Hamburg. Schon 2012 scheiterte der Versuch, im Landesverband eine Quote einzuführen. Und der Widerstand ist nach wie vor erheblich...

Die Antwort aus der CDU-Parteizentrale am Leinpfad kam prompt. Kaum hatte das Thüringer Verfassungsgericht das Parité-Gesetz des Landes am Mittwoch gekippt, meldete sich CDU-Landeschef Roland Heintze zu Wort. „Wir brauchen mehr Frauen in der Politik. Mehr Beteiligung erreichen wir aber nicht mit der ideologischen Brechstange“, schrieb Heintze. Das von Rot-Grün auch in Hamburg geplante Parité-Gesetz dürfte damit hinfällig sein, so der Parteichef. Das klang erleichtert.

Ein Parité-Gesetz ist die weitgehendste Form der gleichberechtigten Teilhabe von Männern und Frauen, denn es schreibt allen Parteien vor, die Listenplätze für Wahlen im Reißverschlussverfahren zwischen den Geschlechtern zu vergeben. Die Kritik an der Verfassungsmäßigkeit eines solchen Gesetzes ist nicht neu, weil es eine Einschränkung von Grundrechten mit sich bringt: die Freiheit und Gleichheit der Wahl sowie die Chancengleichheit der Parteien.

Nur drei der fünfzehn CDU-Abgeordneten sind Frauen

Sicher ist, dass das Thüringer Urteil über das Parité-Gesetz, das die dortige rot-rot-grüne Mehrheit im Landtag verabschiedet hatte, auch die Chancen für die Hamburger Initiative deutlich verringert. Dabei könnte man fast meinen, dass ein solches Gesetz an Alster und Elbe ohnehin gar nicht nötig wäre, denn die Parität ist hier fast schon Realität: Der Frauenanteil unter den 123 Bürgerschaftsabgeordneten liegt seit der Wahl am 23. Februar bei 45,5 Prozent – das ist Platz eins unter allen 16 Landtagen sowie dem Bundestag. Und: Seit 2001, als nur 29,8 Prozent der Abgeordneten weiblich waren, hat sich der Anteil kontinuierlich erhöht.

Auf den zweiten Blick wird allerdings deutlich, dass die Frauen in den Fraktionen doch sehr ungleich vertreten sind. Während bei SPD, Grünen und Linken in etwa Geschlechterparität herrscht, sind bei der CDU nur drei der 15 Abgeordneten weiblich. Selbst die AfD kommt auf einen Frauenanteil von einem Drittel. Etwas zugespitzt lässt sich sagen, dass der Frauenanteil in der Bürgerschaft deswegen so hoch ist, weil die CDU mit ihrem historischen Tiefstand von 11,2 Prozent so schwach ist.

Bereits 2012 scheiterte der Versuch einiger Frauen

Die Hamburger CDU ist eine männerdominierte Partei, die sich seit Jahren mit dem Thema der Frauenförderung quält, man kann es gar nicht anders sagen. Alle bekennen sich im Prinzip dazu, dass mehr Frauen Ämter und Mandate übernehmen sollen, aber die Erfolge sind bislang überschaubar. Die Vorsitzenden der sieben CDU-Kreisverbände sind Männer, die weitaus meisten Vorsitzenden der Ortsverbände ebenfalls. Auch die vier Bundestagsabgeordneten sind Männer. Immerhin: Mit Anke Frieling und Natalie Hochheim sind zwei der vier stellvertretenden Landesvorsitzenden Frauen. Und mit Franziska Hoppermann in Wandsbek stellt die Union wenigstens eine Frau an der Spitze einer Fraktion in der Bezirksversammlung.

Doch Frauen sind, was Ämter und Mandate angeht, in der CDU nach wie vor unterrepräsentiert. Dabei ist der Frauenanteil an der Mitgliedschaft in der Elb-Union mit 38 Prozent deutlich höher als in der Bundespartei mit rund 26 Prozent. Bereits 2012 scheiterte der Versuch einiger engagierter Frauen – wie der heutigen schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien – und einiger Männer wie dem damaligen Landesvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Marcus Weinberg, eine Drittelquote einzuführen. Die Mehrheit gegen die Quote auf dem Landesparteitag war deutlich.

Ploß: Die Frauenquote ist leistungsfeindlich

Vielleicht ist es kein Zufall, dass der Widerstand ausgerechnet aus Hamburg besonders heftig ausfiel, als – etwas überraschend – die CDU-Satzungskommission auf Bundesebene jetzt vorschlug, bis 2025 eine 50 Prozent-Frauenquote von der Kreisebene an aufwärts einzuführen. „Diese Position ist in weiten Teilen der Partei nicht mehrheitsfähig und auch nicht in der Bevölkerung“, sagte Christoph Ploß, CDU-Landesvize und Bundestagsabgeordneter.

Ploß kritisiert, dass bei einer Quote ein Großteil der Ämter nach einem Faktor vergeben werden soll, für den Menschen nichts können – eben ihr Geschlecht. Die Quote sei letztlich leistungsfeindlich, weil engagierte Männer dann vielleicht nicht mehr auf aussichtsreichen Plätzen kandidieren dürften. „Nach der Logik müssten wir dann als Nächstes eine Quote zum Beispiel für Migranten oder junge Leute einführen“, sagte Ploß.

„Eine starre Quote von fifty-fifty ist nicht der Weg, die CDU nach vorn zu bringen“, sagte auch Bürgerschaftsfraktionschef Dennis Thering im Abendblatt-Interview. Er glaubt, eine gesicherte Kinderbetreuung bei Landes- und Kreisparteitagen könnte Frauen zu verstärkter Mitarbeit motivieren.

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Landesvorsitzende Christoph de Vries wetterte gegen den Vorstoß. „Eine Quote von 50 Prozent würde bei einem Frauenanteil an der Mitgliedschaft von 26 Prozent eine Überrepräsentation bedeuten. Das wäre ein Akt der Unvernunft, weil Spitzenfunktionen an Frauen vergeben werden müssen, die in dieser Zahl gar nicht zur Verfügung stehen“, sagte de Vries.

Vier Frauen, acht Männer: Das ist der neue Senat:

Vier Frauen, acht Männer: Das ist der neue Senat

Peter Tschentscher, Hamburgs Erster Bürgermeister.
Peter Tschentscher, Hamburgs Erster Bürgermeister. © HA | Marcelo Hernandez
Katharina Fegebank, Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin der Hansestadt.
Katharina Fegebank, Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin der Hansestadt. © HA | Andreas Laible
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD).
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). © Thorsten Ahlf
Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD).
Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD). © HA | Marcelo Hernandez
Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne).
Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). © HA | Marcelo Hernandez
Schulsenator Ties Rabe (SPD).
Schulsenator Ties Rabe (SPD). © HA | Roland Magunia
Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos).
Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos). © HA | Marcelo Hernandez
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD).
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). © HA | Marcelo Hernandez
Innensenator Andy Grote (SPD).
Innensenator Andy Grote (SPD). © HA | Marcelo Hernandez
Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne).
Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). © HA | Roland Magunia
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne).
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne). © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services
Kultursenator Carsten Brosda (SPD).
Kultursenator Carsten Brosda (SPD). © HA | Roland Magunia
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Eine Frauenquote von 50 Prozent? „Grob unvernünftig“

Eine solche Quote schade der Partei, „weil sie das Signal an verdiente Amtsträger aussendet, dass sie unter Umständen nicht mehr weitermachen können.“ Es gebe zu wenig aktive Frauen in den Ortsverbänden. „Das weiß ich aus eigener Erfahrung im Kreisverband Mitte. Wir müssten nach der strengen Quotierung Delegiertenposten unbesetzt lassen, das wäre grob unvernünftig“, sagte de Vries, der CDU-Mitte-Kreischef ist. Kanzlerin Angela Merkel sei doch der Beweis, dass es Frauen ohne Quote in höchste Ämter schaffen können.

„Der Antrag des Bundesvorstands geht in der Zielquote zu weit. Das gibt die Mitgliedschaft vielerorts nicht her“, sagte der CDU-Landesvorsitzende Heintze. Nach dem Nein zur Einführung einer starren Drittelquote 2012 habe man sich auf ein freiwilliges Quorum verständigt, das sich am Prozentanteil der Frauen an der Mitgliedschaft orientiert. Heintze findet, die Partei habe damit gute Erfahrungen gemacht ...

Hoppermann zur Quote: "Schritt in die richtige Richtung"

Mit gewissem Stolz verweist Heintze darauf, dass nach dem Willen der Parteispitze bei der Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl 2021 eine Frau auf Platz eins oder zwei gewählt werden soll. „Damit sind wir weiter als der Vorschlag aus Berlin“, so Heintze. Allerdings: Zur Wahrheit gehört auch, dass sich auf den übrigen aussichtsreichen Plätzen nur Männer drängeln werden.

Es ist ein offenes Geheimnis in der Partei, dass die Wandsbeker Bezirksfraktionschefin Franziska Hoppermann, Landesvorsitzende der Frauen-Union, die Auserwählte für die Bundestagskandidatur ist. Sie selbst hält sich noch zurück, was die eigenen Ambitionen angeht, nennt die 50-Prozent-Quote aber „einen mutigen Schritt in die richtige Richtung“. Alle Versuche auf Basis von Freiwilligkeit hätten in den den vergangenen 30 Jahren nicht funktioniert.

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Für Hamburger CDU-Granden ist Quoten-Diskussion ein „Verliererthema“

„Die teilweise bestehende strukturelle Unterrepräsentanz von Frauen ist für die Volkspartei CDU nicht hinnehmbar“, sagte der Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg, Spitzenkandidat der Union bei der zurückliegenden Bürgerschaftswahl. Er sieht die Chance für einen Kompromiss. „Eine 50-Prozent-Quote halte ich persönlich für zu hoch und zu eng angesetzt, da sie den Gestaltungsspielraum sehr eingrenzt. Zur Beseitigung der strukturellen Unterrepräsentanz ist eine Quote von 40 Prozent bis zum Jahr 2025 ambitioniert, aber machbar. Wir sollten uns auf 40 Prozent bis 2025 verständigen“, sagte Weinberg.

Karin Prien hat den Kampf für eine bessere Beteiligung von Frauen nicht aufgegeben. „Die Quote ist nicht gerade ein elegantes Mittel, sondern eher eine Krücke. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir jetzt ohne Quote kaum vorankommen werden“, sagte die Kieler Ministerin jetzt der „Welt“. Vielleicht behält sie recht. Für einen Hamburger CDU-Granden ist die Quoten-Diskussion dagegen nur ein „Verliererthema“, das der CDU nichts bringen wird.