Hamburg. Bestimmte Kitas in Hamburg müssen für das Spielen auf öffentlichen Flächen Gebühren entrichten. So viel verlangt die Sozialbehörde.
Kitas in Hamburg sollen künftig hohe Gebühren an die Stadt entrichten, wenn sie mit den von ihnen betreuten Kindern öffentliche Spielplätze nutzen. So sieht es eine neue Fachanweisung der Sozialbehörde vor. Betroffen sind die Kitas, die keine eigenen Außenflächen besitzen und daher mit den von ihnen betreuten Kindern städtische Anlagen besuchen. Einzelne Träger und die CDU sind empört, dass einige zuletzt oft überlastete Kitas nun auch noch zur Kasse gebeten werden sollen.
Die Sozialbehörde begründet die Entscheidung mit der Rechtslage und neueren Gerichtsurteilen. Weil Kinder „für eine gesunde Entwicklung Außenflächen zum Spielen, Toben und Bewegen benötigen, müssen Kitas in Hamburg für die Erteilung ihrer Betriebserlaubnis ausreichend große Außenspielflächen nachweisen“, sagte Sozialbehördensprecher Wolfgang Arnhold dem Abendblatt.
Kita Hamburg: Sozialbehörde will Geld für Nutzung von Spielplätzen
Da das in einer verdichteten Stadt wie Hamburg nicht immer möglich sei, „wurde die Möglichkeit geschaffen, dass in besonders gelagerten Einzelfällen Kitas, die keine (ausreichend große) Außenspielfläche für Kinder über drei Jahre nachweisen können, als Ersatz eine alternative Außenspielfläche, etwa auf einer extern gelegenen Ersatzfläche oder einem fest zugeordneten öffentlichen Spielplatz, erbringen können“.
Für eine solche Nutzung eines öffentlichen Spielplatzes sei künftig „eine Sondernutzungserlaubnis zu beantragen, da sie in Konkurrenz zur sonstigen Nutzung öffentlicher Spielplätze steht“, so der Sprecher von Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD). So stehe es in der seit Februar 2023 gültigen Fachanweisung, die einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts umsetze. Die Gebühr richte sich nach u.a. nach dem Bodenrichtwert des genutzten Grundstücks.
„Das hat es in der Geschichte Hamburger Kitas noch nicht gegeben“
CDU und betroffene Träger beklagen nicht nur den bürokratischen Aufwand, sondern auch die Höhe der Kosten. Insgesamt wolle der Senat bis zu 25,20 Euro pro Quadratmeter der genutzten Fläche im Jahr erheben, rechnet Leyla Moysich vor, Geschäftsführerin des Trägers SterniPark. Das sei das 66-Fache der vom Senat selbst veranschlagten jährlichen Kosten von 0,38 Euro pro Quadratmeter für den Erhalt von Grünflächen und Spielplätzen.
„Das hat es in der fast 100-jährigen Kita-Geschichte Hamburgs noch nie gegeben“, sagte Moysich dem Abendblatt. „Der gegen die Stadt gerichtete Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz wird weit überwiegend durch freie, gemeinnützige Träger erfüllt. Dieses öffentliche Interesse bleibt völlig unberücksichtigt, wenn die Stadt die Kitas zur Kasse bitten will, sobald Kita-Kinder auf öffentlichen Spielplätzen spielen.“ Und, so Moysich: „Im Hamburger Hafen kommt ja auch bisher niemand auf die Idee, Unternehmen, die im Auftrag der Stadt unterwegs sind, mit Gebühren zu belasten.“
Kitas: „Was die Behörden ausgeheckt haben, ist ein Stück aus dem Tollhaus“
Auch die CDU ist empört, dass der rot-grüne Senat Kitas zur Kasse bitten will. „Was Umweltbehörde, Sozialbehörde und Bezirksämter hier ausgeheckt haben, ist ein Stück aus dem Tollhaus und hat mit dem Anspruch, kinderfreundlichste Großstadt Deutschlands werden zu wollen, nicht im Ansatz etwas zu tun“, konstatieren der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries und die Familienpolitikerin und CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Silke Seif.
Es sei „unanständig, dass der Senat die Neuregelung nutzt, um von den Kitas ein Vielfaches dessen für die Spielplatznutzung zu kassieren, was er selbst für die Pflege aufwendet. Das ist Abkassiererei auf dem Rücken der Kita-Träger, die diese zusätzlichen Aufwendungen nicht über das Kita-Gutscheinsystem erstattet bekommen.“
Es sei ihnen „schleierhaft, warum Frau Leonhard als damalige Sozialsenatorin der neuen Fachanweisung ihren Segen gegeben hat“, so de Vries und Seif. „Wenig überzeugend ist die Argumentation des Senats, dass die Spielplatzflächen aufgrund externer Kita-Nutzungen nicht der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, da andere Kinder unter der Woche vormittags in aller Regel in der Kita, Vorschule oder Schule sind und die Spielplätze dann weitgehend leer sind.“
Kita Hamburg: CDU fordert Rücknahme der umstrittenen Spielplatz-Regelung
Die CDU hat nun einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, in dem die Rücknahme der umstrittenen Fachanweisung gefordert wird. „Hamburg ist eine Metropole mit vielen Menschen, wenig Platz und immer weniger Außenflächen. Dieser Realität muss die Familienpolitik Rechnung tragen und deshalb dürfen fehlende Außenflächen auch kein Grund sein, Kitas die Betriebserlaubnis zu versagen.“
Die Sozialbehörde dagegen weist darauf hin, dass die von den Kitas geforderten Gebühren auch indirekt über die Stadt finanziert werden. „Die Finanzierung der Sondernutzungsgebühr erfolgt dabei über das Teilentgelt ‘Gebäude’ (TEG)“, so Behördensprecher Arnhold. Dies sei „eine Pauschale, mit der im Rahmen des Kita-Gutschein-Systems alle gebäudebezogenen Kosten für alle Kitas, die ab dem 01.01.2007 ihren Betrieb aufgenommen haben, abgegolten werden und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein gemietetes Gebäude oder ein Gebäude im Eigentum des Trägers handelt“.
Kinderbetreuung: SterniPark weist Aussagen der Sozialbehörde als falsch zurück
Mit dem TEG seien „u.a. auch die Kosten der Instandhaltung von Gebäuden und Außenanlagen abgegolten“, so Arnhold. „Kitas, die anteilig einen öffentlichen Spielplatz nutzen möchten, verfügen demnach über finanzielle Mittel, um den administrativen Aufwand und die Gebühren gemäß Fachanweisung finanzieren zu können. Dementsprechend ist der Vorwurf, dass die Aufwendungen nicht über das Kita-Gutscheinsystem erstattet werden gegenstandslos.“
Dieser Behördendarstellung allerdings widerspricht SterniPark-Chefin Moysich vehement. „Der Hinweis, dass Sondernutzungsgebühren, die Kitas für Spielplätze entrichten sollen, von der Stadt finanziert werden, ist so nicht richtig“, sagt Moysich. „Abgegolten werden nach dem Landesrahmenvertrag mit dem ‘Teilentgelt Gebäude’ Aufwendungen für das Haus, wie Miete, Renovierung, Sanierung etc. sowie das kitaeigene Außengelände. Nicht aber für öffentliche Spielplätze, auf denen jedes Kind kostenfrei spielen darf.“ Das von der Stadt an die Kitas gezahlte Teilentgelt sei berechnet worden, als es noch keine Spielplatzsondergebühr gab.
Kita Hamburg: „Stadt hat Geschäftsgrundlage einseitig verändert“
„Die Forderung nach einem eigenen Außengelände für jede Kita besteht erst seit 2012. Die Stadt hat die Geschäftsgrundlage damit einseitig verändert und verlangt von den Trägern jetzt die Mitunterhaltung der öffentlichen Spielplätze, also mehr Leistung fürs gleiche Geld“, so Moysich. „Die neue Höchstgebühr von fast 29 Euro pro Kind pro Monat macht fast ein Viertel des pauschalen Entgeltes von 105 Euro (2022) aus. Unberücksichtigt bleibt, dass Kitas, die mangels eigener Außenflächen auf öffentliche Spielplätze ausweichen, auch zusätzliche Aufwendungen haben, um die Spielplätze zu erreichen – vom Bollerwagen bis zum erhöhten Personaleinsatz für den Weg.“