Hamburg. Der Junge saß schon wegen Mordversuchs in U-Haft. Seitdem wird er dauerhaft von Beamten überwacht – und entkommt trotzdem.
Der von den Hamburger Behörden als hochgradig gefährlich eingestufte 14-Jährige wird nicht nur vom Familieninterventionsteam (FIT) „ununterbrochen“ betreut. Er wird auch von der Polizei Hamburg beschattet. Wie das Abendblatt erfuhr, observieren Polizeibeamte den Jugendlichen seit seiner Freilassung aus der Untersuchungshaft am 7. Juni rund um die Uhr. Zeitweise soll er sogar „außer Kontrolle“ gewesen sein, weil er den Kräften entwischte.
Polizei Hamburg observiert hochgefährlichen 14-Jährigen rund um die Uhr
Unter großem Personalaufwand hält die Polizei den Jungen zur Gefahrenabwehr unter ständiger Beobachtung. Der 14-Jährige soll eine hohe Affinität gegenüber Kindern zeigen und gilt als so gefährlich, dass ein richterlicher Beschluss für dieses Vorgehen erwirkt werden konnte. Grundlage für den Beschluss soll ein etwa 70 Seiten umfassendes Gutachten sein, das während dessen Untersuchungshaft über den 14-Jährigen verfasst wurde.
Der Jugendliche war im August vergangenen Jahres festgenommen worden, weil er einen Gleichaltrigen auf einem Grundstück am Rübenkamp an einen Baum gefesselt und mit Plastikfolie umwickelt haben soll. Dann soll er versucht haben, den Jungen zu strangulieren. Das Opfer entkam und alarmierte die Polizei.
Gefährlicher 14-Jähriger saß wegen mutmaßlichen Mordversuchs in U-Haft
Auf Anordnung eines Richters kam der 14-Jährige wegen des dringenden Tatverdachts in Untersuchungshaft. Dort soll er mehrfach durch Körperverletzungen aufgefallen sein. Weiblichen Justizangestellten habe er an die Brust gegriffen, er soll sich auch mehrfach entblößt haben. Doch Anfang Juni hat eine Jugendrichterin den Jungen von dem Vorwurf freigesprochen, ein versuchtes Tötungsdelikt an dem Gleichaltrigen begangen zu haben. Der Hauptbelastungszeuge war als unglaubwürdig eingestuft worden. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft nach dem Urteil Revision eingelegt.
Nach seiner Entlassung ist der Junge offenbar durch seltsames Verhalten gegenüber Kindern aufgefallen. So wurde er dabei beobachtet, wie er sich an den warmen Tagen an Planschbecken aufhielt, in denen kleine Kinder nackt badeten. Im Supermarkt nahm er angeblich Waren mit Abbildungen von Kindern an sich, um diese intensiv abzulecken. Erwachsene habe er mit der Frage verstört, warum man Kinder nicht entführen dürfe.
Grote über 14-Jährigen: „Haben immer wieder solche Fälle gehabt“
Auf der Landespressekonferenz am Dienstag versuchte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) den Fall als besonders, aber nicht einmalig darzustellen. „Wir haben ein sehr engmaschiges Netz, wo sich die Beteiligten immer wieder ganz konzentriert austauschen. Wir haben in den letzten Jahren auch immer wieder solche Fälle gehabt“, sagte Grote. Eine öffentliche Diskussion mache es nicht einfacher, eine Einrichtung für den Jungen zu finden, so Grote.
Polizei Hamburg: Kein Fall bekannt, bei dem es solch eine Maßnahme gab
Innerhalb der Polizei ist kein weiterer Fall bekannt, bei dem ein 14-Jähriger rund um die Uhr zur Gefahrenabwehr observiert wird. „Das hatten wir in der Vergangenheit in Einzelfällen bei entlassenen Sicherungsverwahrten mit einer negativen Prognose, oder bei Gefährdern im Zusammenhang mit Terrorismus“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.
„Für mich sieht es so aus, als würde man das Unvermögen, eine geeignete Unterbringung für den Jungen zu organisieren, auf dem Rücken der Polizei abladen“, kritisiert Jungfer das Vorgehen in dem schwierigen Fall. Die Polizei könne dann verantwortlich gemacht werden, „wenn etwas schiefgeht“.