Hamburg. Aktuelle Stunde in der Bürgerschaft: AfD attackiert den Senat: „2015 ist zurück!“ SPD will Obdachlosigkeit um jeden Preis vermeiden.
Wie will Hamburg die Unterbringung des weiterhin anhaltend hohen Zustroms von Geflüchteten bewältigen? Und welche Lehren hat Hamburg aus 2015 gezogen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Abgeordneten der Bürgerschaft am Donnerstag in der Aktuellen Stunde, einer Art offenen Diskussionsstunde über aktuelle Themen, die am Anfang der Bürgerschaftsdebatte stand.
Die Lage rund um die Unterbringung von Geflüchteten aufgrund des Ukrainekriegs ist in Hamburg weiterhin angespannt: Rund 44.000 Menschen befinden sich aktuell in öffentlicher Unterbringung. Darunter allein 20.000 aus der Ukraine und 5000 aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan, die alleine in diesem Jahr nach Hamburg gekommen sind.
Hamburgische Bürgerschaft: Unterbringung von Geflüchteten wird zum Problem
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) vermutet, Hamburg werde bereits im November noch die Grenze von 50.000 erreicht haben. Da der Senat aber bereits jetzt an seine Grenzen kommt, geeignete Immobilien für die Unterbringung der Geflüchteten zu finden, und Ankommende deshalb in Zelten schlafen müssen, setzten AfD- und SPD-Fraktion das Thema auf die Tagesordnung.
Der Tenor, den die beiden Fraktionen in ihren Anträgen anschlugen, ließ schon zuvor erahnen, welche Richtung die Debatte nehmen würde. Während der Antrag der SPD-Fraktion den Appell enthielt, „die Herausforderung der Unterbringung in Hamburg (...) weiterhin gemeinsam und solidarisch“ anzugehen, las sich der Antrag der AfD-Fraktion hingegen bereits als Vorwurf gegenüber dem Senat: „2015 ist zurück! Rot-Grün versagt bei historischer Flüchtlingswelle.“
Geflüchtete in Hamburg: AfD spricht von "Größenwahn"
Wenig überraschend war es deshalb, dass AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann die Sitzung mit Vorwürfen gegenüber dem Senat und der Bundesregierung eröffnete und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) einen „völligen Größenwahn“ attestierte. Nockemann zufolge könne es nicht sein, dass Deutschland alle ankommenden Geflüchteten aus der Ukraine aufnehme und darüber hinaus auch Schutzsuchenden aus Ländern wie Afghanistan oder Syrien Asyl biete.
Diese „gigantische Zumutung“ könne Deutschland nicht stemmen, weshalb der Fraktionschef für schärfere Grenzkontrollen und die Einschränkung dauerhafter Aufenthaltsgenehmigungen plädiert. Den Umgang der vorherigen Bundesregierung mit der Flüchtlingskrise 2015 bezeichnete er zudem als „das große Staatsversagen“.
SPD und Grüne: "Wir haben eine menschliche Verpflichtung"
Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Alexander Wolf (AfD) hielt sich mit seinem Urteil der „Hybris“ über Außenministerin Baerbock nicht zurück und bezeichnete ihre Forderung, viele der ankommenden Ukrainerinnen und Ukrainer aufzunehmen, als „unsolidarisch“. Für den Senat mahnte Wolf daher an: „Wir können nur helfen, wenn wir die Hamburger nicht überfordern.“ Der Senat müsse deshalb „diejenigen abschieben, die zu Unrecht hier sind, um denjenigen Platz zu bieten, die ihn dringend brauchen.“
Wenig überraschend bezogen die Fraktionen der SPD, Grünen und Linken die komplett gegensätzliche Position. Sören Schumacher, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sieht es als „unsere menschliche Verpflichtung, diese Menschen, die vor Krieg und Zerstörung fliehen, aufzunehmen“ und ihnen eine „würdevolle Unterkunft zu geben“. Die oberste Priorität des Senats müsse es gegenwärtig deshalb sein, „Obdachlosigkeit zu vermeiden“. Auch wenn dafür Container und Zelte als Unterkünfte herangezogen werden müssen – „immer noch besser, als obdachlos zu sein“.
Aktuelle Stunde in der Bürgerschaft: Scharfe Kritik an Friedrich Merz
Dem pflichtete auch Michael Gwosdz, Fachsprecher für die Themen Flucht und Religionspolitik der Grünen bei. Gwosdz betonte, „wie froh“ die Fraktion aktuell sei, die SPD als Koalitionspartner an ihrer Seite zu haben. Solidarität zeige sich „nicht in Zeiten des Überflusses, sondern in denen der Krise“. Das Vorgehen des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz, geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer als „Sozialtouristen“ zu bezeichnen, sei Gwosdz zufolge daher „einfach nur schäbig“. Die Bürgerschaft dürfe deshalb beim Umgang mit den Geflüchteten nicht über das „Ob“, sondern einzig und allein über das „Wie“ diskutieren.
CDU kritisiert verfehlte Personalpolitik im Amt für Migration
Diesem Vorwurf hielt der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Andreas Grutzeck jedoch entschieden entgegen. Auch Grutzeck bezeichnete die Äußerung von Merz zwar als „misslungen“, warf dem rot-grünen Senat aber Überforderung bei der Unterbringung von Geflüchteten vor – die hätte vermieden werden können.
Wie die AfD verwies auch Grutzeck „auf den unkontrollierten Flüchtlingszustrom von 2015“ und auf verfehlte Personalpolitik im Amt für Migration. Das Solidaritätsangebot, das Hamburg den Geflüchteten aus der Ukraine gemacht habe, sei zwar „wichtig und richtig“ gewesen. Doch seien die „teilweise unzumutbar langen Wartezeiten bei der Registrierung und eine Unterbringung in Zelten“ eigentlich nicht hinnehmbar. Darüber hinaus fehle es den Hamburgerinnen und Hamburgern an Möglichkeiten, sich bei der Auswahl des Standorts von Flüchtlingsunterkünften zu beteiligen. Hier würden die bereits geschlossenen Bürgerverträge vom Senat „einfach vergessen“.
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Dem wiederum widersprach jedoch Carola Ensslen, Fachsprecherin für Flucht und Migration der Linken. Sie plädierte vielmehr dafür, „die Anstrengungen der Stadt bei der Unterbringung von Geflüchteten anzuerkennen“.