Hamburg. In Hamburg laufen Tausende zu alte Heizungen – viele wohl rechtswidrig. Nun soll der Austausch schneller durchgesetzt werden.

  • Für Betreiber veralteter Heizungen kann es in Hamburg schon bald eng werden
  • Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) will Schornsteinfeger mit „Vollzugsmacht“ ausstatten
  • Schornsteinfeger wollen Energie- und Wärmewende konstruktiv begleiten

Hamburg. Die Schornsteinfeger in Hamburg könnten schon bald deutlich mehr Macht bekommen – und so womöglich härter gegen Betreiber zu alter Heizungen durchgreifen. Das hat Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) jetzt vorgeschlagen. Nach seiner Idee sollen die Schornsteinfeger eine „Vollzugsmacht“ bekommen, um die Erneuerung von zu alten Anlagen durchzusetzen.

Hintergrund: In Hamburg werden nach Daten der Stadtentwicklungsbehörde, die das Abendblatt in der vergangenen Woche exklusiv veröffentlichte, offenbar noch Tausende Heizungen betrieben, die älter als 30 oder sogar 40 Jahre sind. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG, Paragraf 72) von 2020 legt für Öl- und Gasheizungen aber ganz klar fest: „Eigentümer von Gebäuden dürfen ihre Heizkessel, die mit einem flüssigen oder gasförmigen Brennstoff beschickt werden und vor dem 1. Januar 1991 eingebaut oder aufgestellt worden sind, nicht mehr betreiben.“

Heizung: Tausende Anlagen deutlich zu alt – doch niemand scheint verantwortlich

Ausnahmen gibt es für Niedrigtemperatur-Heizkessel und Brennwertkessel, die aber nach Auskunft der Schornsteinfegerinnung erst ab etwa Mitte der 1980er-Jahre verwendet werden. Ausgenommen sind überdies sehr kleine und sehr große Heizungen – und „Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen, von denen der Eigentümer eine Wohnung am 1. Februar 2002 selbst bewohnt hat“. Schon die Energieeinsparverordnungen von 2009 und 2014 hatten festgelegt, dass Heizungsanlagen grundsätzlich nach 30 Jahren ausgetauscht werden müssen. Die Regelung ist also keineswegs neu.

Dennoch wird laut Stadtentwicklungsbehörde noch immer mehr als ein Fünftel der Hamburger Wohnfläche durch Anlagen beheizt, die zum Teil weit älter als 30 Jahre sind. Besonders gravierend ist die Situation nach den Daten der Behörde bei der größten Gebäudegruppe in Hamburg: den zwischen 1949 und 1978 gebauten Mehrfamilienhäusern mit sieben bis zwölf Wohnungen. Hier sind laut Stadtentwicklungsbehörde 42,5 Prozent der Heizungen 30 Jahre und älter und „nicht oder gering modernisiert“. Da die Niedrigtemperatur- und Brennwertkessel erst in den 1980er-Jahren eingeführt wurden, können die nicht modernisierten Anlagen von vor 1978 also wohl auch nicht unter diese Ausnahmen fallen. Die Dimension des Problems wird erst klar, wenn man hinzufügt: Allein rund 43.400 der insgesamt etwa 262.000 Wohngebäude in Hamburg gehören in diese Gebäudekategorie.

Energie: Bremsen Kompetenzwirrwarr und fehlende Daten die Wärmewende?

Warum aber laufen so alte Heizungen noch, wenn das offenkundig doch verboten ist? Und warum unternimmt die Stadt nichts dagegen? Diese Fragen sind bislang nicht beantwortet – was auch mit dem Kompetenz- und Verantwortungswirrwarr bei diesem Thema zu tun haben dürfte. Zuständig sind zunächst die Bezirksschornsteinfeger, die trotz Fristsetzung nicht behobene Heizungsmängel (wie ein zu hohes Alter) bei den Bauprüfabteilungen der sieben Bezirke melden müssen. Während die Umweltbehörde grundsätzlich für das Schornsteinfegerwesen verantwortlich ist, führt die Stadtentwicklungsbehörde die Fachaufsicht über diese Bauprüfabteilungen.

Gleichwohl besitze man keine Statistik über den von den Schornsteinfegern gemeldeten Zustand der Anlagen oder die Heizungsmängel in Hamburg, heißt es aus der Behörde von Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD). Detaillierte Nachfragen des Abendblatts zum Thema ließ die Behörde unbeantwortet. Die oben erwähnten Daten stammen laut früheren Angaben der Behörde aus anonymen Befragungen der Eigentümer, die im Zug der Machbarkeitsstudie durchgeführt wurden – die amtlichen Daten der Schornsteinfeger dagegen werden offenbar nicht zentral statistisch erfasst.

Man weiß also im Senat gar nicht wirklich exakt und amtlich, wie viele Heizungen in der Stadt zu alt sind – obwohl das ein absolut zentraler Punkt für den Klimaschutz ist. Ob die Schornsteinfeger ihre Aufgaben korrekt erledigen, kontrollieren derweil wiederum allein die sieben Bezirke – und zwar lediglich „stichprobenartig“, wie die Umweltbehörde dem Abendblatt mitteilte.

Schornsteinfeger: Umweltsenator Kerstan will ihnen mehr Macht geben

Weil die Modernisierung der Heizungen so wichtig für den Klimaschutz ist, will Umweltsenator Kerstan den Bürokratie-Dschungel nun lichten – und den Schornsteinfegern mehr Befugnisse geben. „Wir planen in der Hamburger Verordnung zum neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG), den Schornsteinfegern eine Vollzugsmacht im Bereich der Solarpflicht zu verleihen. Angesichts vieler veralteter Heizungsanlagen in Hamburg könnte ich mir eine solche Vereinbarung auch für den Heizungstausch vorstellen“, sagte Kerstan dem Abendblatt.

„Die Schornsteinfeger könnten dann bei Versäumnissen direkt tätig werden. Diese Variante muss im Senat mit der zuständigen Behörde und darüber hinaus mit den Bezirken entsprechend zu Ende diskutiert werden. Bevor man über den Vollzug eines Gesetzes spricht, muss natürlich abgewartet werden, mit welchen Inhalten das neue GEG vom Bundestag schlussendlich verabschiedet wird.“

Die Schornsteinfeger-Innung reagierte am Donnerstag zurückhaltend auf den Kerstan-Vorstoß. Es erschließe sich ihm noch nicht, was das am Ende für die Schornsteinfeger bedeuten würde, sagte der stellvertretende Landesinnungsmeister Michael Neuhäußer dem Abendblatt. „Mit uns sind darüber noch keine Gespräche geführt worden“, so Neuhäußer. „Es ist aber unstrittig, dass energetisch etwas gemacht werden muss. Die Schornsteinfeger werden die Energie- und Wärmewende konstruktiv begleiten.“

Heizung: Für Betreiber zu alter Anlagen könnte es auch in Hamburg eng werden

Welche neuen Befugnisse die Schornsteinfeger konkret bekommen und was das für Hausbesitzer bedeutet, ist laut Umweltbehörde noch offen. Das müsse nun in den Behörden und im Senat beraten werden. Klar ist: Für Betreiber veralteter Heizungen könnte es bald eng werden – auch in Hamburg, wo bisher offenbar niemand so genau hingesehen hat.