Hamburg. Dank des 9-Euro-Tickets wurden in Hamburg Millionen Autofahrten eingespart. Die Stadt will das Erfolgsmodell fortsetzen.

Der Erfolg des 9-Euro-Tickets könnte auch in Hamburg und dem Bereich des HVV kaum größer sein: 1,8 Millionen der Sondertickets wurden seit Anfang Juni im HVV-Einzugsgebiet bereits verkauft, hinzu kommen 680.000 Abonnenten, die statt für den regulären Preis für 9 Euro im Monat fahren. Weil viele Menschen aufgrund des günstigen Preises ihr Auto stehen ließen, gab es laut HVV bis zu fünf Millionen Autofahrten weniger pro Monat.

Mehr kann man auf die Schnelle für den Klimaschutz und einen entspannteren Straßenverkehr kaum tun. So sehr aber Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) am Dienstag in einer Zwischenbilanz den Effekt des Tickets lobte, so unklar ist, ob es ein Nachfolgemodell geben wird – und wie es aussehen könnte.

9-Euro-Ticket in Hamburg: HVV plant Nachfolgeangebot

„Es ist jetzt unsere politische Aufgabe in Bund und Ländern, dafür zu sorgen, die Stärken in einem attraktiven Nachfolgeangebot zu erarbeiten – dazu gehört eine Vereinfachung des Tarifsystems in Deutschland, aber auch eine weitere Verbesserung des Angebots“, sagte Tjarks. „Dies wird eine nationale Kraftanstrengung erfordern. Hamburg wird sich dafür einsetzen, dass dies gelingt.“

Bei einer Verlängerung des Modells müssten aus Sicht des Grünen-Politikers folgende Kriterien erfüllt sein: Das Ticket müsste deutschlandweit gültig und einfach sein (also ohne Preis- oder Zonengrenzen umgesetzt werden), und es müsste auch digital angeboten werden – in zwei Stufen. Neben einer „regulären Stufe“, einer „einheitlichen Flatrate für den deutschen Nahverkehr“, brauche man eine „Stufe darunter“, gemeint sind offenbar günstigere Preise für Menschen, die staatliche Hilfen beziehen, und für Kinder.

Mehr Geld für Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs

Dabei habe der Erfolg des 9-Euro-Tickets aber auch gezeigt, dass mehr Geld für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs nötig sei, so Tjarks. Beide Diskussionen müssten zusammen geführt werden: erstens die Diskussion über ein Nachfolgemodell und zweitens die über die Frage, wie sich der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gestalten lasse.

Dabei ließ Tjarks durchblicken, dass er einen vom Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ins Spiel gebrachten Flatrate-Preis für den „durchdachtesten Vorschlag“ hält. Der VDV hatte ein bundesweit gültiges Ticket für einen Monatspreis von 69 Euro vorgeschlagen.

CDU fordert 365-Euro-Ticket

Sollte es allerdings kein Nachfolgemodell für das 9-Euro-Ticket geben, werde der HVV aufgrund der höheren Kosten für Diesel und Strom, steigender Löhne und großer Ausbaupläne wohl erneut seine regulären Preise auch gegenüber den vorher gültigen Preisen erhöhen müssen, machte Tjarks deutlich: „Wir werden gucken, welchen Teil der Kosten wir umlegen müssen.“

Aus der Opposition dagegen wurden am Dienstag Forderungen nach einer eigenen Hamburger Lösung laut. „Uns überrascht der Erfolg des 9-Euro-Tickets überhaupt nicht. Es ist eher überraschend, dass SPD und Grüne davon so überrascht sind“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. „Die CDU fordert seit vielen Jahren die Einführung eines 365-Euro-Tickets. Für 1 Euro am Tag Busse und Bahnen nutzen – die Stadt Wien zeigt seit Langem, dass das funktioniert und der Anteil von Bussen und Bahnen am Mobilitätsmix dadurch deutlich gesteigert wird.“

"Vielleicht findet jetzt endlich ein Umdenken statt“

Neben einem breiten und zuverlässigen Angebot und attraktiven Bussen und Bahnen spiele der Preis „natürlich eine entscheidende Rolle für die Nutzung des Nahverkehrs“, so Thering, „gerade in Zeiten hoher Inflation“. Es sei „seit Jahren verwunderlich, dass SPD und Grüne diesen Weg bisher nicht einschlagen wollten. Vielleicht findet jetzt endlich ein Umdenken statt.“

Das Rückgrat der umweltfreundlichen Mobilität zu jeder Jahreszeit und unter allen Wetterbedingungen könne in Hamburg „nur der HVV sein, die Fahrradstadt ist es nicht“, so der CDU-Politiker. „Da das 9-Euro-Ticket auf Dauer so nicht finanzierbar ist, erneuern wir unsere Forderung an den rot-grünen Senat, ein 365-Euro-Jahresticket einzuführen.“

„Der Senat muss aber nicht auf den Bund warten"

Für Linken-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann zeigt der große Erfolg des 9-Euro-Tickets, „wie wichtig der Preis für die Entscheidung ist, Bus und Bahn zu nutzen“. Bisher sei dies vom Senat immer bestritten worden. „Ohne Frage ist eine dauerhafte Fortführung dieses Tickets nur mit finanzieller Unterstützung des Bundes möglich“, räumte Sudmann ein.

„Der Senat muss aber nicht auf den Bund warten, sondern kann seinen jährlichen Zuschuss an den HVV erhöhen und damit die Fahrpreise wenigstens schon mal senken, statt sie zu erhöhen. Eine Erhöhung der HVV-Fahrpreise ist der völlig falsche Weg in der aktuellen Klimakrise, die schließlich auch durch den hohen Pkw-Verkehr immer weiter verschärft wird“, so Sudmann. Es sei „jede Anstrengung zu unternehmen, die mehr Menschen aus dem Auto in den ÖPNV bringt. Monatlich vier bis fünf Millionen Autofahrten weniger in Hamburg und im Umland sollten Anreiz genug sein, die Preise zu senken.“

HVV lockt mit Sonderangebot für ProfiTicket

AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann bezeichnete das 9-Euro-Ticket als „dauerhaft nicht finanzierbar“ und als „kurzfristige Symbolpolitik“, die wegen zu geringer Kapazitäten zu „so vielen fluchenden Berufspendlern“ wie nie zuvor geführt habe. SPD-Verkehrspolitiker Ole Thorben Buschhüter sagte, man müsse nun die „Gunst der Stunde nutzen“ und ein Nachfolgemodell entwickeln. Dabei stehe der Bund „weiterhin in der Verantwortung“, so Buschhüter. „Das Erreichte verfallen zu lassen ist für uns keine Option.“

HVV-Geschäftsführerin Anna-Theresa Korbutt präsentierte zwei Aktionen, mit denen der HVV seine Kunden auch nach Ende des 9-Euro-Tickets im September bei Laune halten will. So sollen jetzt unter www.hvv.de/gewinn „999 Vollzeit-Abonnements für je 9 Euro pro Monat verlost werden“, die bis September 2023 hvv-weit gelten. Und für Neukunden soll das Profiticket bis Ende 2022 nur noch 9 Euro kosten – allerdings pro Woche.