Hamburg. Die Justizsenatorin und Fraktionschefin Jasberg befürchten „massive Beschneidung des Asylrechts“ durch geplante EU-Asylrechtsreform.
Bei den Grünen ist ein heftiger Streit über den Asylkurs der Partei und die geplante EU-Asylrechtsreform ausgebrochen. Zwei prominente Hamburger Grüne zählen zu den Erstunterzeichnern eines Briefs an die Berliner Spitzengrünen um Außenministerin Annalena Baerbock, in dem die absehbare „massive Beschneidung des Asylrechts“ beklagt wird: Justizsenatorin Anna Gallina und Bürgerschafts-Fraktionschefin Jennifer Jasberg.
Das Schreiben, über das der „Spiegel“ zuerst berichtet hatte, wurde von 730 Mitgliedern der grünen Partei unterzeichnet und an Baerbock, Wirtschaftsminister Robert Habeck, die Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour sowie die Bundestags-Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann geschickt. Im Kern geht es darum, dass die parteiinternen Kritiker die Pläne der EU-Kommission zur Reform des Asylrechts als nicht vom Ampel-Koalitionsvertrag gedeckt ansehen.
Asylrecht: Deutsche Position bei Reform entspreche nicht dem Koalitionsvertrag
„Auch wenn die Verhandlungssituation in Brüssel sicherlich schwierig ist und wir sicher sind, dass ihr für die Umsetzung des Koalitionsvertrags kämpft, so ist es doch schwer nachvollziehbar, warum die deutsche Verhandlungsposition nicht annähernd den Inhalten des Koalitionsvertrags entspricht“, heißt es in dem Brief. Die Unterzeichner sind „erschüttert“ über die Prioritäten, mit denen die Bundesregierung unter Federführung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in die Verhandlungen gegangen ist. Allerdings ist auch Baerbocks Außenministerium maßgeblich an den Gesprächen auf EU-Ebene beteiligt.
„Die Ausweitung sicherer Drittstaaten, schlechterer Rechtsschutz, verpflichtende Grenzverfahren in Haftlagern und eine massive Verschärfung des gescheiterten Dublin-Systems sind nur einige Rechtsverschärfungen, die in der Reform des Asylrechts angelegt sind“, schreiben die Kritiker. Die EU-Mitgliedsstaaten würden dazu verpflichtet, Schutzsuchende zu inhaftieren, und erhielten „massive Möglichkeiten“ für Verschärfungen des Asylrechts auf nationaler Ebene.
Die Unterzeichner sehen einen Kurs der „Abschreckung und Abschottung“
Die Unterzeichner des Briefs sehen darin einen Kurs der „Abschreckung und Abschottung“ und werfen der Bundesregierung vor, sich nicht genügend für die eigenen Positionen einzusetzen. „Eine verbindliche Verteilung von Schutzsuchenden wird in diesem Mechanismus auch von Deutschland nicht mehr angestrebt“, heißt es in dem Brief. Der Reformvorschlag beschränke sich auf eine „massive Beschneidung des Asylrechts“. Verschärfungen führten jedoch „nicht zu weniger Geflüchteten, sondern nur zu mehr Leid“.
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Und weiter: „Wir erwarten, dass ihr gemeinsam mit viel Rückenwind aus der Partei, Zivilgesellschaft und Wissenschaft dazu beitragt, dass Populismus nicht in Gesetzesform gegossen wird und wir die Hegemonie der Debatte zurückgewinnen“, schreiben die Kritiker. Ausdrücklich werden die Spitzengrünen der Ampel-Koalition aufgefordert, „neue Wege zu gehen und den Pfad zur Zustimmung der Asylverfahrensordnung zu verlassen“.
Laut Justizsenatorin Gallina droht ein Abbau von Menschenrechten
Auch Justizsenatorin Gallina und Grünen-Fraktionschefin Jasberg sind der Ansicht, dass das europäische Asylrecht reformbedürftig ist, nur anders. „Der Koalitionsvertrag sieht hier wichtige Impulse in Richtung einer fairen Verteilung, einem Ende illegaler Zurückweisungen, der inhaltlichen Prüfung von Asylanträgen und einer Unterstützung der Seenotrettung vor“, sagte Jasberg dem Abendblatt. Die innerparteiliche Stellungnahme spreche sich dafür aus, „zu diesen von allen Ampelparteien im Koalitionsvertrag vereinbarten Grundsätzen zurückzukehren“.
Justizsenatorin Gallina habe nach den Worten ihres Sprechers Dennis Sulzmann mit ihrer Unterschrift ihre Haltung zum Ausdruck gebracht, dass es „nicht zu einem Abbau von Menschenrechten und zu einer Absenkung des Schutzniveaus kommen darf“.
Asylrecht: Außenministerin Baerbock hält an dem Reformvorschlag fest
Baerbock hatte den Reformvorschlag der EU-Kommission im Abendblatt als die einzige realistische Chance bezeichnet, in einer EU von 27 sehr unterschiedlichen Staaten auf absehbare Zeit überhaupt zu einem „geordneten und humanen Verteilungsverfahren“ zu kommen. Der Grat sei sehr schmal, kritische Fragen seien wichtig. „Aber auch ein Nichthandeln hätte bittere Konsequenzen“, mahnte die Grünen-Politikerin. Am Donnerstag kommen die EU-Innenminister und -ministerinnen in Luxemburg zusammen, um über die Asylreform zu beraten. Dabei ist völlig offen, ob sie sich einigen können.