Hamburg. Der ehemalige Fraktionschef der AfD wird nun Mitglied der CDU. Die sieht den Beitritt positiv. Was Christoph Ploß dazu sagt.

Eine Personalie erregt die Gemüter in der CDU: Der Wirtschaftswissenschaftler Jörn Kruse ist frisches Mitglied der Hamburger Union. Bis 2015 war der 74-Jährige der erste Vorsitzende des Landesverbands der AfD. Nach dem Einzug in die Bürgerschaft wurde er Fraktionschef der Alternative für Deutschland, bevor er sich mit der Partei überwarf. Im Herbst 2018 trat Kruse aus der AfD aus und gab den Fraktionsvorsitz ab. CDU-Landeschef Christoph Ploß sieht den Beitritt des früheren Professors für Wirtschaftspolitik an der Universität Hamburg positiv.

Der Kreisvorstand Nord hatte einstimmig entschieden, Kruse in die Union aufzunehmen. „Die CDU war immer dann erfolgreich, wenn sie christlich-soziale, liberale und konservative Strömungen vereint hat“, sagte Ploß dem Abendblatt. „Ein solcher Ansatz hat die Demokratie in Deutschland immer gestärkt.“ Auch dem Kreisvorstand Nord gehörten alle Strömungen an, betonte Ploß. Vor Kruse war Ulrike Trebesius, einst Landeschefin der AfD in Schleswig-Holstein, in der CDU aufgenommen worden. Sie war bereits 2015 aus der rechtspopulistischen Partei ausgetreten.

Ex-AfD-Chef Jörn Kruse tritt in die CDU ein

Trebesius und Kruse waren durch Bernd Lucke zu der 1993 neu gegründeten Partei gestoßen, die sich damals als euroskeptisch und rechtsliberal verstand. Parteigründer Lucke scheiterte aber bald, im Jahr 2015, an der einsetzenden Radikalisierung der Alternative für Deutschland. Kruse hatte die Partei erst 2018 verlassen, sich aber zuvor gegen den Rechtsdrall gestemmt: Nach dem Sturz Luckes 2015 kündigte er seine Mitarbeit in der Programmkommission der Bundespartei auf, 2016 kritisierte er das Programm seiner Partei als „unsäglich“.

2018 forderte er in einer Mail an die damaligen Bundesvorsitzenden Alexander Gauland und Jörg Meuthen eine klare Distanzierung von Rechtsradikalen – die AfD sei an einem „dramatischen Scheidepunkt“, so Kruse damals. Vergeblich. Inzwischen ist auch Meuthen aus der AfD ausgetreten. Doch die Aufnahme des früheren AfD-Chefs in der Hamburger Union ist ziemlich umstritten, sowohl wegen der Form als auch der Personalie selbst.

„Die Aufnahme eines früheren AfD-Chefs ist diffizil"

Nachdem das Abendblatt über den Beitritt exklusiv berichtet hatte, kam es zu einem „Telefonmarathon“ hochrangiger Christdemokraten. Kritik an der Aufnahme Kruses äußerte Marcus Weinberg, der Spitzenkandidat der CDU bei der Bürgerschaftswahl 2020. „Es gibt den Grundsatz in der Partei, über diffizile Personalien vorher auch im Landesvorstand zu sprechen. Die Aufnahme eines früheren AfD-Chefs ist diffizil und wirkt auf die gesamte Hamburger CDU.“

Weinberg sprach von einer „Belastung für die Partei“, weil sich viele an spalterische Stimmungsmache und an eine aggressive Meinungsmache gegen die CDU durch die AfD auch unter Kruse als Partei- und Fraktionschef erinnerten. „Bereits damals war die AfD eine sich radikalisierende Partei mit radikalisierenden Positionen, mit der wir nichts gemein haben!“

Kritik auch von Fraktionschef Dennis Thering

Auch Fraktionschef Dennis Thering äußerte Kritik – wenn auch diplomatischer. Als Jörn Kruse 2020 mit einem Eintritt in die CDU kokettierte, hatte Thering dem Ersuchen eine klare Absage erteilt. Gegenüber dem Abendblatt machte er nun klar, dass er die Personalie weiterhin kritisch sieht: „Es gilt unverändert: Wir haben als CDU keinerlei Schnittmengen mit der Ex-Partei von Herrn Kruse. Er hat sich mit der AfD während der fortschreitenden Radikalisierung gemein gemacht, sie an führender Stelle in Hamburg über viele Jahre repräsentiert und die immer wieder rassistischen, antisemitischen und antidemokratischen Äußerungen zumindest hingenommen.“

Ablehnend äußerte sich auch Anke Frieling, stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion. „Eines steht fest: Wir arbeiten nicht mit der AfD zusammen – deshalb hätte ich auch gegen seine Aufnahme gestimmt. In Altona jedenfalls wäre Herr Kruse nicht Mitglied der Union geworden.“ Auch aus anderen Stadtteilen Hamburgs erreichten sie irritierte Stimmen, sagt die Kreisvorsitzende aus Altona. „Wir müssen für die Zukunft unsere Haltung zu solchen Personalien klären.“

Ex-AfD-Fraktionschef in der CDU: AfD reagiert

Ploß hingegen sieht in der Neuaufnahme eine Kampfansage an die Alternative für Deutschland. „Die heutige AfD ist nur noch ein Sammelbecken von Rechtsradikalen und Rassisten in Deutschland“, sagte er. „Deswegen ist für mich klar: Mit der AfD kann es für die CDU keinerlei Zusammenarbeit oder Kooperation geben. Die AfD gehört auf den Scheiterhaufen der Geschichte.“ Sein Ziel als Landesvorsitzender sei, dass die AfD bei der nächsten Wahl aus der Bürgerschaft fliegt.

Die AfD reagierte empört: „Die unwürdigen Aussagen des pseudokonservativen Ploß lassen tief blicken“, sagte Landeschef Dirk Nockemann: „Die CDU sollte aufpassen, dass sie nicht selbst auf dem Müllhaufen der Geschichte landet. Der Wechsel in die ausgemerkelte CDU fügt sich ins Bild Kruses gescheiterter Parteikarriere, die längst vorüber ist. Mit dem Beitritt in die CDU bedient sie sich an politischer Ramschware.“