Hamburg. Ohne Licht und Heizung: Immer mehr Menschen können offenbar die Rechnung nicht bezahlen. Linke fordert Ende der Energiesperren.
Kein elektrisches Licht, keine Heizung, keinen funktionierenden Herd zum Kochen – klingt nach Entwicklungsland, war für Tausende Hamburger im vergangenen Jahr aber bittere Realität. Exakt 7508 Hamburger Haushalten wurde zwischen Oktober 2020 und Ende September 2021 der Strom abgestellt. Weiteren 146 Haushalten wurde die Gaszufuhr gesperrt. Das hat der Senat auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der Linksfraktion mitgeteilt.
Diese verweist darauf, dass es im entsprechenden Vorjahreszeitraum nur 5952 Strom- und 129 Gassperren gegeben habe. Da allerdings von April bis Juni 2020 aufgrund der Corona-Pandemie keinerlei Energiesperren durchgeführt worden seien, könne von einem gleichbleibend hohen Niveau ausgegangen werden.
Energieversorgung: Hamburgs Linksfraktion fordert das Ende der Strom- und Gassperren
„Wenn Strom oder Gas abgestellt wird, bedeutet das für viele Menschen, dass sie kein Warmwasser mehr haben, nicht mehr kochen können und möglicherweise auch nicht mehr heizen“, sagte Stephanie Rose, sozialpolitische Sprecherin der Links-Fraktion in der Bürgerschaft. Aktuell würden die explodierenden Kosten für Strom und Heizung die Bürgerinnen und Bürger mit kleinem Einkommen noch zusätzlich belasten.
So rechnet die Fraktion in ihrer Anfrage vor, dass die realen Stromkosten rund ein Drittel höher seien als im Hartz-IV-Regelsatz vorgesehen. Bezieher von Arbeitslosengeld II bekämen monatlich nur 38,32 Euro für Energie (und Wohninstandhaltung), während laut einer Studie des Vergleichsportals Check 24 ein Singlehaushalt Energiekosten von monatlich 48,92 Euro habe.
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Rose verweist darauf, dass es seit Beginn der Corona-Pandemie keine Sperrungen der Wasserversorgung in Hamburg mehr gegeben habe: „Es ist also vieles möglich, wenn man das nur politisch will.“ Ihr Fraktionskollege und Umweltexperte Stephan Jersch ergänzt: „Die Klimawende darf nicht zur Kostenfalle für Menschen mit geringem Einkommen werden.“ Die städtischen Energieunternehmen müssten für Preisstabilität sorgen, und der Senat für Reformen, um die Kosten der Energiewende nicht auf die Verbraucher abzuwälzen.
Keine Unterbrechung von Strom-, Gas- und Wasserversorgung
Für die Bürgerschaftssitzung am Mittwoch hat die Linke beantragt, dass Beziehern von Wohngeld und Hartz IV ein Energiezuschlag von elf Euro im Monat gezahlt wird und die Strom- und Gasversorgung bei privaten Haushalten nicht unterbrochen werden darf.
Beim Wasser ist das de facto bereits der Fall. Hintergrund: Gleich zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hatte der Senat die Grundversorger Vattenfall (Strom), E.on (Gas) sowie Hamburg Wasser dazu aufgefordert, Sperrungen während der Corona-Krise auszusetzen. Im zweiten Quartal 2020 gab es daraufhin keine Strom-, Gas- und Wasserabsperrungen in Hamburg. Außer beim Wasser änderte sich das jedoch im Sommer 2020 wieder: „Nach Auslaufen des bundesrechtlichen Zahlungsmoratoriums Ende Juni wurden im Strom und Gasbereich wieder Sperrungen durchgeführt“, so der Senat.
Grundsätzlich wolle man das jedoch vermeiden: „Das Absperren von Strom, Gas, Wasser oder Fernwärme führt zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebenssituation der Betroffenen“, räumt der Senat ein. Das Ziel sei es daher, „das Eintreten dieser Situation wenn irgend möglich zu vermeiden“. Dafür werde auch einiges unternommen: So könnten sich finanziell klamme Bürger an Schuldnerberatungsstellen oder die Verbraucherzentrale wenden, die eigens Experten für das Thema Strom- und Gasschulden beschäftige.
Hamburg Energie verschickt 37.000 Mahnungen
Es gebe den „Stromspar-Check“ der Caritas (hat im betreffenden Zeitraum 603 Beratungen durchgeführt), Jobcenter und Grundsicherungsämter würden Darlehen zur Deckung von Haushaltsenergiebedarfen gewähren, und auch die Energieversorger böten „unterschiedliche Modelle des Zahlungsaufschubs“ an, so der Senat. Zudem arbeite ein von Umwelt-und Sozialbehörde initiierter runder Tisch an Möglichkeiten zur Vermeidung von Strom-, Gas- und Wassersperrungen.
Nicht zuletzt greift vor jeder Sperrung ein mehrstufiges Mahnverfahren. Die Datenlage dazu ist zwar dünn. Aber wie der Senat auf die Anfrage der Linken antwortet, hatte allein der städtische Stromversorger Hamburg Energie von Oktober 2020 bis September 2021 mehr als 37.000 Mahnungen an seine Stromkunden verschickt.