Hamburg. Vier von fünf machen in Hamburg beim Protest mit. Warum weiter Medikamente fehlen und was Apotheker im Jahr verdienen.
Die Schilder und Plakate mit den Protest-Informationen hingen an vielen Hamburger Apotheken direkt am Eingang. Man konnte nicht zur Tür gehen, ohne die Slogans gelesen zu haben. „Unsere Apotheke bleibt heute geschlossen“ stand darauf – und das war doch nur halb richtig. Denn viele hatten zumindest am Mittwochvormittag geöffnet, ehe sie für einen halben Tag zusperrten und sich am bundesweiten Protest beteiligten. Der Notdienst funktionierte wie gewohnt. „Wir protestieren – auch für Sie!“, hieß es auf Transparenten. Das wiederum traf den Kern. Denn Apotheker wie Patientinnen und Patienten sind bei einem gesundheitsbedrohenden Thema im selben Boot: Die Medikamenten-Lieferengpässe betreffen beide Seiten.
Ob es die richtigen Antibiotika und Fiebersäfte für Kinder sind oder sogar Krebsmittel für schwer Erkrankte, die gesetzgeberischen Vorgaben von GesundheitsministerKarl Lauterbach (SPD) dürften die Lage mittelfristig nicht verbessern. „Wir hängen uns rein. Die Regierung lässt und hängen“, war ein weiterer Protestspruch. Die Hamburger Apotheker erklärten, sie forderten „einfache Regeln und ein faires Honorar“.
Apotheken in Hamburg: Vier von fünf machen bei Protest-Aktion mit
Der Vorsitzende des Apothekervereins, Jörn Graue, sagte: „Der Gesetzgeber hat in vielen Jahren den Apotheken eine Vielzahl nicht vergüteter Pflichten auferlegt, versagt ihnen jedoch die überlebensnotwendige Finanzierung. Das ist nicht mehr hinnehmbar.“ Das Honorar sei abgesehen von einer Anpassung im Jahr 2013 seit 20 Jahren unverändert. Lauterbach hatte erklärt, es gebe keine Spielräume für eine Anhebung.
Die Apotheker sagen: Eine eigenständige Apotheke zu betreiben, lohne sich nicht mehr, weil ein angestellter Apotheker inzwischen mehr verdiene. Für die Versorgung der Patienten habe das Auswirkungen, weil aus einigen Stadtteilen bereits mehrere Apotheken verschwunden seien. Und Online-Apotheken seien auch wegen fehlender Beratung und Kundennähe sowie mangelnder Sonderanfertigung von Rezepturen keine Alternative.
Fehlende Medikamente: Das ist der Grund für die Lieferengpässe
Nach einer Schätzung des Apothekervereins haben in Hamburg vier von fünf Apotheken beim Protest mitgemacht. Einige konnte nicht schließen, weil sie aufgrund ihrer Lage in Einkaufszentren und der mit der Miete dort verbundenen Regelungen zu bestimmten Öffnungszeiten verpflichtet sind.
Die Misere wird dadurch verstärkt, dass mehr als die Hälfte der Wirkstoffe wichtiger Arzneimittel in Europa nach Angaben der Apothekenvereinigung ABDA in Indien und China gefertigt wird. Schon seit Jahren lohnt sich die Medikamentenproduktion in Deutschland für die Unternehmen nicht mehr. Die Hersteller in Asien beliefern naturgemäß zunächst die meistzahlenden Kunden. Für viele Präparate sind die Preise, die hierzulande von den Krankenkassen erstattet werden, den Produzenten zu niedrig. Zudem gab es Produktionsausfälle aufgrund von Lockdowns.
Apotheker in Hamburg: 163.000 Euro Jahresergebnis vor Steuern
In Hamburg hatten sich wegen der Beschaffungskrise bei Medikamenten bereits regelrechte Netzwerke unter Apothekern und Kinderärzten gebildet. Sie telefonierten oder mailten und tauschten Bestände aus. In einigen Stadtteilen und Kitas haben auch Eltern untereinander begehrte Arzneimittel weitergereicht, solange sie noch haltbar waren.
Nach Verbandsangaben verblieb dem deutschen Durchschnitts-Apotheker im Jahr 2022 nach Abzug der Waren- und Personalkosten ein Betriebsergebnis vor Steuern von 163.000 Euro. Darin sind die Zuschüsse für Not- und Botendienste schon enthalten. Aus diesem Ergebnis müsse jedoch beispielsweise auch die Altersvorsorge finanziert werden.