Hamburg. Der SPD-Landesvorstand akzeptierte im Jahr 2017 hohe Spenden von der Warburg Bank. Ordnete ein CDU-Minister Razzia bei Kahrs an?
Angesichts des Cum-Ex-Skandals und nach den Durchsuchungen bei früheren Hamburger SPD-Politikern und in der Finanzbehörde bedauern führende Genossen mittlerweile, im Jahr 2017 hohe Spenden von der Warburg Bank und mit dieser verbundenen Unternehmen angenommen zu haben. „Mit dem Wissen von heute hätten wir diese Spenden nicht annehmen dürfen“, sagte der heutige Finanzsenator Andreas Dressel dem Abendblatt am Mittwoch.
Wie 2020 zuerst vom Abendblatt berichtet hatte die SPD 2017 insgesamt 45.500 Euro von M.M. Warburg & Co und mit dieser verbundenen Firmen angenommen – obwohl Warburg bereits wegen des Cum-Ex-Steuerbetrugs Gegenstand von Ermittlungen war und es bereits 2016 eine Durchsuchung gegeben hatte. Ein Jahr vor der Annahme der Spenden hatte Hamburg zunächst auf die Steuerrückforderung von 47 Millionen Euro gegenüber der Bank verzichtet.
Cum-Ex: SPD-Führung nickte Warburg-Spenden ab
Mittlerweile ist klar, dass 2017 auch die Parteispitze die Annahme der Warburg-Spenden genehmigt hatte. Um gezielte Beeinflussung zu verhindern, entscheidet laut Darstellung der SPD seit 2011 der geschäftsführende Landesvorstand über die Annahme von Spenden – auch wenn sie an Untergliederungen gehen. Hintergrund der Einführung dieser Regelung waren auch umstrittene Spendeneinwerbungen des seinerzeit von Johannes Kahrs geführten Kreisverbandes Hamburg-Mitte.
Dieser hatte auch Geld aus der Rüstungsindustrie angenommen – obwohl Kahrs im Haushaltsausschuss des Bundestages auch mit der Vergabe von Rüstungsaufträgen befasst war.
Dreimal beschäftigte sich der geschäftsführende Landesvorstand der SPD 2017 mit Spenden von Warburg oder Unternehmen aus deren direktem Umfeld. So teilte es der Landesverband dem Abendblatt jetzt auf Nachfrage mit. Am 21. Februar nickte die SPD-Führung zwei Spenden an den Kreisverband von Johannes Kahrs ab: 15.000 Euro von der Atalanta Beteiligungsgesellschaft und 10.000 Euro von der Setubal Vermögensverwaltung.
Am 9. Mai stimmten die Parteivorstände einer direkten Spende von M.M. Warburg & Co über 7500 Euro an den SPD-Landesverband zu - und am 26. September genehmigten sie dem Kahrs-Kreisverband Hamburg-Mitte die Annahme von 13.000 Euro von der Vigor Beteiligungsgesellschaft, die ebenfalls in Verbindung zu Warburg steht.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kahrs
Die Mitglieder der geschäftsführenden Landesvorstandes, der über die Annahme von Spenden entscheidet, waren seinerzeit laut SPD: die stellvertretenden Landesvorsitzenden Inka Damerau und Nils Weiland, Schatzmeister Christian Bernzen und die Kreisvorsitzenden Kahrs, Mathias Petersen, Milan Pein, Andreas Dressel und Frank Richter. SPD-Sprecher Lars Balcke sagte jetzt, Steuerrückforderungen an Warburg und die Verbindung der anderen Firmen zu dem Bankhaus seien dem geschäftsführenden Landesvorstand damals nicht bekannt gewesen – und der Kreis Mitte habe darüber auch nicht aufgeklärt.
Unterdessen ist mittlerweile auch klar, gegen wen die Staatsanwaltschaft Köln als Beschuldigte in Hamburg ermittelt. Nach dpa-Informationen handelt es sich neben dem langjährigen Bundestagsabgeordneten Kahrs, dessen Wohnung am Dienstag durchsucht wurde, um den ehemaligen Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk (SPD) und eine Finanzbeamtin, die für die Warburg-Bank zuständig war. Kahrs und Pawelczyk werden von Warburg-Mitinhaber Christian Olearius mehrfach in seinem Tagebuch erwähnt.
Für Olearius wurden Kontakte in Politik hergestellt
Demnach haben sie ihn beraten und Kontakte in die Politik und zur Finanzaufsicht hergestellt. Dass die Staatsanwaltschaft jetzt dem Verdacht der „Begünstigung“ nachgeht, deutet darauf hin, dass sie untersuchen will, ob und inwiefern dafür eine Gegenleistung erbracht wurde – das macht die Spenden aus dem Umfeld der Warburg-Bank an den damals von Kahrs geführten SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte so brisant.
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Am Mittwoch befasste sich auch der Rechtsausschuss des Landtags in NRW mit den Durchsuchungen vom Dienstag in Hamburg. Der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU) wies dabei den Vorwurf zurück, er habe Einfluss auf die Ermittlungen genommen. Er sei als Justizminister „überhaupt nicht eingebunden“ gewesen, sagte Biesenbach.
Cum-Ex: Zahlreiche Unterlagen sichergestellt
Aufgrund widersprüchlicher Einschätzungen in der Staatsanwaltschaft sei das Ministerium gebeten worden, die Rechtsauffassungen zu prüfen – und habe einen Anfangsverdacht bejaht. Über die Durchsuchungen habe ein unabhängiges Gericht entschieden. Diese dauerten demnach am Mittwoch weiter an – es seien zahlreiche Unterlagen sichergestellt worden.
Zuvor hatte es Vorwürfe gegeben, der CDU-Politiker habe aus politischen Erwägungen die Durchsuchungen veranlasst. Ein Anwalt von Warburg-Mitinhaber Olearius will den NRW-Minister und führende Staatsanwälte nun als Zeugen im Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschuss laden.