Hamburg. Starre Gesichter bei den Christdemokraten im Ludwig-Erhard-Haus in Winterhude. Landeschef Christoph Ploß zeigt sich enttäuscht.

Ein lautes Raunen ging durch die Reihen der rund 150 wartenden CDU-Mitglieder im Garten des Ludwig-Erhard-Hauses, als um 18 Uhr die ersten Prognosen vorgestellt wurden: Nur gleichauf bei 25 Prozent mit den Sozialdemokraten, wahrscheinlich sogar mit 24 Prozent hinter der SPD – Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß, Landeslistenzweite Franziska Hoppermann und ihre Unterstützer reagierten darauf nach dem ersten Schock in Winterhude mit starren Gesichtern.

Ploß hatte sich bis zuletzt gegen ein Abrutschen seiner Partei gestemmt, Appelle mit Warnungen verbunden. „Deutschland braucht eine unionsgeführte Bundesregierung!“, erklärte er noch am Freitag. Komme hingegen eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken ans Ruder, wäre dies fatal, „insbesondere für die weltoffene Wirtschaftsmetropole Hamburg“.

Bundestagswahl: Keine Feierstimmung bei Wahlparty

Dass ein solches Bündnis unwahrscheinlich ist, weil die Linken den ersten Prognosen zufolge schon mit der Fünf-Prozent-Hürde kämpften, sorgte am Sonntagabend für einen kurzen Applaus unter den CDU-Mitgliedern um Ploß. Aber eine Feierstimmung wollte bei der Wahlparty der Hamburger Konservativen am Leinpfad natürlich nicht aufkommen.

„Ich kann nur hoffen, dass wir am Ende unser Minimalziel erreichen, vor der SPD zu liegen“, erklärte Ploß bei seiner kurzen Rede auf dem Treppenaufgang zum Ludwig-Erhard-Haus, mit Blick auf die versammelten Mitglieder. „Das entspricht nicht unseren Erwartungen, nicht unseren Ansprüchen“, sagte der 36-Jährige, der bei der Bundestagswahl 2017 in Hamburg das einzige Direktmandat für die CDU geholt hatte.

CDU in Hamburg weit abgeschlagen von SPD

Damals war die Union noch auf 32,9 Prozent der Stimmen gekommen und hatte weit vor den Sozialdemokraten gelegen; in der Hansestadt hatte die CDU 27,2 Prozent der Zweitstimmen bekommen und war damit auch noch deutlich vor der SPD platziert, die 23,5 Prozent der Stimmen für sich verbucht hatte. Einer Hochrechnung um 19.40 Uhr zufolge lag die CDU in Hamburg am Sonntag sogar nur noch bei rund 16 Prozent, weit abgeschlagen hinter der SPD, die auf fast 30 Prozent kam.

Christoph Ploß hatte im April bei der Entscheidung im CDU-Bundesvorstand über den Kanzlerkandidaten der Union für Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CDU) gestimmt, während die Mehrheit im Vorstand für NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) votierte. Letzterer patzte dann allerdings im Wahlkampf und sorgte für Unmut und Frust in der Union.

CDU: Ploß wollte Optimismus verbreiten

Darauf kam Ploß aber nicht zu sprechen, auch nicht auf Koalitionsoptionen für die Union, er wollte lieber Optimismus verbreiten, immer noch. Das Rennen sei längst nicht entschieden, allein schon deshalb, weil viele Briefwahlstimmen noch nicht ausgezählt seien. „Ihr wart klasse“, rief Ploß den Zuhörern im Garten zu und lobte das Engagement der CDU-Unterstützer im Hamburger Wahlkampf, wofür er einen eher braven Applaus erntete. Immerhin gebe es doch die Aussicht auf eine „sehr spannende Wahlparty“, erklärte Ploß, um ein Lächeln bemüht.

Die Stimmung sei „gar nicht so schlecht“, hieß es von etlichen CDU-Mitgliedern am frühen Sonntagabend, denen nach eigenem Bekunden die Aufholjagd ihrer Partei in den jüngsten Umfragen vor dem Wahltag Mut gemacht hatte. Mancher hatte sich, vor der großen TV-Leinwand im Zelt sitzend, sogar siegesgewiss gegeben, ungerührt davon, dass es gleichzeitig im Fernsehen hieß, es könne ein „Abend der Wiederauferstehung werden“ – für die SPD wohlgemerkt.

„Ich werde gleich die Hamburg-Fahne hissen“

„Ich werde gleich die Hamburg-Fahne hissen“, erklärte CDU-Urgestein Karl-Heinz Warnholz (77), Mitglied in der Partei seit sechs Jahrzehnten, 22 Jahre lang Bürgerschaftsabgeordneter. Er rechne damit, dass die CDU gewinne, wenn auch nur knapp. In den vergangenen Tagen habe er von vielen Hamburgerinnen und Hamburger gehört, dass sie zunächst unentschieden gewesen seien, aber nun doch die CDU wählen würden, sagte Warnholz.

Auch junge Parteimitglieder gaben sich am frühen Abend optimistisch, die von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet geführte Union werde vor der SPD landen. Er habe zunächst mit Laschet gehadert, sagte etwa Henry Behrens (19), der erst 2020 in die CDU eingetreten war. Doch selbst wenn die Union noch das Rennen mache, wäre das mitnichten ein großer Erfolg, sagte er. „Es kann nicht sein, dass die stärkste Partei um die 25 Prozent erhält – das sollte uns zu denken geben.“

Bundestagswahl: CDU bei jungen Leuten unbeliebt

Behrens hatte zusammen mit dem Hamburger Liam Zergdjenah (20), CDU-Mitglied seit 2018, eine Onlineumfrage gestartet, um herauszufinden, „warum die CDU bei jungen Leuten so schlecht ankommt“. Die beiden meinen, ihre Partei habe im Wahlkampf junge Menschen viel zu wenig berücksichtigt, „teils nicht ernst genommen“. Das müsse sich künftig unbedingt ändern, sagte Behrens: „Eine Volkspartei zu sein, heißt auch, dass wir generationenübergreifend Menschen ansprechen müssen“.

Den Kampf gegen den Klimawandel, der für viele junge Menschen ein großes Thema sei, habe sich zwar auch die CDU auf die Fahnen geschrieben. Die Lösungsvorschläge der CDU gut zu vermitteln, sei zuletzt aber nicht gelungen.