Hamburg. Nach brutalem Angriff am Jungfernstieg wird erst jetzt mit Bildern gefahndet – warum es bei der Bedrohung im Rathaus schneller ging.
Fast exakt zwei Jahre hat es gedauert, bis die Strafverfolgungsbehörden nach einem brutalen Angriff auf einen 18-Jährigen am Jungfernstieg eine Öffentlichkeitsfahndung erwirkt haben. Für Dennis Thering, Fraktionsvorsitzender der CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft, wirft der lange Zeitraum zwischen Tat und Öffentlichkeitsfahndung Fragen auf.
Dass es auch anders geht, habe sich gezeigt, als es eine vermutete Bedrohungslage gegen Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher gab. In diesem Fall dauerte es nicht einmal eine Woche, bis öffentlich nach dem Verdächtigen gesucht wurde.
Polizei Hamburg: Fahndungsbild veröffentlicht – zwei Jahre nach Tat am Jungfernstieg
Worum es geht: Eigentlich lag bereits kurz nach der Tat in den frühen Morgenstunden des 28. August 2021 Videomaterial aus dem Bahnhof Jungfernstieg vor. Es zeigt einen Mann, der sich lässig an die Wand lehnt.
Es handelt sich nach Erkenntnissen der Ermittler um den Täter, der einen 18-Jährigen so stark gegen den Kopf trat, dass dessen Kiefer brach und er bewusstlos wurde. Das Opfer hatte zuvor versucht, einen Streit zwischen zwei Frauen und mehreren Männern zu schlichten.
Polizei Hamburg: Fahndungsfoto erst nach zwei Jahren veröffentlicht
Was dann passierte, zeigt die Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Politikers Thering auf. Erst ermittelte die Polizei gegen die Falschen. Bei weiteren Ermittlungen kam es zu Verzögerungen, auch weil Zeugen einfach nicht erschienen und teilweise polizeiliche Vorführungen auf Anordnung der Staatsanwaltschaft nötig waren. Dann wertete man die Handys von Zeugen aus. Auch das dauerte.
Als die Ermittlungen nichts brachten, wurde am 9. August 2023 die Öffentlichkeitsfahndung beantragt und am 16. August genehmigt. Erfolgt ist sie dann am 25. August – also zwei Wochen und zwei Tage nach dem Antrag auf Öffentlichkeitsfahndung.
Der Gesuchte soll 15 bis 20 Jahre alt und 1,75 bis 1,85 Meter groß und schlank sein. Er trug eine markante Umhängetasche in Camouflage-Optik und einen Brillant-Ohrring, teilte die Polizei mit.
Bei Bedrohung des Bürgermeisters ging es schneller
Thering vergleicht den Fall mit dem Vorgehen nach der Bedrohung des Bürgermeisters im Januar 2023. Eine Rathaus-Mitarbeiterin wollte einen Mann im Foyer gesehen haben, der eine Schusswaffe dabeigehabt haben könnte und nach Tschentscher fragte.
Hier verging zwischen dem Tattag und der Veröffentlichung einer Phantomskizze, für die dieselben Maßstäbe gelten wie für die Veröffentlichung eines Bildes, nicht einmal halb so viel Zeit, wie man nur bei dem Prozedere um die Veröffentlichung des Fotos des Schlägers vom Jungfernstieg brauchte.
Grundlage für die Entscheidung: Die Staatsanwaltschaft hatte bereits kurz nach dem Vorfall alle anderen Ermittlungsansätze als ausgeschöpft gesehen.
„Der Fall mit dem Bürgermeister zeigt, was geht, wenn man es will“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Es gibt anscheinend unheimlich viel Ermessensspielraum.“
Öffentlichkeitsfahndung nach zwei Jahren ohne Erfolg
Auf Jan Reinecke, Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), wirken die Fälle, als würde mit zweierlei Maß gemessen. „Wenn es bei einem Politiker so schnell und bei einem normalen jungen Mann so langsam geht, kann sich jeder seinen Teil dazu denken.“
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Die Öffentlichkeitsfahndung im Fall Jungfernstieg, in der ein zwei Jahre altes Foto von dem Gesuchten gezeigt wurde, lief bislang ins Leere. Er konnte bislang nicht identifiziert werden.
Polizei Hamburg: Schnelle Genugtuung für Opfer
„Gerade im Jugendstrafrecht ist es wichtig, dass die Strafe auf dem Fuße folgt“, sagt Dennis Thering. „Die Staatsanwaltschaft muss bei solchen Taten wie dem brutalen Angriff auf einen 18-jährigen Streitschlichter die Ermittlungen erheblich schneller vorantreiben.“
Auch wenn es gesetzlich vorgeschrieben sei, dass die Öffentlichkeitsfahndung nach Beschuldigten erst zulässig ist, wenn die Aufklärung der Straftat auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre, sei es gerade bei schweren Gewalttaten wie bei dem brutalen Angriff am Jungfernstieg inakzeptabel, wenn zwei Jahre vergehen, bis die Bilder aus der Überwachungskamera veröffentlicht werden. „Die Opfer derartiger Taten müssen schnellstmöglich Genugtuung erfahren und die Täter ihrer gerechten Strafe zugeführt werden“, so Thering.