Hamburg. Die Frau von Olaf Scholz legte immer Wert auf ihre Eigenständigkeit als Politikerin und wollte nie „First Lady“ sein. Und nun?

Wer Britta Ernst, die Frau von Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD), noch aus ihrer Hamburger Zeit kennt, hat allen Grund, sich verwundert die Augen zu reiben. Da schreitet Ernst an der Seite ihres Mannes über den roten Teppich im japanischen Hiroshima zum G7-Gipfel und später noch einmal in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul.

Zum ersten Mal begleitet die 62-Jährige, die vor sechs Wochen als brandenburgische Bildungsministerin zurückgetreten ist, den Bundeskanzler bei einer Auslandsreise. Dabei hatte Britta Ernst im Bundestagswahlkampf 2021 deutlich gemacht, dass sie keine „First Lady“ sein und gemeinsame öffentliche Auftritte an der Seite von Scholz eher nicht wolle. Gilt das nun nicht mehr?

Um die Bedeutung dieses anscheinenden Rollenwechsels zu ermessen, muss man sich Ernsts politisches Selbstverständnis und ein Stück weit auch das des Politikerpaares Scholz/Ernst in Erinnerung rufen. Als der heutige Kanzler 2011 die SPD mit absoluter Mehrheit zurück an die Macht im Hamburger Rathaus führte und Erster Bürgermeister wurde, lehnte Britta Ernst die Rolle der „First Lady“ kühl ab. „Ich habe nicht das Gefühl, dass Hamburg etwas fehlt, wenn wir uns nicht als Paar inszenieren“, sagte Ernst damals.

Homestorys und Hochglanz-Fotostrecken mit Britta Ernst gibt es nicht

Es entsprach eben nicht der Auffassung der beiden von einer gleichberechtigten Partnerschaft, dass „sie“ nur als schmückendes Beiwerk „an seiner Seite“ auftritt. Homestorys der beiden gibt es nicht, Hochglanz-Fotostrecken des trauten Glücks ebenso wenig.

Bereits im damaligen Bürgerschaftswahlkampf hatten sich Ernst und Scholz bewusst von dessen Amtsvorgänger Christoph Ahlhaus (CDU) und seiner Frau Simone abgegrenzt, die tatsächlich versuchten, ihre Ehe im Rahmen der Wahlkampagne zu inszenieren. Da passte es, dass Ahlhaus seine Frau gern „Fila“ als Abkürzung von „First Lady“ nannte.

Britta Ernst und Kanzler Olaf Scholz (beide SPD) vor dem Abflug in Berlin.
Britta Ernst und Kanzler Olaf Scholz (beide SPD) vor dem Abflug in Berlin. © dpa | Kay Nietfeld

Olaf Scholz und Britta Ernst lernten sich als Jusos kennen

Dabei geht es für Britta Ernst und Olaf Scholz nicht nur um eine gewisse Unverträglichkeit mit den vermeintlichen Ritualen des Repräsentierens. Es ist vielmehr so: Seit sich die beiden vor fast 40 Jahren als Jusos kennenlernten und ein Paar wurden, machen beide Politik, teilen die meisten Ansichten und haben stets den Anspruch gehabt, Karriere unabhängig voneinander machen zu können. Mit anderen Worten: eine Politikerehe auf Augenhöhe.

Als Olaf Scholz Bürgermeister wurde, gab Ernst ihre politische Karriere in Hamburg auf

Dieser selbst gesteckte Anspruch ließ sich plötzlich nicht mehr durchhalten, als Scholz seinen aus heutiger Sicht zweitgrößten politischen Erfolg errungen hatte und Erster Bürgermeister wurde. Ernst war eine profilierte Schulpolitikerin ihrer Partei, galt als ausgesprochen senatorabel und hatte bereits mehreren Schattenkabinetten sozialdemokratischer Parteifreunde in Hamburg und Schleswig-Holstein angehört. Doch dass ein Ehepaar gemeinsam am Kabinettstisch Platz nimmt, das war auch innerhalb der SPD nicht durchsetzbar.

Berühmt geworden ist in diesem Zusammenhang der Satz von Scholz, vorgetragen mit zusammengebissenen Zähnen, man werde den „ordre public“, also die allgemeinen Vorstellungen von Moral und Sitte, beachten. Britta Ernst wurde keine Schulsenatorin, bekleidete auch kein anderes Amt in der Scholz-Administration und beendete konsequent ihre politische Karriere in Hamburg.

Der unfreiwillige Rückzug aus ihrer Heimatstadt ist Britta Ernst schwergefallen

Dass ihr dieser unfreiwillige Rückzug aus ihrer Heimatstadt sehr schwergefallen ist, hat sie in bemerkenswerter Offenheit erklärt. „In keinem Bereich ist es richtig, dass Veränderungen bei einem Partner mit dem Verzicht des anderen begleitet werden“, sagte sie damals. Soll heißen: Wenn einer Karriere macht, darf die Karriere des Partners darunter nicht leiden.

Und Ernst wurde noch deutlicher. „Persönlich halte ich es für vertretbar, wenn Ehepartner oder Lebensgefährten einer gemeinsamen Regierung angehören, sogar wenn ein Teil des Paares die Regierung führt“, schrieb sie in einer persönlichen Erklärung zu ihrem Abschied aus Hamburg. Entscheidend sei, dass es sich bei Senatsposten um „öffentliche, einer ständigen Kontrolle unterliegende Ämter handelt“.

Warum eine Frage nach Britta Ernst Olaf Scholz empörte

Die öffentlich gewahrte Distanz der Eheleute Scholz und Ernst bedeutete übrigens nicht, dass sie nicht bei ausgesuchten Veranstaltungen wie dem Presseball oder der Matthiae-Mahlzeit auch gemeinsam auftraten. Aber Ernst hasste es geradezu, wenn sie bei solchen Gelegenheiten als „Frau von Olaf Scholz“ vorgestellt wurde. Das Bemühen um Distanzierung zeigt sich auch in der etwas kuriosen Angewohnheit der beiden, den jeweils anderen Dritten gegenüber immer als „Olaf Scholz“ oder „Britta Ernst“ zu bezeichnen.

Zu den Konstituanten dieser Politikerehe gehört, dass Olaf Scholz stets Wert darauf legt, dass seine Frau nicht als Anhängsel von ihm erscheint, und betont, dass sie eine eigenständige politische Laufbahn verfolge. Als Scholz im Bundestagswahlkampf gefragt wurde, ob seine Frau weiter Ministerin in Brandenburg bleibe, wenn er Bundeskanzler werden sollte, sagte er, ihn empöre die Frage und fügte hinzu: „Ich weiß nicht, ob sie auch Männern gestellt wird, die Ehegatten sind.“

Der Bundeskanzler fand die Reise mit seiner Frau „vor allem sehr schön“

Angesichts der seit Jahrzehnten gelebten Praxis der Eheleute Scholz und Ernst, die im November Silberne Hochzeit feiern werden, ist kaum anzunehmen, dass sich die Frau des Kanzlers nun plötzlich zur „First Lady“ wandeln wird. Das steht ihrem zentralen politischen Anliegen der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern doch zu sehr entgegen. Reisen wie die zum G7-Gipfel an der Seite des Bundeskanzlers dürften also eher die Ausnahme bleiben.

Britta Ernst wollte sich dem Abendblatt gegenüber nicht in eigener Sache äußern. Regierungssprecher Steffen Hebestreit betont, dass die Ehefrau von Olaf Scholz nicht zur „First Lady“ à la Simone Ahlhaus werde. „Sie wird den Bundeskanzler zu den G7-Gipfeln begleiten, bei denen es auch ein Partnerprogramm gibt. Ansonsten ist Britta Ernst grundsätzlich nicht dabei“, sagt Hebestreit. Das gelte zum Beispiel auch für die G20-Gipfel, deren nächster Anfang September in Indien stattfindet. Das Modell liefere Prof. Joachim Sauer, der Mann von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU), der nur sehr selten an Terminen Merkels teilgenommen hatte.

Bleibt nur ein Befund, der aufhorchen lässt: Olaf Scholz hat offensichtlich Gefallen an der ehelichen Begleitung gefunden. „Es ist vor allem sehr schön“, sagte der Kanzler kurz vor Abschluss des G7-Gipfels ungewohnt schwärmerisch. Scholz erwähnte, dass er auf den langen Flügen viel Zeit mit seiner Frau verbringen konnte: „Das ist gar nicht so schlecht.“ Vielleicht lässt sich Britta Ernst ja doch das eine oder andere Mal überzeugen.