Hamburg. Die Opposition attackiert den grünen Umweltsenator Kerstan – und der schlägt hart zurück. Hochschulpolitik ebenfalls umstritten.

Er gilt als einer der streitbarsten, streitlustigsten und zugleich umstrittensten Hamburger Senatoren – und diesem Ruf ist Jens Kerstan (Grüne) auch am Mittwoch in der Bürgerschaft gerecht geworden. In der Debatte über den Etat seiner Behörde musste der grüne Umwelt- und Klimaschutz-Senator nicht nur viel einstecken – er teilte auch hart aus, vor allem in Richtung CDU.

Deren Umweltpolitiker Stephan Gamm hatte Kerstan zu Beginn der Debatte über den Etat der Umweltbehörde vorgeworfen, er gehe nicht pragmatisch, sondern ideologisch an die großen Herausforderungen beim Klima- und Umweltschutz heran. Das sehe man schon, wenn man den Plan aus dem Hause Kerstan durchsehe: Dort tauchten zwar die Begriffe Umwelt und Klima Hunderte Male auf – zukunftsweisende Technologien wie Geothermie und Wasserstoff tauchten dagegen nur je einmal auf.

Kerstan-Etat in Hamburg „völlig unzureichend“

„Ihr Haushalt enthält keine Antworten auf die zentralen Fragen der Zukunft“, so Gamm. Zudem habe der Senator jemanden, der die Stadt „unzählige Mal verklagt“ habe, „damit belohnt, dass er nun an zentraler Stelle eingesetzt wird“, so Gamm mit Blick auf den Noch-Chef des Umweltverbandes BUND, Manfred Braasch, der künftig in der Behörde die Arbeit des Klimabeirates koordinieren soll. „Das hätte ich mir auch nach einer Flasche Rotwein nicht in meinen schlimmsten Träumen ausmalen können“, so Gamm.

Etwas nüchterner kritisierte Stephan Jersch (Linke) den Kerstan-Etat. Dieser sei angesichts des „Klimanotstandes völlig unzureichend“. Es fehlten darin etwa trotz des wegweisenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz Meilensteine zur Erreichung des 1,5-Grad-Zieles. Zudem beschränke sich der Senat bei der Dekarbonisierung auf das Aus für die Kohle – plane aber ein neues Gaskraftwerk. Jersch attestierte dem Senat in der Umwelt- und Klimapolitik, er befinde sich „im Blindflug, ohne überhaupt abgehoben zu haben“.

Kampf um veraltete Kohletechnologie

AfD-Umweltpolitiker Thomas Reich warf Kerstan mit Blick auf die Personalie Braasch vor, seine Behörde sei zum „Selbstbedienungsladen“ geworden.

Kerstan arbeitete sich in seiner Replik dann vor allem an CDU-Mann Gamm ab. Dieser rede von neuen Technologien, in Wahrheit habe er bis zuletzt dafür gekämpft, dass in Moorburg die alte Kohletechnologie weiter genutzt werden solle. Dabei habe selbst Betreiber Vattenfall erkannt, dass die Kohleverbrennung keine Zukunft habe, und das Kraftwerk vom Netz genommen, um nun mit der Stadt zusammen an der Wasserstofftechnologie zu arbeiten.

„Wir arbeiten für die Zukunft"

„Wir arbeiten für die Zukunft, Sie arbeiten an der Bewahrung der Vergangenheit“, so Kerstan in Richtung CDU. Das sehe man auch daran, dass die Maßnahmen der unionsgeführten Bundesregierung nicht ausreichten, um die Klimaziele zu erreichen. „Sie haben immer noch nicht verstanden, was jetzt getan werden muss“, so Kerstan. Im Zentrum seines Haushalts stehe „die Jahrhundertaufgabe, der wir uns alle stellen müssen, das ist die Bekämpfung des Klimawandels“. Im Hamburger Klimaplan seien allein dafür 400 Maßnahmen vorgesehen.

SPD-Umweltpolitiker Alexander Mohrenberg bezeichnete den Umweltetat als „zentralen Baustein der Regierungspolitik“ in Hamburg. Die Stadt investiere langfristig allein eine Milliarde Euro in den Klimaschutz, sie stärke Landstrom für Schiffe, den Ausbau von Radverkehr und Schnellbahnen und die energetische Gebäudesanierung. Insgesamt kann die Umweltbehörde nun gemäß ihrem neuen Etat 359 Millionen Euro in diesem und 355 Millionen Euro im nächsten Jahr ausgeben.

Kritik an Hamburgs Hochschulpolitik

Kaum ein gutes Haar ließ die CDU-Wissenschaftspolitikerin Anke Frieling am Etat der Behörde der Wissenschaftsbehörde. „Es ist einer der wichtigsten Etats für die Zukunft der Stadt. Aber nichts von der Bedeutung des Themas findet sich dort wieder“, so Frieling. In der Kritik an der aus ihrer Sicht nicht ausreichenden Grundfinanzierung der Hochschulen, die 3,5 Prozent mehr pro Jahr erhalten sollen, versuchte Frieling es mit Sarkasmus.

„Die Vereinbarung soll den Hochschulen ja Planungssicherheit geben. Das stimmt: Die Hochschulen wissen jetzt ganz genau, dass ihre finanzielle Situation in den nächsten sieben Jahren nicht besser wird“, sagte Frieling. Zwar könne der Zuwachs einen Ausgleich für Inflation und Tarifabschlüsse schaffen, nicht aber das strukturelle Defizit der Hochschulen abbauen.

„Mehr Frauen in die Wissenschaft"

SPD und Grüne zeichneten dagegen ein weitgehend ungetrübtes Bild. Miriam Block (Grüne) erinnerte daran, dass die Hochschulen seit 2012 mit einem Zuwachs von nur 0,88 Prozent für die Grundfinanzierung auskommen mussten. „Das war eine faktische Kürzung. Ich freue mich wahnsinnig, dass wir heute dem Ziel einer ausfinanzierten Hochschullandschaft einen großen Schritt nähergekommen sind“, sagte Block.

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Das Plus von jährlich 3,5 Prozent biete auch Spielräume für die Profilbildung der Hochschulen. In welche Richtung das führen soll, wurde schnell klar. „Wir müssen feministische Wissenschaftspolitik machen. Das bedeutet auch: mehr Frauen in die Wissenschaft. In Hamburg sind nur 30 Prozent der Professuren von Frauen besetzt. Wir müssen Machtverhältnisse und Strukturen verändern“, sagte Miriam Block kämpferisch.

Stärkung der sozialen Infrastruktur für Studierende

Annkathrin Kammeyer (SPD) warf der CDU vor, den Wissenschaftsstandort schlechtzureden. Die Hochschulvereinbarung sei ein großer Erfolg. „Das lassen wir uns von Ihnen, Frau Frieling, und der CDU nicht zerreden“, sagte Kammeyer, die darauf hinwies, dass mit dem Haushalt die soziale Infrastruktur für Studierende gestärkt werden solle. „In Hamburg sollen sich alle Menschen ein Studium leisten können – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern“, sagte Kammeyer.

„Der Haushalt gefährdet die Zukunft von Wissenschaft und Forschung“, befand Stephanie Rose (Linke). „Es gibt massive Kürzungen in allen Bereichen. Die befristeten Stellen für Nachwuchswissenschaftlerinnen zum Beispiel werden schon jetzt nicht mehr nachbesetzt.“ Rot-Grün verkaufe als Erfolg, dass der Semesterbeitrag für Studierende eingefroren werde. „Dabei war die letzte Erhöhung nur temporär vorgesehen.“

Hochschulvereinbarung Hamburg: „Sprung nach vorn“

Der AfD-Abgeordnete Krzysztof Walczak kritisierte, dass die falschen Schwerpunkte gesetzt würden. „Die Stadt leistet sich weiterhin ein Zentrum für Gender und Diversity. Steuergeld wird für linke Ideologieprojekte ausgegeben“, sagte Walczak. Stattdessen sollten mehr Ingenieure, Informatiker und Naturwissenschaftler ausgebildet werden.

Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) warf Walczak seinerseits „eine ideologiegetriebene Diskussion“ vor, „über die man nicht streiten kann und darf“. Die Pandemie habe gezeigt, dass die Wissenschaft nichts sei, was sich im Elfenbeinturm abspiele. „Raum für die Ideen geben, attraktiv sein für Wissenschaftler und eine solide Finanzierung sicherstellen“, so umriss Fegebank ihre Wissenschaftspolitik. Die Hochschulvereinbarung sei in schwieriger Lage ein „richtiger Sprung nach vorn“. Der Behördenetat sieht Ausgaben in Höhe von 1,329 Milliarden Euro (2021) und 1,350 Milliarden (2022) vor – das bedeutet eine Steigerung um 12,2 Prozent gegenüber 2019.