Hamburg. Taskforce unter Hamburger Führung: Facebook greift unzulässig Daten ab. Was dahintersteckt und wie der Senat reagiert.
Der Daumen ging runter für Senat und Bürgerschaft: Datenschützer haben Hamburgs Stadtregierung und das Parlament aufgefordert, die von ihnen betriebenen Facebook-Seiten vom Netz zu nehmen. Sie verstießen gegen geltendes Recht. So steht es auch im Bericht des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Thomas Fuchs. Man habe die Senatskanzlei „schriftlich auf das Kurzgutachten hingewiesen“.
Und dieses Gutachten der Datenschutzkonferenz (DSK) der obersten deutschen Datenschützer hat es in sich. Es ist vor einigen Wochen noch einmal ergänzt und mit juristischen und technischen Argumenten verschärft worden. Nach diversen Beschlüssen und Urteilen unter anderem des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes ist für die Gutachter klar: Wenn die Bundesregierung mit ihrem Presse- und Informationsamt oder der Senat mit der Senatskanzlei eine Facebook-Fanseite im Internet betreibe, verstoße das gegen die Datenschutzgrundverordnung.
Facebook: Behörden dürfen keine Nutzerdaten sammeln
Behörden dürften sich nicht gemein machen mit Facebook. Und genau das täten sie, wenn sie auf der Social-Media-Plattform eine Fanseite betreiben und dabei in großem Stile Nutzerdaten für Facebook und dessen Mutterkonzern Meta abgegriffen werden. Die Datenschutzkonferenz hatte eine eigene „Taskforce Facebook“ gegründet, die das Datensammeln des US-Konzerns untersuchen sollte, zu dem auch Instagram und WhatsApp gehören. Hamburg leitet diese Taskforce.
Dabei geht es um Datenspuren, wenn Nutzer die Facebook-Seite etwa des Hamburger Senats aufrufen. Wer Facebook-Freund von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und seines Senates ist, hinterlässt bei jedem Besuch, bei jeder „Interaktion“ Daten, die Facebook auswertet und zum Beispiel für gezielte Werbung nutzt. Außerdem kann unter anderem mithilfe von Cookies das „Surfverhalten“ untersucht werden. Wer bei Facebook angemeldet bleibt wie die meisten Nutzer, schickt somit möglicherweise seine gesamte weitere Netzreise an Meta.
Bundesregierung und Senat weigern sich, Facebook zu löschen
Die Bundesregierung hat wegen der heiklen Angelegenheit sogar eine eigene Seite im Netz eingerichtet, die erklärt, wie Facebook Daten sammelt.
Behörden dürfen dabei nicht zu Facebooks kleinen Helferlein werden. Eine Sprecherin des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Fuchs sagte dem Abendblatt unmissverständlich: „Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat kürzlich das Bundespresseamt angewiesen, die Facebook-Seite der Bundesregierung zu löschen. Aus Sicht des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit besteht bei den Facebook-Seiten des Hamburger Senates die gleiche Lage wie beim Bundespresseamt.“ Die Vokabeln „angewiesen“ und „löschen“ signalisieren, dass es offenbar keinen Interpretationsspielraum gibt.
Datenschutz-Probleme auch bei WhatsApp?
Dennoch halten Senat und Bürgerschaft an ihren Facebook-Auftritten fest, wie ihre Sprecher dem Abendblatt erklärten. Immerhin: Sie richten keine neuen ein und sind sich offenbar bewusst, dass auch Messengerdienste wie WhatsApp bei Behörden Datenschutz-Glocken läuten lassen. Senatssprecher Marcel Schweitzer sagte dem Abendblatt, Hamburg habe „selbstverständlich ein großes Interesse daran, dass die Einhaltung der EU-Datenschutzgrundverordnung umfassend sichergestellt wird“. Außerdem prüfe man Messengerdienste, die die Anforderungen der DSGVO transparenter erfüllen“. Diese DSGVO, Datenschutzgrundverordnung, ist der Albtraum der amerikanischen Social-Media-Kanäle in Europa.
Größter Streitpunkt sind die Datensammel-Instrumente auf Facebook: Wie die Bundesregierung bei ihrer Facebook-Seite hat auch der Senat für seine das Unternehmen Meta gebeten, die sogenannten „Insights“ abzuschalten. Mit diesen Statistiken lässt sich sehen, wer auf die Seite kommt, ein „Like“ vergibt, wie lange Nutzer bleiben, welche Spuren sie noch im Netz hinterlassen haben. Auch für politische Werbung sind das aufschlussreiche Daten.
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Facebook: Was die Insights verraten
Für den Senat reicht der Verzicht auf die Insights, bis das juristische Hickhack zwischen dem Bundesdatenschutzbeauftragten und der Bundesregierung entschieden ist. Hamburg wartet in Absprache mit den anderen Ländern auf dieses Musterverfahren. Dem hiesigen Datenschutzbeauftragten Fuchs genügt das nicht. Das Abschalten der Insights löse den Rechtsverstoß nicht: „Die datenschutzrechtlichen Mängel von Facebook fallen aufgrund der bestehenden gemeinsamen Verantwortlichkeit auch auf die Seitenbetreiber, hier die Senatsbehörden, zurück“, heißt es in der Stellungnahme für das Abendblatt. Die bundesweite Taskforce Facebook unter Hamburger Führung schreibt zu den Rechtsverstößen der Plattform: „Dies gilt auch, wenn die sogenannte Insights Funktion vonseiten Facebooks deaktiviert wird.“
Glasklar steht im Datenschutzbericht: „Auch wenn Meta keine Statistiken mehr übermittelt, findet beim Aufrufen der Fanpage und dem Interagieren mit der Fanpage eine Erhebung personenbezogener Daten und Nutzung der Daten durch Facebook statt.“ Das Abschalten der Insights als frommer Akt heile nicht, was Facebook eigentlich bezwecke: „Meta profitiert von den Fanpages, weil anhand der dortigen Interaktionen Profile über Besucher der Fanpage angelegt und weiter ausdifferenziert werden können und damit die auf dem Netzwerk bereitgestellte zielgerichtete Adressierung und Ausspielung von Werbebotschaften optimiert werden kann.“ Die Datenschützer sagen durch die Blume auch: Wenn Facebook seine Datenpolitik ändert, ließe sich eine Fanpage auch für Behörden nach europäischen Gesetzen betreiben. Nur so wie derzeit nicht.
Peter Tschentscher bei Facebook, Twitter und Instagram
Den Drang von politisch Verantwortlichen in die sozialen Medien bremst das nicht. Tschentscher hat einen Fotografen in die USA mitgenommen, der ihn auch vor weltbekannten Motiven ablichtet: am Grab von John F. Kennedy, im Lincoln Memorial, am 600 Meter langen „Reflecting Pool“ mit dem weißen Obelisken des Washington Monument im Hintergrund. Der Fotograf dokumentiere die USA-Reise für die Internetseiten von Senat und Bundesrat sowie für die Kanäle von Senat und Bundesrat bei Twitter, Facebook und Instagram, heißt es. Alle Fotos werden lizenzfrei kostenlos allen Medien zur Verfügung gestellt.
Auch Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) lässt die Lage um die Facebook-Seiten des Parlaments „sehr genau“ beobachten, wie Sprecherin Barbara Ketelhut sagte. 6000 Freunde hat die Bürgerschaft bei Facebook, eine Handvoll Likes gab es für die Ostereier im Plenarsaal. 35.000 Follower hat der Senat bei Facebook. Bürgermeister Tschentscher ist unter anderem als „TschenPe“ auch bei Twitter aktiv (31.000 Follower).
Milliarden-Gewinn mit Werbung
Ob Messengerdienste und Social-Media-Dienste Einfallstore für Hackerangriffe wie auf die HAW, die Handelskammer und Hamburger Friedhöfe sind, muss noch untersucht werden. Facebook als direkter Kommunikationskanal zu Bürgerinnen und Bürgern könnte mit dem Wachstum anderer Plattformen an Bedeutung verlieren. Aber noch im vergangenen Jahr erlöste Facebook weltweit 23,2 Milliarden US-Dollar Gewinn bei 116 Milliarden Dollar Umsatz. 97 Prozent des Umsatzes machten Werbeeinnahmen aus. Bröckelt im Hamburger Rathaus bereits das Facebook-Engagement? Denn „weil er nicht mehr betreut werden konnte“, hat der Senat seinen Facebook-Auftritt für die Landesvertretung in Berlin zuletzt bereits abgeschaltet.
Mitarbeit: Marc Hasse