Hamburg. Opposition kritisierte den Schulsenator scharf für das Corona-Krisenmanagement. Vertrauen bei Lehrern und Eltern sei verspielt.

Der Streit über das Offenhalten der Schulen angesichts steigender Infektionszahlen eskaliert: CDU-Fraktionschef Dennis Thering hat in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft schwere persönliche Vorwürfe gegen Schulsenator Ties Rabe (SPD) erhoben, der am Präsenzunterricht festhält.

Thering erhebt schwere Vorwürfe gegen Ties Rabe

„Ties Rabe ist die Schwachstelle im Senat. Und das muss etwas heißen, wenn man Innensenator Andy Grote und Justizsenatorin Anna Gallina in seinen Reihen hat“, sagte der CDU-Politiker.

„Wenn jemand Schmerzensgeld verdient hat, dann sind es Schüler, Eltern und Lehrer, die unter der grottenschlechten Schulpolitik zu leiden haben“, sagte Thering in Anspielung auf eine Äußerung Rabes im Abendblatt-Interview, wonach die Hälfte seines Gehalts Schmerzensgeld sei. „Die Schulen sind immer stärker von der Pandemie betroffen. Jeder zehnte Lehrer fällt inzwischen aus“, sagte Thering.

Furcht vor unkontrolliertem Infektionsgeschehen an Schulen

„Es gibt eine große Furcht vor einem unkontrollierten Infektionsgeschehen an Schulen, die aber vom Senat alleingelassen werden. Es reicht einfach nicht, nur zu hoffen, dass das Virus vor der Schule haltmacht“, sagte der Oppositionschef.

„Bayern macht es besser: Dort gibt es geteilten Unterricht“, befand Thering. In Hamburg gebe es nicht einmal Konzepte für den sogenannten Hy­bridunterricht, bei dem im Wechsel die Hälfte einer Klasse in der Schule unterrichtet und die andere zu Hause lernt. „Der Senator hatte Wochen und Monate Zeit, sich auf einen Anstieg der Infektionszahlen vorzubereiten, das aber völlig verschlafen“, empörte sich Thering.

Kienscherf: Thering schürt Angst der Menschen

SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf nannte Therings Äußerungen „schockierend“ und sprach von „Halbwahrheiten“. Es dürfe in dieser Phase der Pandemie nicht darum gehen, „Menschen zu diffamieren und auf diese Art Parteipolitik zu betreiben“.

Thering schüre die Angst der Menschen, wenn er behaupte, die Schulen seien die „Hochburg“ der Corona-Neuinfektionen. Tatsächlich seien nur 0,3 Prozent der rund 200.000 Schülerinnen und Schüler infiziert.

Schulsenator Rabe wehrt sich gegen Angriff

Doch auch der angegriffene Schulsenator wehrte sich. „Krisenmanagement bedeutet auch, die Wahrheit zu sagen. Das gilt nicht nur für die Regierung, sondern auch für die Opposition“, sagte Rabe.

Die Ministerpräsidenten aller 16 Länder und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hätten sich darauf verständigt, die Schulen – anders als im Frühjahr – möglichst lange offen zu halten. „Darunter sind CDU-geführte Landesregierungen“, so Rabe. Dazu zählt zum Beispiel auch Schleswig-Holstein.

Rabe: "Das ist wirklich nicht vernünftig"

Die Behauptung, dass Bayern den Hybridunterricht eingeführt habe, stimme nicht. „In nur einer von 20 Regionen in Bayern werden Klassen geteilt“, sagte der Schulsenator. Alle Länder brächten die Kraft auf, erneute Schulschließungen möglichst zu vermeiden. „Sie verlangen, dass Hamburg aus der Reihe tanzt. Das ist wirklich nicht vernünftig“, sagte Rabe in Richtung CDU.

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Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus­ appellierte an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), die Pandemiebekämpfung an Schulen zur Chefsache zu erklären. „Die Schulöffnung trage ich mit, aber wir müssen für einen besseren Gesundheitsschutz sorgen“, sagte Boeddinghaus.

Idee: Schulunterricht in Theatern und Museen

Das Robert-Koch-Institut schlage die Halbierung der Klassen vor, damit der Abstand gewahrt bleibe. „Ältere Schüler können auch eher im Fernunterricht sein“, sagte die Linken-Politikerin. In Dänemark, wo die Klassen geteilt werden, würden auch Theater, Museen und Stadtteilzentren für den Unterricht genutzt.

„Ich kann nicht verstehen, wie Sie die Situation an den Schulen schönreden können. Kein Ort ist sicher, an dem sich viele Menschen aufhalten“, sprach CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver Rabe direkt an.

CDU-Schulpolitikerin: Präsenzunterricht noch vertretbar?

Die Infektionsrate von Schülern und Lehrern liege über denen der Gesamtbevölkerung. „Es ist richtig, dass die Schulen und Kitas nicht wieder geschlossen wurden. Der Präsenzunterricht soll aufrechterhalten werden, solange es vertretbar ist. Aber ist es noch vertretbar?“, fragte Stöver.

Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein warf Rabe „Sturheit und Realitätsverlust“ angesichts der steigenden Infektionszahlen vor. Jetzt müssten endlich digitale Unterrichtskonzepte vorgelegt werden. „Und schaffen Sie Lüftungsgeräte für die Schulen an, das kann doch nicht so schwer sein“, sagte Treuenfels-Frowein, die ebenfalls die Teilung der Klassen forderte.

Lockdown im November – das sind die neuen Maßnahmen:

  • Private Treffen nur noch mit maximal zehn Personen aus zwei Haushalten
  • Ausnahme: Lex Kindergeburtstag mit Kindern unter zwölf Jahren
  • Kein Sportbetrieb erlaubt, alle Hallen, Fitnessstudios, Schwimmbäder schließen, Ausnahmen für Profis und Kaderathleten
  • Medizinische Reha erlaubt, Friseure offen – Kosmetikstudios, Massagepraxen müssen schließen
  • Bordelle und Prostitutionsbetriebe schließen
  • Restaurants und Bars werden geschlossen, Abhol- und Lieferservice ist möglich
  • Alle Kinos, Theater und Konzerthallen müssen ihre Türen zusperren
  • Bücherhallen bleiben offen, Uni-Bibliotheken sollen ein eigenes Konzept erhalten
  • Maskenpflicht in Schulen ab Klasse 5, außerhalb des Schulgebäudes mit Abstand darf die Maske abgenommen werden
  • 400 Euro für jedes Klassenzimmer für Schutzmaßnahmen
  • Gottesdienste und Trauerfeiern mit Masken, Abstand und Hygienekonzept erlaubt
  • Einreisende aus Risikogebieten müssen direkt in Quarantäne und sich bei Hamburger Behörden melden. „Die Quarantäne darf frühestens am fünften Tag nach der Einreise beendet werden, und nur dann, wenn durch ein negatives Testergebnis belegt ist, dass die reisende Person nicht infiziert ist. Der Test darf frühestens am fünften Tag nach Einreise durchgeführt werden“, heißt es vom Senat.

AfD-Fraktion unterstützt Schulsenator Rabe

Unterstützung erhielt Rabe ausgerechnet von der AfD-Fraktion. „Viele Eltern wünschen sich, dass der Präsenzunterricht läuft. Es bleibt richtig, die Schulen offen zu lassen, weil das auch verhältnismäßig ist“, sagte AfD-Fraktionschef Alexander Wolf.

„Es findet keine Teilung der Klassen in Bayern statt. Der bislang nach Konfessionen getrennte Religionsunterricht ist wegen Corona dort sogar aufgehoben worden“, sagte der Grünen-Abgeordnete Michael Gwosdz.

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Leonhard: Eltern fürchten sich vor Hybridunterricht

„Nicht wenige Eltern schreiben uns, damit wir den Präsenzunterricht aufrechterhalten. Sie fürchten sich vor den Folgen des Hybridunterrichts für die familiäre Situation“, sagte Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD).

„Ja, der Ton wird schärfer, und das Durchhalten fällt schwerer nach zehn Monaten Pandemie“, sagte Leonhard. Schulen und Kitas offen zu halten sei das Ergebnis eines Abwägungsprozesses gewesen.

Es gehe um Differenzierung bei der Entscheidung über Maßnahmen. „Wir dürfen uns nicht nur an den Lautsprechern orientieren, sondern müssen auch diejenigen im Blick haben, die sich nicht so laut äußern“, sagte die Gesundheitssenatorin.