Hamburg. Neue Daten zu Wohnorten von Menschen über 64. Ihre Zahl wird steigen – aber seniorengerechte Wohnungen gibt es kaum. Was helfen könnte.
Das Alter mag vielerlei Mühsal mit sich bringen – und doch sind ältere Menschen laut mancher Studie im Durchschnitt zufriedener als diejenigen, die noch voller Ehrgeiz und mit Doppelbelastung durch Job und Familie mitten im Berufsleben stehen. Demnach müssten die Einwohner des Bezirks Wandsbek zu den glücklichsten Hamburgerinnen und Hamburgern zählen. Denn in Wandsbek ist der Anteil der Menschen über 64 Jahren von allen sieben Hamburger Bezirken am höchsten.
21,1 Prozent der in Wandsbek wohnenden Hamburgerinnen und Hamburger waren im Jahr 2022 älter als 64 Jahre – also in einem Alter, in dem in den guten alten Zeiten bereits alle eine Rente bekamen. Auf Platz zwei folgt der Bezirk Bergedorf mit 19,0 Prozent, dann Eimsbüttel (18,5), Altona (17,8) und Harburg (17,3 Prozent über 64 Jahre alt). Am geringsten sind die Anteile der Senioren in den Bezirken Hamburg-Nord (15,9) und Mitte (14,2 Prozent). Im hamburgweiten Durchschnitt lag der Anteil der Senioren im Jahr 2022 bei 17,8 Prozent. Auch in absoluten Zahlen lebten im vergangenen Jahr die meisten Menschen mit 65 oder mehr Lebensjahren in Wandsbek, nämlich fast 96.000 der insgesamt 347.000 Hamburger über 64 Jahren.
Alter in Hamburg: Überraschende Entwicklung 2022 – aber Trend zeigt in eine Richtung
Auffällig an diesen neuen Daten aus einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der CDU: Der Anteil der Älteren an der Hamburger Gesamtbevölkerung ist zuletzt nicht etwa gestiegen, sondern leicht zurückgegangen. Im Jahr 2021 hatte ihr Anteil hamburgweit noch bei 18,0 Prozent gelegen. In dem einen Jahr bis 2022 ist der Anteil der Senioren an der Bevölkerung auch in fast allen Bezirken gesunken – nur in Bergedorf ist er konstant hoch geblieben.
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Der leichte Rückgang dürfte der Zuwanderung jüngerer Menschen nach Hamburg geschuldet sein. Langfristig aber wird die Zahl der Älteren in Hamburg nach allen Prognosen deutlich zunehmen. Allein bis zum Jahr 2030 werden in der Hansestadt bis zu rund 43.000 mehr Senioren leben als Ende 2021. Das wäre laut der Senatsantwort ein Anstieg um 12,8 Prozent. Bis 2035 könnte die Zahl der Älteren demnach um mehr als 75.000 und bis 2040 um etwa 87.500 steigen – ein Plus von 26 Prozent gegenüber 2021.
Wohnen im Alter: Ist Hamburg auf die wachsende Zahl von Senioren eingestellt?
Angesichts dieser Prognosen stellt sich die Frage, ob Hamburg auf diese kommende Entwicklung eingestellt ist. Aus Sicht der CDU ist das bisher nicht so, oder jedenfalls nicht ausreichend der Fall. Im aktuellen Koalitionsvertrag hätten SPD und Grüne zwar 2020 festgehalten, „dass die Quartiere in Hamburg an die Bedürfnisse älterer Menschen angepasst werden sollen“, sagte CDU-Stadtentwicklungspolitikerin Anke Frieling mit Blick auf die Antworten des Senats auf die von ihr gestellte Kleine Anfrage. „Konzepte und Maßnahmen, die den geänderten Bedürfnissen Rechnung tragen, lassen aber weiterhin auf sich warten.“
Die Datenlage sei ohnehin dünn, so Frieling. „Weder die Fertigstellungen im Seniorenwohnen werden regelmäßig erfasst noch die bezirksübergreifenden Übersichten, die nur anlassbezogen erstellt werden. Ein Musterprojekt wird nicht verlängert, andere Projektideen stoßen kaum auf Resonanz – zwei Interessenbekundungen mit 72 bzw. 78 Wohneinheiten werden wohl nur wenig zur Problemlösung beitragen.“
Immobilien: Senat hat keine Ahnung, wie viele seniorengerechte Wohnungen es gibt
Tatsächlich scheint der rot-grüne Senat – wie in vielen Bereichen – auch beim Thema seniorengerechtes Wohnen gar nicht so genau zu wissen, wie die Realität in der von ihm regierten Stadt überhaupt aussieht. Auf die Frage, wie viele seniorengerechte, barrierefreie Wohneinheiten es jeweils Ende März 2022 und Ende März 2023 in Hamburg gab, antwortet der Senat lakonisch, dass ihm „keine Daten im Sinne der Fragestellung vorliegen“.
Und auf die Frage, ob die Hamburger Regierung denn davon ausgehe, dass es in den Jahren 2030, 2035 und 2040 in der Stadt genug Wohnungen für Senioren geben werde, heißt es: Der Senat nehme „seit 2011 umfassende und erfolgreiche Anstrengungen wahr, mehr Wohnraum für alle Hamburgerinnen und Hamburger zu schaffen. Hierzu gehören auch Seniorinnen und Senioren. Im Übrigen liegen dem Senat keine Daten im Sinne der Fragestellung vor.“
„Umzugswillige Senioren müssen notgedrungen in ihren Häusern bleiben“
Immerhin weiß der Senat ausweislich seiner Antwort: In den Jahren 2021, 2022 und bisher in 2023 wurde der Bau von zusammen mehr als 6600 seniorengerechten und barrierefreien Wohnungen gefördert – keine ganz kleine Zahl. Die Krise im Wohnungsneubau werde allerdings auch den Neubau von altersgerechten barrierefreien Seniorenwohnungen betreffen, prognostiziert die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Frieling. „Damit werden dann aber selbst die Seniorinnen und Senioren, die umziehen möchten, notgedrungen in ihren Wohnungen und Häusern bleiben.“
Frielings Forderung: Der Senat müsse „endlich gezielt mehr seniorengerechte Wohnungen bauen bzw. Investoren für dieses Segment interessieren“. Die sogenannte „neue Bodenpolitik“ sei allerdings „auch hierbei eher Hemmschuh als Anreiz“. Gemeint ist damit wohl die Entscheidung des Senats, Grundstücke fast nur noch in Erbpacht zu vergeben und nicht mehr an Investoren zu verkaufen.
Miete Hamburg: Seniorenbeirat warnte schon 2022 vor hohen Wohnkosten für Ältere
Die CDU hatte vor genau einem Jahr ein 15-Punkte-Programm für ein seniorengerechtes Hamburg vorgelegt. Die im Senat auch für Bevölkerungsentwicklung und Senioren zuständige Wissenschafts- und Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) sagte damals, der Senat wolle sein „Demografiekonzept Hamburg 2030 im Sinne einer sogenannten Age-friendly City weiterentwickeln“, sprich: Hamburg solle altersfreundlicher werden.
Die Vorsitzende des Landesseniorenbeirats Karin Rogalski-Beeck hatte seinerzeit vor allem drei Forderungen an die Politik gerichtet: Erstens müsse etwas gegen die Einsamkeit vieler Älterer getan werden – etwa durch Schulung im Umgang mit digitalen Geräten. Zweitens bräuchten auch Senioren angesichts steigender Wohn- und Lebensmittelkosten Unterstützung. Und drittens müsse auch der Verkehr altersgerecht gestaltet werden – mit besseren und breiteren Fußwegen und barrierefreien Bussen und Bahnen.