Hamburg. Die Ampel hat in der Hansestadt gewonnen: Doch wie Frauen und Männer, Junge und Alte genau abgestimmt haben, ist erst jetzt ausgewertet.

Dass SPD, Grüne und FDP die Gewinner der Bundestagswahl sind, ist hinlänglich bekannt: Doch wer in Hamburg wem die meisten Stimmen gegeben hat – Frauen und Männer, Junge und Alte – darüber gibt das Wahlergebnis allein keine Auskunft. Das Statistikamt Nord hat am Mittwoch seinen Wahlbericht für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag vorgestellt, der diese Fragen beantwortet.

Zum Beispiel zur Wahlbeteiligung: Die liegt insgesamt bei 77,8 Prozent, zeigt aber deutliche Unterschiede je nach Geschlecht und Alter. Die Quoten reichen von 80,9 Prozent bei den Frauen im Alter zwischen 45 und 59 Jahren bis zu 71,9 Prozent bei den Männern im Alter von 18 bis 24 Jahren. Insgesamt liegt sie trotz des mit Abstand größten Zuwachses (+11,4 Prozentpunkte) bei den jüngsten Wählerinnen und Wählern mit 73,5 Prozent am niedrigsten, bei den 45- bis 59-Jährigen mit 80,0 Prozent (+2,1 Prozentpunkte) am höchsten.

Bundestagswahl 2021 in Hamburg: Je jünger, desto liberaler

Deutlich größer sind die Spannweiten innerhalb der für eine Partei abgegebenen Stimmen: Speziell die CDU ist in Hamburg stark auf ihre Stammwähler angewiesen. Während sie bei Wählern unter 25 Jahren mit 6,3 Prozent der Zweitstimmen nur wenig über der Fünf-Prozent-Hürde liegt, retten die über 70-Jährigen, die zu fast einem Drittel der CDU ihre Stimme gaben, die Partei vor noch größeren Verlusten. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich bei der SPD: Für sie stimmten zwar 42,5 Prozent der Hamburger im Bereich 70+ – aber nur 16,1 Prozent der 18- bis 24-Jährigen.

Umgekehrt liegt der Fall bei Grünen und SPD: Überdurchschnittlich viele junge Wähler gaben den anderen beiden Ampelparteien ihre Zweitstimme. Bei den 25- bis 34-Jährigen in Hamburg kommen die Grünen auf 38,2 Prozent; die FDP bekam 19,1 Prozent der Stimmen, die von 18- bis 24-Jährigen in Hamburg abgegeben wurden. Einstellig ist die Ökopartei in Hamburg aber inzwischen nur noch bei den über 70-Jährigen(8,5 Prozent). Die FDP verzeichnet mit 9,3 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei den 60- bis 69-Jährigen.

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Bei den beiden kleinsten Parteien, der Linken und der AfD, fallen die Unterschiede naturgemäß geringer aus, jedoch lassen sich auch dort Tendenzen ausmachen: Während die Linke einen ähnlichen Verlauf wie Grüne und FDP aufweist (von 10,8 Prozent bei den 18- bis 24-Jährigen bis 2,8 Prozent im Bereich 70+), hat die AfD in Hamburg ihren im Vergleich größten Rückhalt bei den 45- bis 59-Jährigen (6,7 Prozent) – zu den Rändern der Alterspyramide hin fällt die Zustimmung noch weiter ab.

Bundestagswahl: Das Ergebnis nach Geschlechtern getrennt

Auf den ersten Volksparteien-Blick treffen Männer und Frauen in Hamburg nicht allzu unterschiedliche Wahlentscheidungen: Wählten nur die Frauen, wäre die SPD etwas stärker (30,9 statt 29,7 Prozent), wählten nur die Männer, wäre das Wahldebakel für die CDU noch ein wenig deutlicher ausgefallen (14,7 statt 15,4 Prozent).

Doch bei den weiteren Parteien sind Hamburgerinnen und Hamburger teils ganz anderer Meinung: Würden nur die Stimmen der Hamburgerinnen gezählt, das historische Ergebnis der Grünen wäre noch etwas besser ausgefallen (27,0 statt 24,9 Prozent). Und die AfD hätte auf Landesebene die Fünf-Prozent-Marke klar verfehlt (3,6 statt 5,0 Prozent). Und ginge es nur nach den Männern, wäre die FDP auf Augenhöhe mit der CDU (14,0 statt 11,4 Prozent).

Insgesamt stärken die Hamburgerinnen SPD, CDU und Grüne, die Hamburger Linke, FDP und AfD.

Gewinne und Verluste: Jung stärkt grün, alt die SPD

Vergleicht man schließlich die Ergebnisse des Jahres 2021 mit denen der Bundestagswahl 2017, lassen sich weitere Trends ausmachen: Während die Grünen ihren Wahlerfolg speziell den jungen Wählerinnen und Wählern zu verdanken haben, aber bei allen Altersegmenten zugelegt haben, sind es bei der SPD besonders die älteren, die für den Stimmzuwachs der Sozialdemokraten gesorgt haben.

  • Die SPD verliert beim wählenden Nachwuchs mit -6,1 Prozentpunkten deutlich an Boden, kommt aber speziell durch eine zweistellige Zuwachsrate (je +11,5 Prozentpunkte) bei den 60- bis 69-Jährigen und der Altersgruppe 70+ auf insgesamt 6,4 Prozentpunkte mehr Stimmen als vor fünf Jahren.
  • Die Grünen gewinnen in allen Altersgruppen Unterstützer hinzu; speziell die 25- bis 34-Jährigen (+19,1) aber auch die beiden weiteren Segmente unter 45 (18-24: +13,9; 35-44: 13,7) sorgen für das sehr gute Abschneiden (+10,1) der Ökopartei.
  • Ginge es nur nach den Erst- und jungen Wählern, das schlechte CDU-Ergebnis wäre noch deutlich schlechter. Die Christdemokraten verlieren in allen Altersgruppen, besonders deutlich aber bei den 35- bis 44-Jährigen (-14,0) und den beiden jüngeren Segmenten (18-24: -13,8; 25-34: -12,1).
  • Dass die FDP ihr Ergebnis im Vergleich zur vorangegangenen Bundestagswahl in Hamburg sogar leicht verbessern konnten, liegt in erster Linie an den Erstwählern: In der Altersgruppe 18 bis 24 Jahre gewinnen die Liberalen 8,9 Prozentpunkte hinzu. Ansonsten fallen die Zugewinne bescheidener aus, bei den älteren Hamburgerinnen und Hamburgern verlieren sie sogar Stimmen (60-69: -1,3; 70+: -4,5).
  • Die Linke verliert durch die Bank an Unterstützung in Hamburg, besonders deutlich bei den 25- bis 34-Jährigen: Dort büßt die Partei 9,2 Prozentpunkte ein. Am niedrigsten fällt der Verlust in dem Segment aus, in dem die Linke ohnehin nur wenige Wähler hat, den Hamburgerinnen und Hamburgern über 70 Jahre (-2,3).
  • Die AfD, die in Hamburg ohnehin nur wenige Wählerinnen und Wähler mobilisiert, verliert weiter an Zuspruch. In allen Altersgruppe verlor sie Stimmanteile, speziell bei den 60- bis 69-Jährigen (-4,7).

Zweitstimme FDP – Erststimme Linke?

Wer sich mit der Zweitstimme für eine Partei entschieden hat, der oder die gibt dieser Partei auch die Erststimme. Das stimmt zwar für den Großteil der Wählenden in Hamburg, jedoch gibt es auch hier Unterschiede. Erst- und Zweitstimme der gleichen Partei geben vor allem Wählerinnen und Wähler von CDU (87,6 Prozent), AfD (84,3) und SPD (84,2).

Bei der FDP hingegen gingen nur 58 Prozent der Erststimmen auch an die Liberalen – fast ein Viertel der Wählenden (23,2 Prozent) gab die Erststimme der CDU – und 0,8 Prozent der FDP-Anhänger beschlossen, ihre Erststimme einem Kandidaten der Linken zu geben. Ähnliche Ausreißer gibt es sogar bei der AfD: Tatsächlich gingen sogar mehr der "fremd" verteilten Erststimmen an die Linke (0,5 Prozent) als an die Grünen (0,3 Prozent). Umgekehrt ist die Abneigung sogar noch deutlicher: Aus dem Lager der Grünen entfielen keine Erststimmen auf die AfD.

Das Statistikamt Nord hat für seinen Wahlbericht eine Stichprobe von 62 Wahlbezirken ausgewertet. Zusätzlich teilt das Amt mit, dass die Geschlechtsausprägungen "divers" und "ohne Angabe im Geburtsregister" den Ergebnissen der Männer zugeschlagen wurden.