Hamburg. Minihäuser, Stopp von Bürgerbegehren, Wohnungstausch, Umbau von Einzelhäusern. So könnte die Krise bekämpft werden.
- Die Lage um den Wohnungsbau in Hamburg droht zum Erliegen zu kommen
- Der CDU-Wirtschaftsrat fordert nun mehr „Experimentierflächen“
- Könnten Tiny Houses eine Lösung für das Problem sein?
Die Entwicklung ist dramatisch: Wegen explodierender Materialkosten, Personalmangel und steigender Zinsen droht der Wohnungsbau auch in Hamburg einzubrechen – mit gravierenden Folgen für die Mieten. Wie exklusiv berichtet, sind seit Beginn der Wohnungsbauoffensive 2012 nie weniger Wohnungen genehmigt worden als im ersten Quartal 2023. Nun gibt es sehr konkrete Vorschläge, wie die Stadt gegensteuern könnte – vorgelegt von der Landesfachkommission des CDU-Wirtschaftsrates.
Darin machen die Fachleute aus dem CDU-Umfeld zehn „unkonventionelle und auch provokante“ Vorschläge, wie der Wohnungsbau möglichst schnell angekurbelt werden soll. Erstens soll die Stadt den Wohnungswechsel erleichtern – indem älteren Mietern, die nicht mehr so viel Wohnfläche benötigen und sich wegen hoher Nebenkosten verkleinern möchten, konkrete Tauschangebote gemacht werden. Dazu soll mit Unterstützung der Stadt ein Bündnis der Vermieter entstehen, und für die Betroffenen soll der Umzug komplett abgewickelt werden.
Immobilien: So könnten Besitzer von Einfamilienhäusern helfen – und profitieren
Der zweite Vorschlag könnte für viele Eigenheimbesitzer interessant werden. Demnach soll die Stadt den Bau von Einliegerwohnungen in Einfamilienhäusern oder große Wohnungen finanziell und organisatorisch fördern, wenn diese den Besitzern mittlerweile zu groß sind, um sie allein zu bewohnen. Es soll dabei auch möglich sein, dass die Besitzer Teile der Miete etwa durch Gartenarbeit oder andere Arbeiten erbringen lassen.
Drittens soll die Landesbauordnung (etwa beim Schallschutz) deutlich vereinfacht werden, sodass Häuser schneller und auch leichter in Serie errichtet werden können. Viertens will der Wirtschaftsrat auch die Regelungen zu Nachverdichtungen entschlacken, etwa bei Dachaufstockungen. „So ist bei Dachausbauten generell auf das Vorschreiben zusätzlicher Kinderspielflächen, zusätzlicher Abstellräume, zusätzlicher Kinderwagenabstellflächen etc. zu verzichten“, heißt es in dem Papier.
Wohnungen: CDU-Wirtschaftsrat fordert mehr „Experimentierflächen“ in der Stadt
Fünftens fordert der Wirtschaftsrat, die Stadt solle „Experimentierflächen“ ausweisen, auf denen gemäß §246 des Baugesetzbuchs besonders schnell und unbürokratisch gebaut werden kann – diese Regelungen wurden auch zum zügigen Bau von Flüchtlingsunterkünften erlassen. Außerdem sollen Einzelhandels- und Büroflächen bei Bedarf schneller in Wohnraum umgewandelt werden können.
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Im sechsten Punkt fordert der Wirtschaftsrat, die Bezirksämter personell deutlich besser auszustatten, da bisher viele Bauvorhaben an den unterbesetzten Bezirksämtern scheiterten, die für die Genehmigungsverfahren zuständig sind. So seien derzeit „mindestens 27 Stellen für Baugenehmigungsmanager“ in den Bezirksämtern ausgeschrieben. „Für eines der drängendsten Probleme unserer Zeit braucht es die Bereitschaft, marktadäquate Gehälter zu bezahlen“, so der Wirtschaftsrat.
Mieten: Bürgerbegehren gegen Wohnungsbau sollen für fünf Jahre verboten werden
Der siebte Vorschlag dürfte vor allem den Verein „Mehr Demokratie“ auf den Plan rufen, der die Einführung von Volks- und Bürgerbegehren in Hamburg durchgesetzt hat. Die CDU-Wirtschaftsstrategen fordern nämlich, „die Möglichkeit von Bürgerbegehren gegen Wohnungsbauprojekte für fünf Jahre auszusetzen“. Hintergrund: Es habe in Hamburg bereits 16 Bürgerbegehren zu Bebauungsplanverfahren und 39 zu Wohngebietsprojekten gegeben. „Aufgrund der niedrigen Quoren reichen oft bereits die Unterschriften der erweiterten Nachbarschaft, um Wohnungsbauprojekte mindestens erheblich zu verzögern“, heißt es in dem Papier. „Die künftigen Wohnungsnutzer haben hingegen keine Stimme.“
Achtens fordert der Wirtschaftsrat schnelle Klarheit beim Erbbaurecht, vor allem beim Erbbauzinssatz und der Verlängerung. Der neunte Vorschlag bezieht sich auf die derzeit so beliebten „Tiny Houses“, transportable Kleinsthäuser. Für diese sollen zumindest temporär Grundstücke zur Verfügung gestellt werden, ebenso an Wasserlagen für Hausboote. Zudem will der Wirtschaftsrat auch das Wohnen in Kleingartenlauben genehmigen, wenn die Besitzer ihre Hauptwohnung aufgeben. Der zehnte und letzte Vorschlag ist schon oft formuliert, aber nicht so oft umgesetzt worden: Hamburg soll sich in Stadt- und Verkehrsplanung besser mit dem Umland absprechen und dazu regelmäßige Treffen organisieren.
Immobilien: „Es braucht mehr Mut und mehr gut qualifiziertes und bezahltes Personal“
„Die Baugenehmigungszahlen gehen leider weiter runter. Wir müssen in Hamburg daher jetzt auch neue Wege ausprobieren, um kurzfristig den notwendigen Wohnraum zu schaffen“, sagte Robert Heinemann von der Landesfachkommission des Wirtschaftsrats dem Abendblatt. „Wir brauchen Experimentierflächen, wir müssen gut gemeinte Regelungen streichen, wir müssen auch temporäre Wohnformen möglich machen. Und wir müssen gerade angesichts der explodierenden Nebenkosten Menschen in zu großen Wohnungen helfen, im gleichen Quartier eine kleinere, bezahlbare Wohnung zu finden, damit Familien in die großen Wohnungen ziehen können. Für all das braucht es neben Mut vor allem mehr, gut qualifiziertes und auch gut bezahltes Personal in den Bezirksämtern.“