Hamburg. Stadt prüft Förderung für Energieeffizienz im sozialen Wohnungsbau. Denkbar ist Umnutzung von Büro- und Geschäftsflächen fürs Wohnen.
Den Mietenanstieg zu bremsen und weiteren Wohnraum zu schaffen, gleichzeitig aber bei Neubauten und Sanierungen auf Energieeffizienz zu achten, dem Klima zuliebe, und möglichst viele Grünflächen nicht anzutasten – diesen Konflikt zu lösen dürfte schwer werden. Doch das sollte, ja, es muss machbar sein, damit die Hansestadt lebenswert bleibt – darin waren sich die Teilnehmenden einer Podiumsdiskussion am Dienstagabend im Ausbildungszentrum Bau in Steilshoop einig.
„Klimaschutzmaßnahmen erfordern Investitionen und treiben tendenziell auch die Wohnkosten in die Höhe“, sagte Michael Seitz, Sprecher der Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft. Aber: „In jeder Herausforderung liegt auch eine Chance für Innovation und Aufbruch.“ Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) versicherte: „Es bleibt ein zentrales Ziel des Senats, günstige immobilienwirtschaftliche Kosten für die Unternehmen und bezahlbare Mieten für die Bürgerinnen und Bürger zu erhalten.“
Stadtentwicklung: klimaschonendes Bauen
Tschentscher stellte allerdings in Frage, ob es angesichts zunehmender Baukosten noch sinnvoll ist, möglichst nach dem besonders klimaschonenden KfW-40-Standard zu bauen. „Wir wollen eine Strategie, bei der wir sowohl im Bestand, was die energetische Sanierung angeht, als auch im Neubau mit den Ressourcen, die wir haben, möglichst große Schritte vorankommen in der CO2-Reduzierung“, sagte der Bürgermeister. „Und das muss nicht der beste, teuerste Standard für den Neubau sein.“
Er sehe eine „immer stärkere Tendenz“, dass Bürger zwar den Bau zusätzlicher Wohnungen in Hamburg grundsätzlich befürworteten, weil es eine große Nachfrage gibt, aber dieser Wohnungsbau sollte dann möglichst nicht vor der eigenen Haustür geschehen. „Ich glaube aber“, so der Bürgermeister, „dass wir eine urbane Verdichtung akzeptieren sollten.“ Diese sei auch „ökologisch vernünftig“. Wenn etwa in die Höhe gebaut werde, nehme dies weniger Fläche in Anspruch, wobei die benötigte Infrastruktur meist schon vorhanden sei. „Eine Infrastruktur, die in die Fläche geht, ist viel teurer, als wenn sie eine urbane Verdichtung machen an der ein oder anderen Stelle“, sagte Tschentscher.
Wohnungsbau auf Gewerbe- und Verkehrsbrachen denkbar
Wie die Stadt höhere Kosten durch klimaschonendes Bauen abfedern will, erläuterte Monika Thomas, Staatsrätin der Stadtentwicklungsbehörde. „Für Neubauvorhaben im sozialen Wohnungsbau prüfen wir nach dem Wegfall der Bundesförderung derzeit ein Förderangebot für energetisch anspruchsvolle Standards.“ Die Corona-Pandemie habe die Art, wie wir wohnen und vor allem arbeiten, stark beeinflusst. Vieles davon werde bleiben, etwa eine verstärkte Nutzung des Homeoffice. „Das kann den Bedarf an Büro- und Einzelhandelsflächen sowie Übernachtungskapazitäten in Zukunft verändern“, sagte Thomas. „Darum denken wir verstärkt über innovative Umnutzungsmöglichkeiten nach und sehen auch die Chancen für eine weitere Belebung der Innenstadt.“
Die Voraussetzung dafür, dass Klimaschutz und bezahlbares Wohnen gemeinsam funktionierten, seien „Pragmatismus und Technologieoffenheit“, sagte Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen. Er verwies auf einen von der städtischen Wohnungsgesellschaft Saga entwickelten Quartiersansatz. „Dabei wird eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes durch unterschiedliche technische Lösungen auf Quartiersebene umgesetzt. Das ist nachhaltig und gefährdet nicht die niedrigen Mieten“, sagte Breitner.
Mehr Wohnraum in der Hamburger Innenstadt sei zwar eine richtige Antwort auf die Pandemie. „Allerdings ist angesichts der astronomischen Grundstückskosten in der Innenstadt das bezahlbare Wohnen reine Utopie. Hier muss die Stadt ansetzen, um zu verhindern, dass nur Reiche sich teure Luxusapartments leisten können.“
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Vertikale Flächen von Häusern für Begrünung nutzen
Jörg Knieling, Professor für Stadtplanung an der HafenCity Uni und Vorstandsmitglied des BUND Hamburg, forderte, dass ein „Netto-Null-Flächenverbrauch“ zur Maxime der Stadtentwicklung werden müsse. Dieser Ansatz sieht vor, das Verhältnis von bebauter und unbebauter Fläche trotz weiterer Entwicklungen beizubehalten, indem für den „Verbrauch“ von Flächen zum Ausgleich an anderen Stellen ebenso große Flächen entsiegelt werden, etwa Verkehrswege. Knieling plädierte außerdem für Wohnungsbau auf Gewerbe- und Verkehrsbrachen und die Umnutzung von Bürogebäuden und schlug vor, auch stärker über Wohnungen im Hamburger Hafen nachzudenken.
„Neue Grünflächen und Parks einfach dazwischenzuzaubern geht nicht“, sagte Alexandra Czerner, Architektin und Stadtplanerin bei czerner götsch architekten. Es sei aber gut möglich, die vertikalen Flächen von Häusern zu nutzen. „Die große, ungenutzte Flächenressource der Städte sind die geschlossenen Fassadenflächen, die durch bodengebundene Begrünung in den unteren Etagen und durch Pflanzkästen und Pflanzsysteme in höheren Lagen ökologisch aktiviert werden. Damit würde die Luft gereinigt, zudem Sauerstoff produziert und im Sommer die überhitzten Fassaden verschattet und gekühlt werden.“