Hamburg. Rosa Domm (24) ist erst seit wenigen Jahren in der Bürgerschaft. So will sich die Jungpolitikerin jetzt den Weg nach Brüssel ebnen.

Der Ort, den Rosa Domm sich als Treffpunkt für ein Interview mit dem Abendblatt ausgesucht hat, ist wohl selten so schön wie in diesen Tagen. Vorbei an imposanten Gründerzeitbauten, läuft man über einen Teppich von rosafarbenen Kirschblüten zu der kleinen grünen Oase über der Elbe, die Domm so gern mag.

Doch auch wenn Domm es gar nicht so oft hierher nach St. Pauli schafft, sei dies einer der Plätze in Hamburg, an denen die junge Frau ihre Ruhe von der Politik findet. Denn Domms Leben ist wohl alles andere als gewöhnlich für eine 24-Jährige. Während viele in diesem Alter noch nicht einmal wissen, wohin die berufliche Reise gehen soll, beginnt ihr Tag schon früh mit Mitarbeitermeetings und endet oftmals spät mit Fraktionssitzungen.

Doch offenbar schreckt die Jungpolitikerin das nicht ab. Im Gegenteil: Wenige Jahre, nachdem Domm als jüngste Abgeordnete bei der Bürgerschaftswahl 2020 für die Grünen ins Parlament einzog, will sie nun schon wieder weiter. Aber nicht bloß über die Landesgrenze hinaus wie etwa nach Berlin in den Bundestag. Nein, Domm will nach Brüssel ins EU-Parlament. Doch kann das klappen?

Jüngste Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft will es ins EU-Parlament schaffen

Geräuschlos, ja, man könnte fast sagen unauffällig, steht die Grünen-Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft auf einmal pünktlich auf die Minute am verabredeten Treffpunkt. In Jeans, pinker Leinenbluse und weißen Turnschuhen streckt Domm grinsend ihre Hand zur Begrüßung aus. „Hanseatisch herzlich“, nennt der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss Domms Art und meint damit eine „gewisse Zurückhaltung, die nicht distanziert, sondern doch sehr zugewandt“ wirke.

Und tatsächlich: Es braucht etwas Zeit, ehe das Gespräch mit Domm so richtig Fahrt aufnimmt. Ist die 24-Jährige dann aber einmal im Redefluss, kauft man ihr ab, dass sie sich des Klimas wegen der Politik verschrieben hat und nicht, um die Karriereleiter schnell nach oben zu klettern.

Nicht überschwänglich, mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und doch irgendwie freundlich verkündet Domm im Abendblatt nämlich, dass sie für die kommende Europawahl kandidieren will.

So weit, so gut. An sich erst einmal nichts Ungewöhnliches, wäre da nicht die Tatsache, dass Domm aktuell die jüngste Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft ist und noch nicht einmal eine Legislaturperiode Erfahrung als Abgeordnete hat.

Das ist nicht ganz unwichtig, bedenkt man, dass es dem Europaabgeordneten Bloss zufolge im europäischen Parlament „viel mehr auf Selbstinitiative und Eigenorganisation ankommt“ als etwa im Bundestag oder in der Bürgerschaft. Außerdem kommen in Brüssel, dort, wo das EU-Parlament sitzt, Abgeordnete aller EU-Mitgliedstaaten zusammen, die so verschieden sind wie die Länder, die sie vertreten.

Klimageld und Reformation des Emissionshandels

Doch Domm schreckt das nicht ab. Im Gegenteil. „1.5 Grad Celsius ultra“ – so nennt sich die Abgeordnete selbst auf Twitter und Instagram. Ob nicht erst einmal Berlin ein gangbarer Weg für die gebürtige Bielefelderin wäre? „Nein“, sagt Domm, denn „die Klimakrise lässt sich nicht allein national lösen“.

Hamburg beschreite mit der Novellierung seines Klimaschutzgesetzes und einer Einsparung von 70 statt wie zuvor angesetzt 50 Prozent CO bis 2030 gegenüber 1990 zwar schon einen guten Weg. „Effektiver Klimaschutz muss am Ende aber durch internationale Zusammenarbeit geleistet werden. Dafür möchte ich mich einsetzen.“

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Wie, das hat Domm sich auch bereits überlegt. Konkret denke sie dabei etwa an eine Reformation des Emissionshandels durch die Reduzierung der Anzahl von CO2-Zertifikaten und eine grundsätzliche Erhöhung des CO2-Preises. Durch das zusätzlich eingenommene Geld, so Domm, könne man dann ein sogenanntes Klimageld an Bürgerinnen und Bürger auszahlen, um einen sozialen Ausgleich zu schaffen. „Da sind wir in Europa noch nicht gut drin.“

Mit 21 Jahren Einzug in die Bürgerschaft

Auch sieht die Grünen-Abgeordnete enormes Potenzial beim Ausbau der Schiene und dem europäischen Verkehrsnetz. „Die Reisefreiheit, für die Europa steht, besteht eigentlich nur für diejenigen, die das Auto oder Flugzeug nutzen. Nicht aber für diejenigen, die per Bahn reisen.“ Domm sei sich allerdings darüber bewusst, dass in Brüssel verschiedenste Kulturen aufeinandertreffen und nicht jede pauschale Entscheidung auch für jedes Land die passendste sei.

Durch ihre Zeit als Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft habe die Grünen-Politikerin das Prinzip des Parlamentarismus jedoch ganz anders zu schätzen gelernt. Gerade noch Landessprecherin der Grünen Jugend, wurde Domm 2020 mit gerade einmal 21 Jahren in die Hamburger Bürgerschaft gewählt.

Als Mitglied im Verkehrsausschuss, Ausschuss für Stadtentwicklung und im Ausschuss für Umwelt, Klima und Energie setzt Domm sich für die Mobilitätswende und „einen konsequenten Klimaschutz“ ein, wie sie sagt.

Domm setzte sich für Tempo 50 auf Hamburgs Einfallstraßen ein

Zuletzt setzte Domm sich beispielsweise für Tempo 50 statt 60 auf großen Einfallsstraßen in Hamburg ein oder für den Einbau von Wärmepumpen, den Ausbau des Ladesäulennetzes für E-Autos und eine klimaneutrale Fernwärmeversorgung.

Doch auch wenn es vielleicht so wirken mag, sei der Werdegang der studierten Psychologin so nicht geplant gewesen: „Als es darum ging, eine Kandidatin der Grünen Jugend für die Bürgerschaftswahl 2020 aufzustellen, habe ich erst einmal gar nicht daran gedacht, dass ich das machen könnte.“ Ursprünglich war Domm 2017 für ihr Psychologiestudium nach Hamburg gezogen, das sie erst kürzlich abgeschlossen hat.

Das Parlament ist deutlich jünger und diverser geworden

Der Grünen Jugend, so sagt es Domm, sei sie eigentlich nur beigetreten, um Demonstrationen zu organisieren und für das Klima einzustehen. Doch weil ihr die Partei Raum gegeben habe, „Dinge auszuprobieren und auch mal Fehler zu machen“, sei dann alles auf einmal ganz schnell gegangen.

Ob ihr da nicht einmal Kritik entgegengeweht sei? „Ja, klar“, sagt die 24-Jährige. Von manchen Kollegen, so nahm Domm es wahr, sei sie anfangs eher wie die Tochter eines guten Freundes wahrgenommen worden als eine Kollegin. Und auch innerhalb der Partei habe unter manchen Mitgliedern eine gewisse Skepsis geherrscht, ob eine 21-Jährige als Abgeordnete überhaupt geeignet sei.

„Das hat sich aber gelegt. Mit der letzten Bürgerschaftswahl und dem Einzug vieler junger Kandidierender bei der SPD und uns Grünen ist das Parlament deutlich jünger und diverser geworden. Die meisten haben verstanden, dass wir eine eigene und wichtige Perspektive mitbringen und einfach genauso gute Politik machen.“

Verkehrssenator Tjarks befürwortet Kandidatur

Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) sieht darin sogar einen echten Vorteil: „Frau Domm brennt wirklich für das, was sie tut, und hat das nötige Durchhaltevermögen. Beim Thema Verkehr braucht man nämlich einen langen Atem.“ Außerdem, so betont es der Senator ganze drei Mal, sei Domm „immer mit Nachdruck hinter ihren Themen her“. Für Hamburg ein Riesengewinn, sollte die 24-Jährige es nach Brüssel schaffen, findet der Verkehrssenator.

„Dadurch, dass Hamburg im transeuropäischen Verkehrsnetz durch die Verbindung nach Skandinavien solch eine bedeutende Rolle spielt, geht es in Brüssel echt um was.“ Hamburg brauche deshalb auch in Europa eine starke Stimme, um finanzielle Förderung der EU für den Ausbau der Schiene nach Hamburg zu bringen. Dass Domm bis zu den Europawahlen erst eine Legislaturperiode als Abgeordnete hinter sich hat, sieht der Senator nicht als Nachteil. „Wir sollten mit unserer Fraktion doch einen breiten Teil der Gesellschaft abbilden.“

Europawahl: Wahlalter erstmals bei 16

Und Domm selbst sieht das genauso: „Dadurch, dass ich noch etwas jünger bin und das Wahlalter bei der Europawahl endlich bei 16 liegt, biete ich jungen Menschen auch eine politische Identifikation.“ Außerdem, so die Abgeordnete, spreche sie leidenschaftlich gerne Französisch und Englisch und habe durch Freiwilligendienste im Ausland bereits Erfahrung in der internationalen Zusammenarbeit gesammelt.

Doch ob der Einzug ins EU-Parlament gelingt, hängt nun von mehreren Faktoren ab. Zunächst einmal braucht Domm dazu das Votum der Hamburger Grünen, um es auf die Bundesliste zu schaffen. Das entscheidet sich am 24. Juni.

Viele Parteifreunde hätten der Politikerin aber bereits Zustimmung zu ihrem Vorhaben zugesichert, sagt sie. Danach geht es dann um einen möglichst guten Listenplatz auf der Bundesliste, über den die 600 Delegierten am kommenden Bundesparteitag im November abstimmen.

Bei der vergangenen Europawahl konnten die Hamburger Grünen mit 31,2 Prozent zwar deutlich im Vergleich zu 2014 hinzugewinnen (plus 14 Prozentpunkte), doch fand sich kein einziger Hamburger auf der Bundesliste. Bundesweit fuhren die Grünen mit 20,5 Prozent nach der CDU/CSU das zweitbeste Ergebnis ein. Aktuell sitzen die FDP-Politikerin Svenja Hahn und der fraktionslose Nico Semsrott für Hamburg in Brüssel.