Hamburg. Hamburgs Bürgermeister und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident sprechen über die Pandemie und die neue Bundesregierung.

Es war das politische Gipfeltreffen im Norden: Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) diskutierten beim Abendblatt-Neujahrsempfang über die Bekämpfung der Pandemie, die im Norden weit verbreitete Omikron-Variante, die Radikalisierung der Impfgegner – aber auch über das Verhältnis der beiden Bundesländer und ihre Erwartungen an die Scholz-Regierung.

Heute vor einem Jahr haben wir schon einmal über Corona gesprochen. Wir hatten alle gehofft, das ist erledigt. Die Hamburger und Schleswig-Holsteiner waren immer stolz darauf, dass sie so gut waren. Das hat sich jetzt geändert. Hamburg und Schleswig-Holstein sind jetzt die Länder mit den höchsten Inzidenzen – obwohl wir hohe Impfquoten, obwohl wir scharfe Maßnahmen haben. Was ist da los und was heißt das eigentlich für die Länder, wo die Impfquoten niedriger sind, wenn jetzt schon Hamburg und Schleswig-Holstein auf Inzidenzen von 400, 500, 600 zurollen?

Daniel Günther: Es ist richtig, dass die Inzidenzen jetzt bei uns deutlich höher sind. Hamburg und Schleswig-Holstein sind jetzt auf den Plätzen drei und vier im Ranking. Das hatten wir in der Tat bisher selten. Wir hatten auch mal Phasen, wo es ein bisschen nach oben ging, aber man muss immer sagen, eine Inzidenzfixierung gibt es jetzt auch nicht mehr. Das ist nicht das einzige Kriterium, das wichtig ist, sondern viel wichtiger ist zu gucken, wie die Situation in den Krankenhäusern ist. Und die ist ja in beiden Ländern relativ entspannt im Gegensatz zu anderen Situationen. Wir haben wenig Intensivkapazitäten genutzt. Wir hatten zum Beispiel im Januar letzten Jahres, als wir uns hier getroffen haben, über 500 Krankenhausbetten belegt, jetzt sind wir bei 200 in Schleswig-Holstein. Von daher ist die Situation dort weit entspannter, als vielleicht die Inzidenzen das im Moment nahelegen.

Aktuelle Inzidenz heute in Hamburg, Herr Bürgermeister, haben Sie neue Zahlen? Wahrscheinlich ist die Inzidenz bei 500?

Peter Tschentscher: Die RKI-Zahlen, die ja eine Vergleichbarkeit ermöglichen, liegen, glaube ich, bei knapp unter 400. Aber es wird weiter nach oben gehen, denn der Grund dafür, dass wir jetzt diese hohen Inzidenzen im Norden haben, liegt sehr wahrscheinlich in der Omi­kron-Variante, jedenfalls in Hamburg ist das offensichtlich der Fall.

Aber warum bei uns? Bei anderen Ländern hat man den Eindruck, da ist jetzt erst mal Pause, und bei uns im Norden explodieren die Zahlen.

Tschentscher: Die These ist, dass die Nähe zu Dänemark eine Rolle spielt, wo ja die Omikron-Variante schon seit Längerem sehr stark präsent ist. Das bedeutet aber auf der anderen Seite, dass es in ganz Deutschland jetzt zu dieser Welle kommen wird, denn auch in anderen Bundesländern tritt diese Variante auf. Erst gibt es vereinzelte Nachweise, und dann, weil eben auch die vollständig Geimpften infiziert werden können, kommt es zu einer sehr, sehr starken Ausbreitung. Deswegen müssen wir boostern.

Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider (l.) im Gespräch mit Bürgermeister Peter Tschentscher (M.) und Ministerpräsident Daniel Günther.
Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider (l.) im Gespräch mit Bürgermeister Peter Tschentscher (M.) und Ministerpräsident Daniel Günther. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Unbekannt

Sind Sie beide eigentlich schon geboostert?

Tschentscher: Ich bin am Neujahrstag aufgefrischt worden.

Günther: Ich glaube, am 16. Dezember hatte ich meine Boosterung.

Spät!

Tschentscher: Nein, das ist, was empfohlen ist. Meine Immunisierung ist fünf Monate her. Das ist das, was von der Medizin empfohlen ist. Und insofern ist das sehr genau im Zeitplan.

Günther: Ich hatte die fünf Monate abgewartet. Ich hatte die erste Impfung mit Astrazeneca, danach konnte man die zweite Impfung ja erst deutlich später machen, weil der Abstand größer sein musste, deswegen war ich mit dem Boostern halt noch nicht dran. Und wir drängeln uns natürlich auch nicht vor.

Sie beide sagen, wir brauchen eine Impfpflicht. Worauf warten wir noch? Muss die Impfpflicht nicht möglichst schnell kommen?

Günther: Ja, sie muss möglichst schnell kommen, und im Übrigen haben wir das ja auch mitein­ander verabredet. Es gibt einen klaren Beschluss von Bund und Ländern, dass die Impfpflicht im Februar oder März kommt. Mein Wunsch ist, dass das so schnell wie möglich erfolgt. Ich finde, es gibt keinen Grund, jetzt zu zögern, denn wir merken ja jeden Tag neu, wie wichtig das Impfen ist, um aus dieser Pandemie herauszukommen. Und damit wir dauerhaft draußen bleiben, muss diese Impfpflicht sein.

Es wird auch über eine Verkürzung der Quarantäne von jetzt 14 Tagen diskutiert. Wie lange sollte eine Quarantäne dauern?

Günther: Möglichst kurz, sodass es auch möglich ist, sich freizutesten. Wir haben ja die absurde Situation, dass wir zwar bei 2G-plus-Regelungen die Regel haben, dass, wenn man geboostert ist, sich nicht testen lassen muss. Das Gleiche gilt aber nicht bei den Quarantäneregeln.

Herr Bürgermeister, wie schnell geht es denn, die Quarantäneregeln zu verkürzen?

Tschentscher: Es geht ja darum, dass der Sinn der Quarantäne aufrechterhalten bleibt. Der Sinn ist ja, dass man diese Infektion nicht sofort weitergibt. Wir brauchen eine klare medizinische Einschätzung, wie bei Omikron und den Geimpften die Quarantäne sein muss, damit diese Schutzwirkung aufrechterhalten bleibt. Wir können das jetzt nicht einfach beliebig verkürzen, dann bringt es gar nichts mehr, sondern es muss eine fachliche Empfehlung geben, und die kann man dann sofort umsetzen. Da brauchen wir nicht lange. Wir müssen unseren Gesundheitsämtern sagen, wie die Regel ist, und dann kann das sofort umgesetzt werden.

Bekommen wir das mit dem Freitesten hin, nach sechs oder sieben Tagen? Und wenn Zehntausende Leute einen PCR-Test benötigen, haben wir überhaupt die Kapazitäten dafür?

Tschentscher: Für diese Freitestung würde ich sagen: Ja. In anderen Bereichen haben wir das zurückhaltend beurteilt. Wenn wir etwa das Screening in den Schulen mit PCR-Tests machen, dann kommen wir leicht an die Kapazitätsgrenzen. Aber für ein Freitesten aus einer Quarantäne müssten die Laborkapazitäten reichen.

Mal was Optimistisches: Wir haben uns die Entwicklung in Südafrika und Dänemark angeguckt. Die ist so ähnlich wie jetzt in Schleswig-Holstein und Hamburg. Es geht steil bergauf ungefähr drei, dreieinhalb Wochen – und dann, die gute Nachricht, geht es auch steil wieder bergab.

Tschentscher: Noch besser ist die Nachricht, dass die Krankenhausbelastung in Dänemark trotz dieser sehr hohen Inzidenzen eben nicht so stark gestiegen ist.

Die haben so viele Intensivpatienten wie Hamburg, 71, oder?

Tschentscher: Bei fast sechs Millionen Einwohnern. Das ist schon ein gutes Zeichen. Natürlich hat die Pandemie immer Überraschungen parat. Aber momentan habe ich auch die Zuversicht, dass wir in dem jetzigen Regime durch die nächsten Wochen kommen und dass wir dann im Frühjahr wieder bessere saisonale Bedingungen haben, dass die Impfpflicht dazukommt und dass wir dann im Laufe dieses Jahres aus dieser Pandemie herauskommen.

Sind wir dann in Norddeutschland vielleicht die Ersten, die reinkommen, aber auch Mitte Januar, Ende Januar die, die schon wieder raus sind?

Tschentscher: Das wäre jedenfalls eine positive Perspektive, und wir wollen ja nicht nur Mut und Leidenschaft, sondern auch Optimismus haben in Hamburg.

Fürchten Sie, dass die Querdenker in Ihren Ländern bei einer generellen Impfpflicht weiteren Zulauf haben?

Günther: Nein, das befürchte ich nicht. Es ist wichtig, dass der Staat mit so einer Impfpflicht eine klare Erwartungshaltung formuliert. Wir haben zu dieser Frage anfangs vielleicht nicht besonders glücklich kommuniziert, indem wir eine Impfpflicht zunächst sehr klar ausgeschlossen haben. Wir brauchen aber jetzt eine deutlich höhere Impfquote, um aus der Pandemie herauszukommen. Diesen Wechsel der Strategie hätten wir besser erklären können. Ich bin dennoch zuversichtlich, dass die Impfpflicht es den Menschen, die skeptisch sind, eher leichter macht, diesen Schritt zu gehen. Die Impfpflicht ist einzuhalten. Es ist eher eine Hilfe, wenn der Staat klar kommuniziert.

Trotzdem ist eine Radikalisierung der Querdenker-Szene zu beobachten – auch mit Drohungen gegenüber Politikern. Wie können diese Menschen für die Demokratie zurückgewonnen werden?

Tschentscher: Indem man sie nicht im ersten Angang gleich kriminalisiert. Es ist legitim zu sagen, ich habe eine andere Meinung. Trotzdem habe ich auch den Eindruck, dass der Protest energischer wird, auch wenn ich nicht mit mehr Zulauf rechne. Weil die Impfpflicht eine weitgehende Maßnahme ist, rechne ich damit, dass sich die Impfgegner noch klarer und härter artikulieren. Das muss in einer Demokratie möglich sein, aber es muss nach den Regeln verlaufen. Es darf nicht zu Drohungen, Gewalt oder Ausschreitungen kommen.

Trotzdem noch einmal die Frage: Kann man diejenigen, die gewaltbereit sind, gar nicht mehr erreichen? Sind das Menschen, die wir mehr oder weniger verloren haben?

Günther: Diejenigen, die dem Staat ablehnend gegenüberstehen, haben mit dem Impfthema nur eine Fläche gesucht, um ihre Ziele zu artikulieren. Die würden auch wegen anderer Themen auf die Straße gehen. Ich mache hier einen Unterschied zu Menschen, die einer Impfung gegen Corona skeptisch gegenüberstehen. Diesen Menschen müssen wir immer wieder erläutern, dass und warum diese Maßnahmen nötig sind. Und ich bin überzeugt: Diese Menschen können wir in die Mitte der Gesellschaft zurückholen. Anders ist es bei denen, die für keine Kommunikation mehr empfänglich sind. Das hat mit Corona nichts zu tun.

Ein anderes Thema: Der Nordstaat ist zwar nicht in Sicht, aber auch ohne ihn arbeiten Hamburg und Schleswig-Holstein in vielen Punkten sehr eng zusammen. Was läuft gut?

Günther: Die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern läuft auf allen Ebenen ausgesprochen gut. Wir beide haben persönlich einen sehr engen Kontakt. Wir kennen unsere Handynummern. Und wenn es Herausforderungen gibt, die beide Länder betreffen, dann reden wir miteinander und finden auch Lösungen. Bei den Landesplanungen arbeiten wir immer enger zusammen. Bei investitionsbereiten Unternehmen haben wir heute eine gemeinsame Strategie, wie wir um Ansiedlung werben. Vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit funktioniert auch ohne Nordstaat hervorragend – sie wird von Jahr zu Jahr besser.

Tschentscher: Wir arbeiten auch im Hintergrund zusammen, ohne dass man das sofort mitbekommt. Das gilt zum Beispiel dafür, dass die S 4 jetzt kommt oder dass wir auf die Fehmarnbeltquerung eingestellt sind.

Das Verhältnis zwischen den Regierungschefs beider Länder war immer dann am besten, wenn sie unterschiedlichen Parteien angehörten – wie jetzt auch. Sollte Herr Günther im Interesse Hamburgs also auch nach der Landtagswahl im Mai Ministerpräsident bleiben, Herr Tschentscher?

Tschentscher: Ich werde mich jetzt nicht in den Wahlkampf in Schleswig-Holstein einmischen. Das Verhältnis zwischen Olaf Scholz und Torsten Albig, beide Sozialdemokraten, war auch sehr eng und positiv. Ich habe ein gutes Verhältnis zu Daniel Günther, kenne Thomas Losse-Müller aber auch seit vielen Jahren und weiß, dass er ein sehr geeigneter Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten ist. Deswegen bin ich sicher, dass die gute Zusammenarbeit in jedem Fall fortgeführt wird.

In der jüngsten Umfrage von Mitte November liegt die SPD mit 28 Prozent erstmals vor der CDU mit 21 Prozent. Hat Sie das überrascht, Herr Günther? Und sind Sie deswegen nervös?

Günther: Nein, das hat mich nicht überrascht, und nervös bin ich gar nicht. Aber ich weiß, dass Wahlkampf Kampf bedeutet. Ein Wahlsieg wird einem nie geschenkt. Die aktuelle Umfrage bewegt sich im Bundestrend. Und bei den vergangenen Wahlen haben wir festgestellt, dass sich der Landestrend immer stärker durchsetzt, je näher der Wahltermin rückt. Das war auch in Hamburg 2020 so, als Peter Tschentscher bei der Bürgerschaftswahl weit über dem Bundestrend seiner Partei lag.

Tschentscher (lacht): Wir waren am Ende bei über 39 Prozent, während die SPD im Bundestrend bei unter 15 lag.

Günther: Das war ein sensationelles Ergebnis. Ich bin sehr optimistisch, dass unsere Umfragewerte, wenn sich der Landestrend durchsetzt, stetig besser werden.

Ist das gute Abschneiden der SPD vor allem Folge des Ergebnisses der Bundestagswahl, Herr Tschentscher? Und hält der Scholz-Effekt bis zur Landtagswahl?

Tschentscher: Der Scholz-Effekt ist unabhängig von Wahlterminen. Aber es ist so, wie Herr Günther sagt. Landtagswahlen sind Landtagswahlen, in denen sich Regierung und Opposition selbst präsentieren und behaupten müssen. Ich glaube auch, dass die letzten Wochen vor der Wahl ein klareres Bild zeigen. Im Moment spiegeln Umfragen eine Stimmung wider, bezogen auf die Landtagswahl kann man sich zum jetzigen Zeitpunkt also weder ausruhen, noch muss man sich allzu große Sorgen machen. Alle Parteien in Schleswig-Holstein sollten sich jetzt auf die Themen konzentrieren, die für das Land wichtig sind. Das honorieren Bürgerinnen und Bürger am ehesten. So ist es auch in Hamburg gewesen.

Herr Günther, wer wird mit welchem Bündnis Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren regieren?

Günther: Wenn ich das wüsste, wäre ich noch entspannter (lacht). Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Jamaika-Koalition fortsetzen möchte. Ich sage sehr selbstbewusst, dass die Regierung aus CDU, Grünen und FDP Schleswig-Holstein in den vergangenen fast fünf Jahren gutgetan hat. Und ich habe keinen Anlass, über Veränderungen nachzudenken.

Herr Tschentscher, wie will die SPD das verhindern?

Tschentscher: Das sollten Sie Thomas Losse-Müller fragen. Er ist ein sehr guter Spitzenkandidat der SPD, der das Land und die Leute kennt. Ich habe mit ihm zusammengearbeitet in einem sehr schwierigen Thema, als wir die Länder vor den milliardenschweren Folgen des HSH-Nordbank-Desasters schützen mussten. Mit Daniel Günther und Thomas Losse-Müller treten zwei sehr gute Politiker an, die Vorstellungen haben, wie das Land sich weiterentwickeln soll. Wenn ich eine Wahlempfehlung geben sollte, wissen Sie, wie sie ausfällt, schließlich sind wir ja nicht im politisch luftleeren Raum unterwegs (lacht). Aber ich möchte von hier aus keinen Wahlkampf machen.

Der Bundeskanzler aus Hamburg, der Vizekanzler aus Flensburg – profitieren die Bundesländer im Norden in den nächsten vier Jahren von dieser seltenen Konstellation?

Günther: Zumindest ist es kein Schaden. Norddeutsche Sachlichkeit und Gelassenheit hilft unseren Bundesländern und wird auch auf Bundesebene helfen. Ich denke, wir können von dem profitieren, was zur Energie- oder Wirtschaftspolitik im Koalitionsvertrag hinterlegt ist. Als überzeugter Norddeutscher weiß ich, dass norddeutsche Politiker auch nicht ganz so egoistisch arbeiten, wie man es in der Vergangenheit gewohnt war. Deshalb gehe ich davon aus, dass die beiden Wert darauf legen, dass es insgesamt in Deutschland gut vorangeht. Das ist in unserem gemeinsamen Interesse.

Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung?

Tschentscher: Dass das, was vereinbart wurde, umgesetzt wird. Dafür steht Olaf Scholz ein. Die maritimen Themen oder die Wasserstoffstrategie können unseren Bundesländern sehr viel Rückenwind geben, mehr als zuletzt.

Jahrelang wurde der Süden bei der Förderung großer Infrastrukturvorhaben auf der Schiene und der Straße durch den Bund bevorzugt. Erkennen Sie jetzt eine Trendwende zugunsten des Nordens?

Tschentscher: Wir sind ja schon froh, wenn die Entscheidungen nach streng sachlichen Kriterien getroffen werden und das Regionalprinzip, von dem in den vergangenen 16 Jahren eher der Süden profitierte, nicht im Vordergrund steht. Wir haben im Norden Themen, die wir für ganz Deutschland einbringen können. Das sieht auch die neue Bundesregierung so. Ein Beispiel: Der hier aus Windenergie produzierte Strom muss über Trassen nach ganz Deutschland geliefert werden. Das ist ein großes Investitionsvorhaben im Norden, damit das Land insgesamt vorankommt mit der Energiewende.

Günther: Ich muss betonen, dass wir uns in den vergangenen vier Jahren bei den überregionalen Infrastrukturvorhaben über den Rückhalt des Bundes nicht beschweren konnten. Ein Beispiel ist die Unterstützung beim Bau der S 4 von Hamburg bis nach Bad Oldesloe.

Tschentscher: Das stimmt. Ohne den Bund gäbe es die A-7-Deckel nicht. Auch die Deutsche Bahn investiert stark in Hamburg. Es gibt also viele Projekte, die im Norden vorangekommen sind. Aber einiges ist schon liegen geblieben in den vergangenen Jahren. Wie die A-20-Thematik in Schleswig-Holstein.

Günther: Der Bau der A 20 ist aus Sicht der beiden Nordländer extrem wichtig. Das ist unser Wunsch an die beiden Mitglieder der Bundesregierung aus dem Norden. Für uns von fundamentalem Interesse ist auch das Thema Planungsbeschleunigung von Großprojekten, auf das sich die „Ampel“ im Koalitionsvertrag geeinigt hat.

Die Grünen und die Union haben sich für eine Wiederwahl Frank-Walter Steinmeiers als Bundespräsident ausgesprochen. Wäre es nicht einmal Zeit für eine Frau als Bundespräsidentin gewesen, Herr Tschentscher?

Tschentscher: Ich begrüße sehr, dass Frank-Walter Steinmeier weitere fünf Jahre Bundespräsident sein wird. Denn er ist ein sehr guter und volksnaher Bundespräsident.

Herr Günther, Sie gehörten zu den ersten Christdemokraten, die sich für eine zweite Amtszeit Steinmeiers ausgesprochen haben. Was spricht für Steinmeier?

Günther: Ich habe ihn als Bundespräsidenten erlebt, der den Menschen sehr zugewandt ist. Er sucht immer den direkten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern, trifft Ehrenamtliche, ist im Volk unterwegs und macht damit deutlich, dass er ein Bundespräsident für alle ist. Das fand ich immer sehr sympathisch. Ich habe ihn beim letzten Mal gewählt, und ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, ihn beim nächsten Mal wieder zu wählen. Dass sich CDU und CSU entschieden haben, ihn zu unterstützen, begrüße ich sehr.

Einige Ihrer Parteifreunde hatten gehofft, mit den Grünen zusammen eine unabhängige Kandidatin aufstellen zu können. War es nicht reichlich naiv zu hoffen, die Grünen aus der Ampel-Solidarität lösen zu können?

Günther: Das ist so. Die Bundesregierung hat sich doch gerade erst gebildet. Aber ich wünsche mir, dass wir das höchste Amt in Deutschland, das Staatsoberhaupt, auch mal in weibliche Hände legen. Eine zweite Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier ist jetzt die richtige Entscheidung. Ich hoffe, dass diejenigen, die heute der Auffassung waren, dass es eine Frau sein sollte, sich in fünf Jahren wieder daran erinnern.