Hamburg. Das Wintersemester wird wieder in Präsenz geplant, einige digitale Formate bleiben. Aber: Wird es Einlasskontrollen am Eingang geben?
Endlich wieder die Kommilitonen auf dem Campus treffen, mit Dozenten und anderen Studierenden in Seminaren diskutieren und überhaupt ein richtiges Studentenleben wie vor der Corona-Pandemie führen – das soll vom Herbst an in Hamburg möglich sein. Nach drei überwiegend digital organisierten Semestern planen die Hamburger Hochschulen von Oktober an ihre Lehre wieder in voller Präsenz, wie das Abendblatt exklusiv erfuhr.
„Unser Ziel ist es, die Hochschulen im Wintersemester vollständig zu öffnen, das bereiten wir derzeit im engen Schulterschluss mit den Hochschulleitungen gemeinsam vor“, sagt Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne). Die Hoffnung ist, dass dann die Mehrzahl der Studierenden geimpft ist. Hochschulmitarbeiter sind bereits seit dieser Woche in der Prioritätsgruppe 3 impfberechtigt.
Wird die Abstandsregel im Hörsaal ausgesetzt?
Dennoch stehen die Hochschulen bei der Neuorganisation ihres Alltags vor vielen Herausforderungen. Bliebe es bei der jetzt gültigen Abstandsregel von 1,50 Meter sowie einer Mindestquadratmeterzahl pro Studierenden, würden die Räumlichkeiten für Seminare und Vorlesungen nicht ausreichen, sagt Andreas Timm-Giel, Präsident der Technischen Universität Hamburg (TUHH) und derzeit Sprecher der Landeshochschulkonferenz Hamburg (LHK).
Doch seine Kollegen und er setzen darauf, dass die Abstandsregel – wie bereits jetzt an den Schulen – ausgesetzt werden kann, wenn sich die Corona-Lage weiterhin positiv entwickelt. Für die Studierenden könnte dann weiterhin Maskenpflicht gelten, wenn Abstände nicht einzuhalten sind.
Überprüfung von Coronatest - eine Herausforderung
Eine mindestens ebenso große Baustelle sind die Coronatests – und ihre Überprüfung. Denkbar sei, so Timm-Giel, dass die Zertifikate über ein negatives Testergebnis sowie Impfausweise am Eingang der Hochschulgebäude kontrolliert würden, gegebenenfalls von einem Sicherheitsservice. „Doch die räumliche Situation ist an den Hochschulen unterschiedlich, überall wird das nicht möglich sein – etwa wenn 1000 Studenten oder mehr zu einer Veranstaltung ins Gebäude hinein wollen und sich lange Schlangen bilden würden.“ An dieser Frage werde gerade intensiv gearbeitet.
An einigen Hochschulen gibt es bereits wieder Präsenzanteile in der Lehre, etwa Laborübungen wie an seiner TU. Dort gibt es ein eigenes Corona-Testzentrum, dass Hochschulangehörigen, aber auch Bürgern offensteht. An der TU reichen derzeit dort erstellte Testzertifikate oder auch selbstbeglaubigte Selbsttests aus, um an den Lehrveranstaltungen teilzunehmen.
Hamburger Hochschulen bereiten sich vor
Die Studierende seien erwachsen, wer positiv getestet sei, werde nicht in die Hochschule kommen, sagte Timm-Giel. „Dieses Risiko gehen wir ein.“ An der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) würden die Studierenden in Kleingruppen unter Aufsicht getestet. Müsste ab Herbst eine Einlasskontrolle organisiert werden, wäre das „erheblich mehr Aufwand“, so Timm-Giel.
Die Hochschulen bereiten sich derzeit auf mehrere Szenarien abhängig von der Pandemielage vor. „Wir versuchen, eine generelle Linie zu entwickeln, die Ausgestaltung liegt dann bei den einzelnen Hochschulen“, sagt Fegebank, die betont, in welch konstruktivem Einvernehmen sich die Beteiligten ans Werk machten.
Diskurs und Begegnung machen die Hochschulen aus
Diskurs, Begegnung und Austausch sei der Kern von Universität, so Fegebank. Dennoch sollen und wollen die Hochschulen einen Teil der in der Krise entwickelten Digitalformate in der Lehre beibehalten. Der Digitalisierungsschub sei beeindruckend gewesen und seine Vorteile sollen auch künftig einbezogen werden. „Wir wollen in der Kombination das Beste aus beiden Welten zusammenbringen für einen optimalen Studienalltag“, gibt Fegebank das Ziel vor.
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So könnten größere Vorlesungen künftig einerseits im Hörsaal vor Studenten gehalten werden, gleichzeitig aber auch digital abrufbar sein. Studenten biete sich auf diese Weise die Möglichkeit, in ihrem eigenen Tempo zu lernen, zurückzuspulen, wenn sie etwas nicht verstanden haben oder auch abends oder am Wochenende Vorlesungen zu hören. Bei anderen Veranstaltungen wie Seminaren, praktischen Übungen oder Kleingruppenarbeit stehe der Diskurs im Vordergrund, hier müssten sich Studierende und Dozenten in der Regel vor Ort persönlich treffen.
„Werden bei Studenten mehr ,Sozialarbeit´ leisten müssen“
Die Medizinstudenten wurden am UKE bereits alle geimpft, ihr Sommersemester wird etwas verlängert, damit sie alle erforderlichen praktischen Übungen absolvieren können. Auch für die Zahnmediziner wurden vier Wochen Praxisphase angehängt, um Verzug im Studienablauf zu vermeiden. An der HAW gibt es das Problem, dass Praktika in der Industrie derzeit schwer zu bekommen sind.
Eine weitere Herausforderung werde für die Hochschulen eine intensivere Betreuung der Studierenden. „Der neue Jahrgang, der jetzt an die Universitäten kommt, hat zuletzt nur digital gelernt“, sagt Timm-Giel. „Wir erwarten, dass wir bei den Erstsemestern, die in einen neuen Lebensabschnitt wechseln, noch mehr ,Sozialarbeit´ leisten müssen als sonst“, sagt der TU-Chef.
Fegebank verteidigt Titel in Hamburg
Katharina Fegebank hat indes bei der Wahl zur „Wissenschaftsministerin bzw. -minister des Jahres“ des Deutschen Hochschulverbandes (DHV) den zweiten Platz belegt. Damit verteidigte sie einen Platz auf dem Treppchen, nachdem sie im vergangenen Jahr zur Wissenschaftsministerin des Jahres gewählt worden war. An der Abstimmung Ende 2020 nahmen 3575 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler teil. Die Kür sei „eine tolle Bestätigung der engen und vertrauensvollen Arbeit mit den Hochschulen“, sagt Fegebank.