Hamburg. Der grüne Verkehrssenator will die Wirtschaft nach Protesten zunächst zu Gesprächen einladen. Wie es jetzt weitergeht.

In der Hansestadt soll es zunächst keine weiteren Anwohnerparkgebiete geben. Das sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) dem Abendblatt. Anlass der Entscheidung sind massive Proteste der Wirtschaft. Zuletzt hatte die Handelskammer ein Positionspapier zu dem Thema vorgelegt und einen einstweiligen Ausbaustopp gefordert. Hintergrund: Während Anwohner beim Bewohnerparken oft schneller einen Parkplatz finden, dürfen ansässige Betriebe ihre Fahrzeuge dort ohne Sondergenehmigungen nicht mehr parken.

Anwohnerparken: Tjarks sieht in Forderungen "gute Anknüpfungspunkte"

„Wir sehen in dem Papier der Handelskammer eine Reihe guter Anknüpfungspunkte, in Teilen greift das Papier bereits vorhandene Initiativen der Verkehrsbehörde zur Flexibilisierung des Bewohnerparkens auf“, sagte Tjarks dem Abendblatt.

„Das Papier verdient es insgesamt, dass wir uns damit intensiv beschäftigen und in Diskussionsprozess mit den Kammern und weiteren Beteiligten gemeinsam zu guten Lösungen kommen. Wir wollen Hamburg mobil halten, dazu gehört selbstverständlich auch ein funktionierender Wirtschaftsverkehr. Dafür müssen wir den Interessen der Unternehmen ebenso gerecht werden wie den Herausforderungen des knappen öffentlichen Raumes und des Klimawandels. Ich werde die Beteiligten dafür zu Gesprächen einladen. Um den Ergebnissen nicht vorzugreifen, werden wir neue Bewohnerparkgebiete vorerst zurückstellen.“

Handelskammer fordert Bundesratsinitiative vom Senat

Die Kammer hatte den Senat aufgefordert, durch eine Bundesratsinitiative auf eine Änderung der Straßenverkehrsordnung hinzuwirken, in der das Bewohnerparken geregelt ist. Ziel solle ein „Anrainerparken“ nach dem Vorbild Wiens sein. Dort können laut Handelskammer seit 2018 auch Betriebe und Beschäftigte eine Parkberechtigung erwerben. Bis zu einer Änderung des Systems, dürfe das Anwohnerparken in Hamburg nicht weiter ausgedehnt werden, so die Handelskammer. Auch müsse die Reduzierung von Parkraum insgesamt gestoppt werden.

Die Kammer wies darauf hin, dass etwa 66.800 Firmen (39 Prozent ihrer Mitgliedsunternehmen) innerhalb des Rings 2 oder in anderen dicht bewohnten Vierteln angesiedelt seien. Da diese nicht unter das Bewohnerparken fielen, müssten sie Ausnahmegenehmigungen beantragen. Das dauere lange, sei teuer und habe laut einer Umfrage in nur zehn Prozent der Fälle Erfolg.

Das Anwohnerparken in dieser Form schade damit nicht nur den Firmen. Wenn Unternehmen aufgrund dieser Politik abwanderten, verlören innenstadtnahe Quartiere auch an „Attraktivität und Lebensqualität, die genau durch das direkte Nebeneinander von Wohnen und ansässigen Unternehmen (Restaurants, Einzelhandel, sonstige Dienstleistungen, usw.) erst geschaffen wird“, so das Papier.

CDU spricht von "einseitigem Kampf gegen das Auto"

„Die Verkehrspolitik von SPD und Grünen stößt in der Stadt auf immer mehr Widerstand“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering am Donnerstag. „Fest steht, der einseitige Kampf von Bürgermeister Tschentscher und Verkehrssenator Tjarks gegen das Auto geht an der Lebenswirklichkeit der Stadt vorbei. Der fortschreitende Abbau von Parkplätzen und die durch das Anwohnerparken zusätzlich erzeugte Verknappung des Parkraums schadet der Wirtschaft und verärgert immer mehr Menschen in unserer Stadt." Die CDU unterstütze den Plan der Handelskammer, so Thering. "Klar ist, bei einem Regierungswechsel 2025 werden wir alle Anwohnerparkzonen und Regelungen auf den Prüfstand stellen.“

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FDP-Landesvizin Sonja Jacobsen nannte die Kammer-Forderungen "nachvollziehbar". Sie bestätigten auch die Kritik der FDP. "Die abschreckend hohen Kosten für betriebliche Sondergenehmigungen vertreiben angestammte Gewerbetreibende aus der Stadt ins Umland", so Jacobsen. "Damit verliert Hamburg Steuereinnahmen und verstärkt Pendlerverkehre." Das Anwohnerparken habe sich nicht bewährt, so Jacobsen. "Es sollte deshalb in den Gebieten abgeschafft werden, in die es unter Rot-Grün ausgeweitet wurde. Mit dem bereits eingenommenen Geld sollte der Senat Quartiersgaragen in city-nahen Stadtteilen bauen."

Anwohnerparken: Auch SPD kritisiert den grünen Koalitionspartner

Aus der SPD kam auch indirekte Kritik am grünen Koalitionspartner. „Klar ist, dass die Einführung der Bewohnerparkgebiete nicht immer im Einklang mit allen Beteiligten vor Ort gelungen ist", sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf dem Abendblatt.

"Wir haben uns frühzeitig für Parkmöglichkeiten auch für ortsansässige Betriebe eingesetzt und sind dahingehend auch schon gut vorangekommen. Allerdings erwarten wir von der zuständigen Verkehrsbehörde, bei weiteren geplanten Bewohnerparkgebieten eine deutlich breitere Beteiligung der Menschen vor Ort einzuplanen und geeignete Regelungen für Betriebe mitzudenken. Hier ist jetzt der Verkehrssenator gefordert: Ein ‚Weiter so‘ kann es nicht geben.“

Grüne "verstehen die Sorgen der Handwerksbetriebe"

Auch Grünen-Verkehrspolitikerin Eva Botzenhart zeigte Verständnis für die Belange der Wirtschaft: „Wir brauchen das Bewohnerparken im städtisch begrenzten Raum für eine Verbesserung der Lebensqualität, für die Mobilitätswende und auch, um Klima und Umwelt zu schützen. Zugleich verstehen wir die Sorgen der Handwerksbetriebe natürlich gut und tun alles, was auf Landesebene möglich ist, um unser Konzept stetig zu verbessern."

Auch die Ideen der Handelskammer böten "Anknüpfungspunkte, die wir im Dialog mit allen beteiligten Akteuren diskutieren werden",so Botzenhart. Damit es aber generell mehr Handlungsspielraum gebe, müsse die bundesweit gültige Straßenverkehrsordnung geändert werden. "Hierfür setzen wir uns als Koalition intensiv auf Bundesebene ein.“

Anwohnerparken: Handelskammer betont, man mache "sachliche Vorschläge"

Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer betonte am Donnerstag: „Das Thema Bewohnerparken bewegt die Hamburger Wirtschaft. Wir machen in der teils hochemotional aufgeladenen Debatte sachliche Vorschläge. Es geht um ein Miteinander und kein Gegeneinander, denn ohne die Wirtschaft lässt sich die Verkehrs- und Klimawende in der Stadt nicht erfolgreich gestalten.“

Nach Abendblatt-Informationen hat Verkehrssenator Tjarks nach dem Abendblatt-Bericht über die Kammer-Initiative bereits Kontakt aufgenommen und auch mit dem Präsidenten der Handwerkskammer, Hjalmar Stemmann gesprochen. „Kammern und Verbände sollen schon bald zu einem Runden Tisch Gewerbeparken eingeladen werden“, sagte Stemmann dem Abendblatt am Donnerstagnachmittag. "Wir freuen uns über die Einladung." Damit bekämen alle Gewerbetreibenden in Hamburg beim Thema Wirtschaftsverkehr eine starke Stimme.