Hamburg/Berlin. Außer Olaf Scholz und Harald Christ spielten bisher Hamburger Politiker keine Rolle bei den Verhandlungen um die neue Bundesregierung.

Die Grünen-Politikerin Anja Hajduk hatte schon damit gerechnet, dass ihre Partei noch ihren Rat suchen werde. Die frühere Stadtentwicklungs- und Umweltsenatorin sowie langjährige Bundestagsabgeordnete hatte nach der Bundestagswahl keine längere Reise geplant, obwohl sie nicht erneut kandidiert und ihre politische Laufbahn beendet hat. Jetzt ist Hajduk in das erweiterte Sondierungsteam der Grünen für die künftige Regierungsbildung berufen worden.

„Ich freue mich darüber, weil ich meine Erfahrungen gern einbringe“, sagte Hajduk dem Abendblatt. Die Haushaltsexpertin und Spitzenkandidatin der Grünen bei der Bürgerschaftswahl 2011 bringt ihre Kenntnisse und Einschätzungen gerade auch aus der Regierungsper­spektive ein – aus der Zeit der schwarz-grünen Koalition von 2008 bis 2010.

Koalitionsverhandlungen: Katharina Fegebank hat Erfahrung

Verhandlungserfahrung aus dem Blickwinkel der Exekutive – das gilt selbstverständlich auch für die Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank, die ebenfalls in das 14-köpfige erweiterte Sondierungsteam der Grünen berufen wurde, zu dem unter anderen Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin und Ex-Parteichef Cem Özdemir gehören. Fegebank wollte ihre Nominierung nicht öffentlich kommentieren. Dem Vernehmen nach will sie sich ganz darauf konzentrieren, die weiteren Gespräche und Verhandlungen inhaltlich vorzubereiten.

Wie fast immer bei den Grünen werden Posten und Positionen streng nach den unterschiedlichen Quotierungen besetzt: Mann/Frau, Regionalproporz und Realo-/linker Flügel. Das zehnköpfige Kern-Sondierungsteam, das die Gespräche mit den anderen Parteien konkret führt, wird von den Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck angeführt.

Die Hamburger Grünen holten das beste Wahlergebnis

Hier sind die Hamburger Grünen, die mit 24,9 Prozent das beste Landesergebnis bei der Bundestagswahl eingefahren haben, nicht vertreten. Das erweiterte Sondierungsteam mit Fegebank und Hajduk soll die anstehenden weiteren Sondierungen und Gespräche mit FDP, Union und SPD vorbereiten und als „Resonanzraum“ dienen. Diese Feedback-Gruppe wird sowohl in Präsenz als auch kurzfristig per Videokonferenz tagen.

Darüber hinaus haben die Grünen bereits rund zwölf Arbeitsgruppen zu politischen Fachgebieten ins Leben gerufen, die dem Kernteam vor allem bei späteren Koalitionsverhandlungen zuarbeiten sollen. Zur Teilnahme melden konnten sich Landesministerinnen, Bundestags- und Europaabgeordnete. Neben Fegebank, die die Arbeitsgruppe Bildung, Wissenschaft und Innovation leitet, und Hajduk für den Bereich Haushalt sind auch Verkehrssenator Anjes Tjarks, Justizsenatorin Anna Gallina und Ex-Justizsenator und Neu-Abgeordneter Till Steffen dabei.

Nur wenige Hamburger Politiker an Sondierungen beteiligt

Bei den anderen Parteien ist die Hamburger Partizipation an den Sondierungen und möglichen Koalitionsverhandlungen bislang sehr überschaubar. Die FDP, die Ko-Vorsondiererin der Grünen, hat ebenfalls ein zehnköpfiges Team um Parteichef Christian Lindner ins Rennen geschickt. Pikanterie am Rande: Zur Verhandlungsgruppe gehört FDP-Schatzmeister Harald Christ, der lange in Hamburg beruflich und politisch aktiv war – als Sozialdemokrat.

Der Unternehmer und Stifter war Landesschatzmeister der Hamburger SPD, galt als senatorabel und war 2009 Schattenwirtschaftsminister des damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Christ wurde später Mittelstandsbeauftragter und gründete das Wirtschaftsforum der SPD.

Harald Christ wechselte von der SPD zur FDP

Nachdem die SPD-Mitglieder im Dezember 2019 Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zu Parteivorsitzenden gewählt hatten, trat Christ wegen des von ihm diagnostizierten Linksrucks aus der Partei aus, der er 31 Jahre lang angehört hatte. Seit März 2020 ist der Unternehmer FDP-Mitglied. Aufseiten der SPD dürfte die Wieder­sehensensfreude mit Christ in den Verhandlungsrunden schon wegen dessen Insiderwissens etwas getrübt sein.

Wenn es zu Koalitionsverhandlungen mit SPD oder Union kommt, wird damit gerechnet, dass der FDP-Bundesvorstand eingebunden wird. Dem liberalen Spitzengremium gehören auch der Hamburger Landeschef Michael Kruse und seine Stellvertreterin Ria Schröder an, beide erstmals in den Bundestag gewählt. Kruse ist im Bundesvorstand für die liberalen Kernthemen Digitalisierung und Datenschutz zuständig.

Scholz setzt auf kleines Verhandlungsteam

Einmal abgesehen von Olaf Scholz sind Hamburger Sozialdemokraten bislang nicht am Ringen um die künftige Bundesregierung beteiligt. Scholz hat das kleinste Verhandlungsteam der fünf Parteien um sich geschart. Neben dem Kanzlerkandidaten selbst sowie Esken und Walter-Borjans sind Bundestagsfraktionschef Ralf Mützenich, Generalsekretär Lars Klingbeil und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer dabei.

Laut Lars Balcke, dem Sprecher der Hamburger SPD, ist das Personaltableau für mögliche Koalitionsverhandlungen „noch in der Schwebe“. Allerdings wird damit gerechnet, dass für den Fall weiterer Gespräche die Länder in der einen oder anderen Form eingebunden werden. Dann dürften mindestens Bürgermeister Peter Tschentscher und SPD-Landeschefin und Sozialsenatorin Melanie Leonhard mit von der Partie sein.

Koalitionsverhandlung: Hamburger CDU mit Handicap

Die Hamburger CDU hat bei Sondierungen und möglichen Koalitionsverhandlungen ein doppeltes Handicap: Zum einen ist das politische Gewicht des Landesverbands in der Bundes-CDU, gelinde gesagt, noch ausbaufähig. Das hängt auch mit den enttäuschenden Wahlergebnissen der vergangenen Jahre zusammen, die der CDU im Rathaus eine klare Oppositionsrolle zugewiesen haben. Bei der Bundestagswahl schnitt die CDU in Hamburg mit 15,5 Prozent nach Brandenburg am schlechtesten ab.

Zum anderen dürften die Hamburger einen schweren Stand haben, solange Kanzlerkandidat Armin Laschet die Geschicke der Partei mitbestimmt. Mehrere prominente Vertreter der Elb-Union wie Landeschef Christoph Ploß hatten sich klar für den Bayern Markus Söder als Kanzlerkandidaten ausgesprochen. In Laschets zehnköpfigem CDU-Verhandlungsteam ist der Norden lediglich mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther vertreten.