Hamburg. Hauptgebäude des Bernhard-Nocht-Instituts am Hafen wird modernisiert. Zusätzlicher Forschungsneubau in der Science City?
Das Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) ist der Hansestadt und dem Bund viel wert – im wahrsten Sinne des Wortes: Bis zu 200 Millionen Euro sollen für die Sanierung des fast 110 Jahre alten Hauptgebäudes der renommierten Forschungseinrichtung am Hafen investiert werden, wie Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Donnerstagvormittag sagte. Eine entsprechende Absichtserklärung („Letter of Intent“) unterzeichnete er im Hörsaal des Instituts mit Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) und Martin Görge von der städtischen Sprinkenhof GmbH.
Da das BNITM zur außeruniversitären Leibniz-Gemeinschaft gehört, werden sich Hamburg und der Bund die Kosten teilen. Der Beginn der Sanierung bei laufendem Betrieb ist für 2025/2026 geplant; bis 2032 sollten die Arbeiten abgeschlossen sein, sagte Dressel.
Hauptgebäude des Tropeninstituts wird modernisiert
Mit Blick auf die herausfordernde Lage beim Bauen etwa durch steigende Rohstoffpreise gelte es, die Begrenzung des Investitionsvolumens „im Blick zu behalten“, sagte der Finanzsenator. Bei anderen Forschungs- und Hochschulneubauten in Hamburg wie dem Haus der Erde und dem MIN-Forum ist es bereits zu erheblichen Kostensteigerungen gekommen.
Die geplanten Mittel für die Sanierung des BNITM sind üppig, kommen aber spät. Die Infektionsforschung ist vielerorts ausgebaut worden. Das Hamburger Institut hebt sich zwar von einem Teil der Konkurrenz mit seiner Hightech-Ausstattung ab: So verfügt es über ein 150 Quadratmeter großes Hochsicherheitslabor, in dem Forschende tropentypische Viren der höchsten biologischen Risikogruppe 4 wie Ebola, Krim-Kongo und Marburg auch gentechnisch untersuchen dürfen. Hinzu kommt ein Sicherheitsinsektarium, in dem die Forschenden etwa ergründen, ob einheimische Mücken bestimmte eingeschleppte Krankheitserreger übertragen können.
Etliche Mängel stören den Forschungsbetrieb
Doch an dem von Fritz Schumacher entworfenen Klinkerbau nagt der Zahn der Zeit – mit zeitweise gravierenden Auswirkungen für die Mitarbeitenden: Im Winter 2019 kam es zu einem Ausfall der Heizung; nötige Brandschutzmaßnahmen störten den Betrieb; Forschende bekamen Kühlwesten, weil es im Sommer mitunter zu warm wurde in dem Gebäude; Außenstuck fiel herab; Fenster lassen sich nicht mehr gut öffnen oder schließen.
Zwar seien die vergangenen drei Jahre die erfolgreichsten in der Geschichte der Einrichtung gewesen, sagte am Donnerstag der seit 2021 amtierende Institutschef Jürgen May. Allein 2020 warb das BNITM 13 Millionen Euro an Drittmitteln ein – zusätzliches Geld fast in der Höhe seines Grundbudgets von 15 Millionen Euro, das Bund und Länder tragen. Auf einem Hoch sei auch die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen, sagte May.
Institutschef: „Viele und manchmal fast unzumutbare Einschränkungen“
Aber das sei nur mit besonders motivierten Mitarbeitenden möglich gewesen, die für die Fortführung der Forschung „viele und manchmal fast unzumutbare Einschränkungen“ in Kauf genommen hätten. „Das kann man nicht auf Dauer durchhalten. Auch wenn eine ganz schnelle Lösung nicht möglich sein wird, braucht es jetzt dringlich eine Perspektive.“ Neben den mitunter schwierigen Arbeitsbedingungen gebe es ein Platzproblem: Die Zahl der Mitarbeitenden habe sich in den vergangenen drei Jahren von 280 auf fast 400 erhöht, nicht mitgerechnet jene Forschenden, die über Drittmittel in den betroffenen Ländern arbeiten, sagte May.
Früher musste sich das Tropeninstitut ab und an für die Relevanz seiner Arbeit rechtfertigen. Heute gilt das nicht mehr, denn infolge des internationalen Waren- und Reiseverkehrs und begünstigt durch den Klimawandel sind einige Gefahren nah an unseren Alltag herangerückt. Seit Jahren kommt hierzulande etwa die Tigermücke vor, die Dengue- und Chikungunya-Viren übertragen kann. Und durch Sars-CoV-2 ist einmal mehr deutlich geworden, dass Erreger nicht an Grenzen haltmachen – weshalb das Tropeninstitut längst als eine Forschungseinrichtung für globale Infektionen agiert.
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Zusätzlicher Forschungsneubau am Hafen oder in der Science City?
Das BNITM brauche deshalb sobald wie möglich einen neuen Platz für „innovative Laborforschung mit modernsten Infrastrukturen und entsprechenden Arbeitsbedingungen in einem exzellenten Forschungsumfeld“, sagte Jürgen May. Ob sich das mit einem zusätzlichen Forschungsneubau neben dem Hauptgebäude am Hafen sinnvoll erreichen lässt, soll die Sprinkenhof GmbH nun prüfen.
Sollte es machbar und sinnvoll sein, könnte womöglich ein Teil des maximalen Budgets für den Forschungsneubau verwendet werden, hieß es am Donnerstag. In der Absichtserklärung sei dies aber nicht festgelegt. Die Maximalsumme von 200 Millionen Euro beziehe sich zunächst auf die Sanierung. Sollte die städtische Sprinkenhof zu dem Ergebnis kommen, dass ein Forschungsneubau an einem zweiten Standort nötig ist, müssten dafür zusätzliche Mittel aufgewendet werden.
Molekulare Analyse von Krankheitserregern
Institutschef Jürgen May machte am Donnerstag keinen Hehl daraus, welchen Platz er als möglichen zweiten Standort für besonders geeignet hält. Heutige Techniken erlaubten die molekulare Analyse von Krankheitserregern, ein besseres Verständnis von der Funktionsweise der Erreger und eine bessere Entwicklung von Medikamenten, Impfstoffen und Diagnostika, sagte er. „Solche Forschung ist inhaltlich und räumlich am besten an Orte geballter Wissenschaftsexzellenz angebunden. Hamburg hat genau solche Orte – zum Beispiel in der Science City Bahrenfeld.“ Dort könnte das Bernhard-Nocht-Institut einen „optimalen Synergismus mit Hightech schaffen“.
Bernhard-Nocht-Institut als Forschungspartner in Bahrenfeld vertreten
Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank sagte, in den kommenden Monaten müsse erst untersucht werden, „wo wir Expansionskapazitäten für sinnvoll erachten“. Sie pflichtete May allerdings prinzipiell bei: In der Science City seien „hervorragende Synergien“ möglich; dort entstehe ein Verbund, bei dem das BNITM „nicht fehlen sollte“. Zwar ist das Tropeninstitut schon in Bahrenfeld vertreten, aber nicht mit einem eigenen Gebäude, sondern als Partner des Zentrums für strukturelle Systembiologie (CSSB).