärt Lenzen vor etwa 150 Wissenschaftlern und Gästen, die ihn gespannt anblicken, „dass die Universität Hamburg seit einer Minute, wenn sie so wollen, Exzellenzuniversität ist“.

In dem Saal der Uni-Präsidialverwaltung am Mittelweg 177 in Rotherbaum bricht Jubel aus; es regnet Konfetti, Sektkorken knallen. Hände recken sich in die Höhe, Menschen fallen einander in die Arme, einige haben Tränen in den Augen. Eines, ruft Lenzen, wolle er künftig nie wieder hören: dass seine Hochschule eine mittelmäßige Massen-Uni sei.

Uni Hamburg: Hamburgs größte Hochschule darf sich „Exzellenzuniversität“ nennen

Peter Tschentscher würdigt Lenzen als Kopf der Strategie auf dem Weg zum Titel. „Chapeau – das war ein Meisterstück“, sagt der Bürgermeister – und dankt der Universität und ihrem Präsidenten „im Namen der ganzen Stadt“.

In Bonn ist währenddessen Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) „völlig aus dem Häuschen“. Dort verkünden zeitgleich in einer via YouTube übertragenen Pressekonferenz die damalige Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) und Vertreter der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaftsrats, wie die dritte Runde des Bund-Länder-Wettbewerbs namens „Exzellenzstrategie“ ausgegangen ist.

Es konkurrieren 19 Anträge von Universitäten aus dem ganzen Bundesgebiet miteinander – aber nur elf können das Rennen machen.

Katharina Fegebank: „Der Erfolg ist uns nicht in den Schoß gefallen“

Um die Gewinner zu küren, hatte zunächst ein Expertengremium aus 39 hochrangigen Forschenden über die Bewerbungen diskutiert – und dabei Eindrücke der Vor-Ort-Besuche bei allen antragstellenden Unis einfließen lassen.

Auf dieses Treffen folgt die Abstimmung in der Exzellenzkommission, in der neben den 39 Forschenden die Bundesforschungsministerin und die 16 Wissenschaftsminister und -ministerinnen der Länder sitzen – unter ihnen Katharina Fegebank.

„Vor der Entscheidung war ich sehr aufgeregt, danach war das Glücksgefühl umso größer“, erzählt sie. Die Senatorin telefoniert mit dem Uni-Chef, übermittelt dann schriftlich aus Bonn ihre Glückwünsche.

Zu den Besten des Landes zu gehören, sei eine große Freude und Ehre zugleich. „Der Erfolg ist uns aber nicht in den Schoß gefallen, wir haben ihn uns gemeinsam hart erarbeitet“, sagt Fegebank. Sie dankt allen Beteiligten, „zuvorderst Dieter Lenzen“.

Uni Hamburg feiert Exzellenztitel in ihrem Jubiläumsjahr

Der Triumph gelingt 100 Jahre nach der Gründung der Universität Hamburg. Schöner kann ein Jubiläum wohl kaum ausfallen. Für Hamburg ist es ein Durchbruch: Die Kaufmannsmetropole steigt an diesem Tag in die erste Liga der deutschen Hochschulstandorte auf. „Diese Entscheidung macht auch etwas mit der Stadt – fördert das Selbstvertrauen und das Selbstverständnis als Wissenschaftsmetropole“, sagt Fegebank.

Bereits im Herbst 2018 hatte die Uni in der ersten Runde der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder überraschend den Förderzuschlag für gleich vier interdisziplinäre Forschungsverbünde erhalten – von den allein auftretenden Bewerbern schnitt nur Bonn mit sechs „Exzellenzclustern“ noch besser ab.

Mindestens zwei Cluster mussten die Hochschulen gewinnen, um sich fürs Finale zu qualifizieren. Für die vier Hamburger Exzellenzcluster, in denen es um Astrophysik, Klimaforschung, Photonenwissenschaft und Schriftartefakte geht, erhält die Uni insgesamt etwa 164 Millionen Euro, verteilt über sieben Jahre.

Exzellenztitel beschert Uni Hamburg insgesamt 77 Millionen Euro

Mit dem Exzellenz-Titel kommt eine jährliche Förderung von etwa elf Millionen Euro bis 2027 hinzu, insgesamt sind das 77 Millionen Euro. Mit diesem Geld hat die Hochschule bis Mitte 2023 mehr als 500 Personen und Projekte, zwölf zusätzliche Professorinnen und Professoren und Zentren zu den Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Transfer gefördert.

Wie die Erfolge einzuordnen sind, zeigt ein Blick zurück. Zum Start des damals noch Exzellenzinitiative genannten Wettbewerbs bekam die Uni 2007 den Zuschlag für einen Exzellenzcluster zur Klimaforschung; 2012 punktete die Hochschule zusätzlich mit dem Konzept für einen zweiten Cluster: das Hamburg Centre for Ultrafast Imaging, in dem es um die Bewegungen von Atomen und Molekülen geht. Im Rennen um den Exzellenztitel schied die Uni damals aber vorzeitig aus.

Vorbereitung der Bewerbung: 14-Stunden-Arbeitstage für Uni-Mitarbeitende

In der dritten Runde bereiteten etwa drei Dutzend Mitarbeitende aus verschiedenen Hochschulabteilungen über Monate hinweg den Exzellenzantrag vor. Einige aus Lenzens engstem Mitarbeiterkreis machten für die von ihm so vehement vorangetriebene Mission viele Überstunden.

Zu den Strippenziehern im Hintergrund, deren Engagement der Präsident bei der Feier zum Gewinn des Elite-Titels besonders lobt, zählt etwa Ariane Neumann, damals Leiterin der neuen Abteilung Universitätsstrategie. Für die promovierte Politikwissenschaftlerin waren 14-Stunden-Arbeitstage die Regel seit dem Sommer 2018, als die Vorbereitungen für die Bewerbung als Exzellenzuniversität in die heiße Phase gingen.

Als mit dem Gewinn von vier Exzellenzclustern feststand, dass die Uni ihren Antrag schicken darf, legte sich Neumann noch mehr ins Zeug – ohne dass Lenzen dies verlangt habe, wie sie betonte. „Es ging nicht nur um einen Antrag. Wir wollten die Uni verändern, wollten der Welt zeigen, wie viele tolle Wissenschaftler hier arbeiten und dass diese Hochschule exzellent ist“, sagte Neumann. „Das hat ganz viele Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung angetrieben – und mich auch.“

Eine 39-köpfige Expertenkommission prüfte die Exzellenzanträge

Insgesamt 154 Seiten umfasste die Exzellenzbewerbung, wobei Neumann und ihre Mitstreitenden allein 86 Seiten mit Daten zu Hamburgs größter Hochschule füllten, von Kennzahlen zum Studium bis zur Spitzenforschung. Wie alle anderen Bewerber musste auch die Uni Hamburg ihren Antrag in einer deutschen und einer englischen Fassung schicken, weil der 39-köpfigen Expertenkommission, die alle Exzellenzanträge prüfte, auch erfahrene Wissenschaftler aus dem Ausland angehörten.

„Fünf Leute haben mit mir zusammen drei Tage lang von morgens bis in die Nacht hinein überprüft, ob die englische Version bis zur letzten Zahl exakt der deutschen Fassung entspricht“, erzählte Neumann.

Der Hamburger Senat begleitete die Bewerbung. Neben Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank machten sich vor allem Staatsrätin Eva Gümbel (Grüne) und Rolf Greve, Amtsleiter in der Wissenschaftsbehörde, für die Uni stark.

Uni-Präsident Dieter Lenzen führte schon die Freie Universität Berlin zum Titel

Für Uni-Chef Dieter Lenzen war es bereits der zweite Exzellenztitel: Er hatte schon die Freie Universität Berlin in der ersten Runde der Exzellenzinitiative zum Erfolg geführt. In der Hauptstadt hätte der Erziehungswissenschaftler anschließend eine vergleichsweise bequeme Zeit vor sich gehabt.

Doch reizvoller, als sich auf dem Triumph auszuruhen, erschien Lenzen die Herausforderung, ob sich Exzellenz auch erreichen ließe mit einem „zweiten Fall der Republik, der für ein Problem gehalten wurde“, wie er später dem Abendblatt erzählte.

Lenzen: „Es war in einem ganz erheblichen Maße ein Imageproblem“

Er ließ eine „Portfolio-Analyse“ erstellen – mit dem Ergebnis: Auch die Uni Hamburg hatte sich seiner Einschätzung nach unter Wert verkauft. „Es war in einem ganz erheblichen Maße ein Imageproblem“, sagte Lenzen. Nicht nur die Klimawissenschaftler, die schon Fördermittel für ein Exzellenzcluster erhielten, auch die Physiker betrieben längst Spitzenforschung.

Aus der Hochschule insgesamt habe sich viel machen lassen; sie sei „too big to fail“, wie der Uni-Chef es ausdrückte, zu groß, um nichts Bedeutendes erreichen zu können.

Lenzen, der sein Amt in Hamburg 2010 angetreten hatte, hängte jedes Jahr eine neue Losung in seinem Büro auf, die ihn und sein Team inspirieren sollte. Für 2019 wählte er das Motto: „Unicum iter ad supremum“ – Es gibt nur einen Weg zum Höchsten. Offensichtlich sind er und viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni den richtigen Weg gegangen.