Hamburg. Geflüchtete müssen in Notunterkünften ausharren. Wie leben die Menschen dort? Ein Besuch an der Schnackenburgallee.

Es ist ein trostloses Bild, das sich am Mittwoch vor der Flüchtlingsunterkunft an der Schnackenburgallee bietet: Knapp eineinhalb Kilometer von der S-Bahn-Station Stellingen entfernt, nah am Volkspark, klopfen mehrere Männer in neonorangefarbenen Jacken Steine in die Erde. Sie bauen die Unterkunft aus. Neben ihnen mehrere Sandhaufen sowie ein kleiner Bagger. Hinter den Männern befinden sich dunkelgrüne Zelte und weiße Container, zwischen denen Kinder Fahrrad fahren. Immer und immer wieder im Kreis. Im Hintergrund kann man das dumpfe Rauschen der A 7 hören.

Vereinzelt strömen Leute aus der Unterkunft heraus. Die meisten von ihnen Ukrainerinnen­ und Ukrainer mit wenig Englischkenntnissen. Während die Stadt weiter hektisch nach neuen Plätzen für Geflüchtete sucht und sich fragt, wie viele Menschen noch kommen werden, leben die Betroffenen ebenfalls in Ungewissheit. 44.000 Menschen leben derzeit in mehr oder weniger festen Unterkünften – und auch für diejenigen, die wenigstens einen Platz im Wohncontainer haben, bringt der Herbst neue Fragen mit sich.

Wie Geflüchtete aus der Ukraine in Hamburg leben müssen

Unter ihnen ist an der Schnackenburgallee auch ein Ehepaar aus dem Donbass. Es geht an diesem Mittwochvormittag zur Arbeit. Ursprünglich aus Georgien, haben der 52 Jahre alte Künstler und seine drei Jahre jüngere Frau die letzten 32 Jahre in der Ukraine gelebt, erzählt der Mann. Nun wohne das Paar gemeinsam mit zwei weiteren Geflüchteten bereits seit drei Monaten in einem Container an der Schnackenburgallee. „Es ist okay hier“, sagt der gebürtige Georgier. „Man passt sich den Lebensbedingungen schnell an.“

Seine Frau nickt. Dadurch, dass sie eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis hätten und am Sonnabend in ein Hostel umziehen, sei alles halb so schlimm. „Wir sind Deutschland sehr dankbar“, tippt der Georgier auf Ukrainisch in das Übersetzungsprogramm seines Handys und hält es hoch. Eine dauerhafte Perspektive sehe das Paar aber nicht für sich in Hamburg, wie der 52-Jährige erklärt: „Ich möchte weiterhin als Künstler arbeiten und brauche dazu mein Zuhause in der Ukraine.“

Aus der Ukraine geflüchtet: Yana möchte bleiben

Ganz anders verhält es sich bei Yana. Die 45 Jahre alte Lehrerin, die aus der Nähe von Kiew stammt und mit ihrem 16-jährigen Sohn vor sechs Monaten nach Hamburg kam, möchte bleiben. „Ich lerne schon seit zwei Monaten Deutsch.“ Auch ihr Sohn wolle bleiben und hier studieren. Das Einzige, was den beiden nun noch fehle, sei eine Wohnung. „Am Anfang hat uns eine deutsche Familie bei sich aufgenommen“, erklärt die 45-Jährige.

Das ging jedoch nicht mehr – wegen einer Mischung aus Überlastung und Bürokratie, so erzählt es Yana. Die deutsche Familie habe noch zwei andere Familien aus der Ukraine beherbergt, die Behörden aber keine finanzielle Unterstützung leisten wollen. Der Platz für die Familien dort sei nicht ausreichend gewesen, habe es geheißen. Schließlich brachten die deutschen Gastgeber Yana und ihren Sohn zur Schnackenburgallee. „Auch wenn es vorher eng war, war es wenigstens warm und nicht so feucht wie bei uns hier in den Containern“, klagt die Ukrainerin. Durch die undichten Fenster werde es nachts sehr klamm in dem Raum, den sich die ukrainische Mutter mit zwei weiteren Frauen und ihrem Sohn teilt.

Yana aus der Ukraine – auf der Suche nach einer Wohnung

Um Hilfe bei der Suche nach einer eigenen Wohnung zu erhalten, ist die 45-Jährige an diesem Tag auf dem Weg zum Bezirksamt Eimsbüttel. So geht es auch einem 35-jährigen Libyer, der nach eigenen Angaben vor sieben Jahre für ein Medizinstudium in die Ukraine gezogen war, bevor er nun fliehen musste. „Es ist in Ordnung in den Containern, aber manchmal etwas kalt. Außerdem vermisse ich es, neben meiner Frau zu liegen“, sagt er. Auch er habe eine Aufenthaltserlaubnis, jedoch keine Wohnung.

Rostyslav Sukennyk vom Dachverband der ukrainischen Organisationen in Deutschland macht dafür die oftmals langwierige Bürokratie der Behörden verantwortlich. Sukennyk betont aber: „Wir sehen, wie sehr sich Sozial- und Innen­behörde um die Unterbringung aller Geflüchteten bemühen.“ Die Situation rund um die Geflüchteten sei derzeit aber insgesamt wieder „kritischer“, „weil auch die Spendenbereitschaft abnehme“. Doch auch dies wolle der Ukrainer auf keinen Fall als Vorwurf verstanden wissen. „Uns ist klar, dass die derzeitige Inflation die Menschen zum Sparen zwingt.“

Susanne Schwendtke ist die  Sprecherin von Fördern & Wohnen.
Susanne Schwendtke ist die Sprecherin von Fördern & Wohnen. © Fördern & Wohnen | Heike Günther

Trotz aller Not: Geflüchtete müssen sich in Hamburg gedulden

Der Bedarf an Unterbringung für weitere Neuankömmlinge nimmt jedoch nicht ab. Zwischen 30 und 50 Plätze seien es derzeit, erklärt Susanne Schwendtke von der städtischen Gesellschaft Fördern & Wohnen. Neben den Turnhallen an der Dratelnstraße und dem Ebelingplatz, die jeweils 150 Plätze bieten, ist seit Dienstag auch die Turnhalle an der Wendenstraße in Betrieb. Auch ein alter Supermarkt wird als weitere Notunterkunft vorbereitet. Geprüft werden auch Standorte in Bürogebäuden. Aber eine Belegung gehe „nicht von heute auf morgen“, sagt Schwendtke. Trotz aller Not sind nicht nur die Geflüchteten in Geduld gefordert.